Der tschechische Komponist Josef Suk (1874-1935) steht auch heute noch im Schatten seines Schwiegervaters Antonín Dvorák. Suks wohl bekanntestes Werk ist gleichwohl untrennbar mit diesem verbunden, widmete Suk seine 1905/06 entstandene und Asrael betitelte Sinfonie c-Moll op. 27 doch ausdrücklich Dem Andenken Antonín Dvoráks und seiner Tochter, meiner Gattin Ottilie. Unglücklicherweise starb nämlich auch Suks Gemahlin, kurz nach dem Ableben ihres Vaters, während er noch über der Komposition des Werkes saß. Man kann sich den furchtbaren Schmerz Suks vorstellen. Dass er die Sinfonie nach dem unbarmherzigen alttestamentarischen Todesengel benannte, mutet insofern gleichsam folgerichtig an. Der Tod ist das Leitmotiv des Werkes.
Die Sinfonie ist fünfsätzig und ist trotz des Namens im Titel keine Programm-Sinfonie im engeren Sinne, haben die einzelnen Sätze doch keine programmatischen Überschreibungen. Trotz einiger (sicherlich beabsichtigter) Dvorák-Zitate kann doch von einer ganz eigenen Tonsprache Suks gesprochen werden. Der dritte, also der im Zentrum stehende Satz, ist ein unheimliches, ein wenig an Mahler gemahnendes Scherzo, eine Art Totentanz, der von den übrigen Sätzen eingerahmt wird. Gar zwei Adagios beenden die Komposition, was ziemlich einzigartig sein dürfte und den tieftraurigen Klagecharakter noch unterstreicht. Und doch klingt die Asrael-Sinfonie versöhnlich und ohne aufgesetzte Theatralik aus.
Die Diskographie des Werkes ist umfangreicher, als man auf den ersten Blick glauben möchte. Bereits Václav Talich spielte es 1952 mit der Tschechischen Philharmonie erstmals ein. Es folgten ihm vor allen Dingen Dirigenten aus der damaligen Tschechoslowakei: Karel Ancerl (1967), Jiri Waldhans (1968), Rafael Kubelík (1981), Václav Neumann (1983), Libor Pesek (1990) und Jiri Belohlávek (1991 und nochmal 2008). Sogar Jewgeni Swetlanow legte eine Interpretation vor (1993). Erst seit diesem Jahrtausend erscheint Asrael auch häufiger bei Dirigenten außerhalb Tschechiens, darunter Kirill Petrenko (2002), Sir Charles Mackerras (2007) und Claus Peter Flor (2008). Tomás Netopils Einspielung von 2016 bildet derzeit den Abschluss (Erscheinungsdatum 2017).
Es ist nicht ganz einfach, sie im Vergleich zu vorhergehenden Aufnahmen zu bewerten, handelt es sich doch um ein letztlich doch eher sperriges Werk, das sich beim ersten Hören nicht unbedingt erschließt. Das orchestrale Niveau der international wenig bekannten Essener Philharmoniker ist jedenfalls tadellos, genauso die Akustik des Alfried-Krupp-Saales der Philharmonie Essen, welche nahe am Optimum ist. Gerade aus diesem Grunde ist die Neueinspielung auch demjenigen zu empfehlen, der bereits die eine oder andere ältere Aufnahme dieses Requiems ohne Vokalisten besitzt. Ob Netopil nun genauso herausragend interpretiert wie einst Talich und Kubelík, muss jeder für sich selbst entscheiden. Die Spielzeiten des etwa einstündigen Werkes unterscheiden sich nur unwesentlich von den früheren Lesarten: 15:20 – 7:33 – 11:57 – 10:57 – 14:04. Bereits Talich schlug weiland sehr ähnliche Zeitmaße an.
Hervorzuheben ist gerade die Transparenz, die Netopil erzielt, weit entfernt davon Gefahr zu laufen, von den Klangmassen erschlagen zu werden. Womöglich wird man den spezifischen böhmischen Klang, der in den genannten älteren Einspielungen vorhanden ist, hier nicht vorfinden, doch wer bereit ist, sich ein wenig abseits des Idioms zu bewegen, hat mit dieser Neuaufnahme eine vorzügliche Möglichkeit dazu (Oehms Classics OC1865). Daniel Hauser