Ausflug ins Crossover

Nichts für Puristen ist die neue CD von Christina Pluhar mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata bei Erato (46337507), auf der sie unter dem Titel „Music for a while“ Improvisationen über Themen von Purcell vorstellt. Sie hat dafür als Special guests den Klarinettisten Gianluigi Trovesi, der bereits bei ihrer CD „All’Improvviso“ mitgewirkt hatte, und den Jazz-Gitarristen Wolfgang Muthspiel gewonnen. Und wie oft ist auch der Countertenor Philippe Jaroussky mit von der Partie, zu dem sich noch die Sopranistin Raquel Andueza, der Altus Vincenzo Capezzuto und die Counter-Legende Dominique Visse gesellen. Wie meist bei ihren Programmen finden sich auch hier starke Einflüsse des Jazz und der Folklore. Bewusst wollte sich Pluhar bei ihrer Neuveröffentlichung stilistisch zwischen den Jahrhunderten bewegen, was die Musiker in ihren Improvisationen mit großer Phantasie und musikantischer Lust umsetzen.

Die Auswahl eröffnet Capezzuto mit „T`was within a furlong“ aus The Mock Marriage – eine sehr feminine Stimme in einem geschmäcklerischen Pop-Arrangement. Danach singt Jaroussky den berühmten Song (aus Oedipus), welcher der CD den Titel gab, mit seiner bekannt keusch schwebenden Stimme. Auch hier lässt die Begleitung mit Klarinette und Piano eher vermuten, dass man sich in einer Nachtbar befinden würde. Später hört man von ihm noch das sehr zart gesungene und sparsam begleitete „An Evening Hymn on a Ground“ , das bekannte „O solitude, my sweetest choise“ , das er ganz entrückt und mit körperloser Stimme intoniert, und im Duett mit Capezzuto „In vain the am’rous flute“ aus der Cäcilien-Ode, wo sich die Stimmen perfekt mischen und kaum noch auseinander zu halten sind. Die Sopranistin lässt in dem rhythmisch bewegten, von Percussion-Instrumenten begleiteten „Strike the viol“ ein androgynes, Vibrato loses Timbre vernehmen, das sie fast wie ein Counter klingen lässt. Mi Didos Lament, „When I am laid in earth“ aus Dido and Aeneas fällt ihr eine der bekanntesten Nummern aus Purcells Feder zu. Man kennt sie von legendären Interpretinnen von Kirsten Flagstad bis Janet Baker – deren Größe erreicht Andueza in ihrem larmoyanten Vortrag nicht. Mit Jaroussky ist sie in „Hark! how the songsters of the grove“ aus Timon of Athens zu hören, dieser Titel scheint mir insgesamt sehr gelungen und in der harmonischen Verflechtung der beiden Stimmen in den flüssigen Koloraturen am ehesten den barocken Charakter der Musik zu treffen. Dagegen fällt die Jazz artige Improvisation in zwei weiteren Beiträgen von Capezzuto – „Wondrous machine“ und „One charming night“  aus The Fairy Queen – ganz besonders auf. Einen gewohnt bizarren Auftritt hat Dominque Visse mit „Man is for the woman made“ aus The Mock Marriage, das er lautmalerisch und mit lustvollem Quieken effektvoll darbietet. Als Bonus ist eine Variation von Leonard Cohen über das „Hallelujah“, angefügt, die Capezzuto wie einen Pop-Song vorträgt. Liebhabern des Barock würde ich diese CD nicht empfehlen, sie eignet sich eher für Freunde des Crossover.

Bernd Hoppe