Flotte Mutter

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Rossinis Stabat Mater, komponiert kurz nach seiner letzten Oper Guillaume Tell, mag als geistliches Musikwerk angesehen werden, auch wenn der Opernkomponist nicht zu überhören ist und Vorwürfe wie gegenüber Verdis Requiem gleich nach der Uraufführung laut wurden. Die Entstehungsgeschichte jedoch könnte durchaus als Libretto für ein spannendes Musikdrama durchgehen. Zwei Uraufführungsdaten werden mit 1832 und 1841 überliefert, was daran liegt, dass das Gefälligkeitswerk für den Prälaten Valera wegen der Krankheit Rossinis während der Kompositionszeit nicht vollendet wurde, jedenfalls nicht vom Meister selbst, sondern in seinem Auftrag von Giovanni Tadolini, der die Hälfte der Nummern des Gedichts von Jacopone da Todi in Musik setzte, sodass das Stabat Mater unter dem Namen Rossinis Karfreitag 1833 in Paris zum ersten Mal erklang. Die Erben des Mitkomponisten versuchten nach dessen Tod das Stabat Mater an den Verleger Antoine Anlagnier zu verkaufen, woraufhin Rossini die fehlenden, bzw. von Tadolini stammenden Teile nachkomponierte. Das nun voll und ganz aus seiner Feder stammende Werk wurde im Théatre Italien in Paris uraufgeführt. Seitdem ist es besonders in Konzertsälen, weniger oft in Kirchen zu hören, gibt es Aufnahmen in prominentester Besetzung mit ihm und ist es übrigens längst nicht die einzige Vertonung, denn von Orlando di Lasso über Pergolesi bis zu Verdi und Dvořák reizte es immer wieder prominente Komponisten zur Vertonung.

Was macht nun die vorliegende Aufnahme von harmonia mundi bei so viel Konkurrenz reizvoll? Es ist vor allem das Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter Gustavo Gimeno, ein Klangkörper, der seit 1933 besteht und Radio Luxembourg eng verbunden ist und zu dessen Dirigenten auch Leopold Hager (seit 2021 Ehrendirigent) gehörte, das über 98 Musiker verfügt und dessen jetziger Chefdirigent auch das Orchester von Toronto leitet. In der letzten Saison gastierte Gimeno auch bei den Berliner Philharmoniker, er war Schüler bzw. Assistent von Janssons, Haitink und Abbado. Seine Aufnahme des Stabat Mater zeichnet sich durch eine federnde, straffe Rossini angemessene Eleganz aus, die Orchesterfarben werden zu schönem Leuchten gebracht, gleichwertig ist der Chor, der Wiener Singverein, der wie aus dem akustisch Dunklen kommend die Szene betritt und sich währen der gesamten Aufführung durch Flexibilität hervortut.

Von guter Qualität sind auch die Solisten. Maria Agrestas Sopran zeichnet sich durch Klarheit und Leuchtkraft aus, hebt sich gut vom Mezzosopran der Daniela Barcellona ab und klingt im Inflammatus wahrhaft majestätisch. Der Mezzo hat sich trotz häufigen Einsatzes auch im Verdi-Repertoire seine Schlankheit und Flexibilität bewahrt, fällt nicht durch übertriebene Brustigkeit auf und meistert die Intervallsprünge im Fac ut portem mit Leichtig- und Genauigkeit. Nur die Höhe klingt manchmal etwas zu scharf. Einen typischen, leicht trockenen Rossinitenor besitzt René Barbera, dazu für den Schluss von Cujus animam eine sichere Höhe. Einen basso cantante wie aus dem Lehrbuch besitzt Carlo Lepore, angemessen dunkel, klar konturiert und auch in der Tiefe nie grummelnd. Ein besonderer Genuss ist die A-Capella-Nummer Quando corpus, in der sich die Stimmen fein voneinander abheben. Fast trotzig klingt das sich immer wieder aufs neue steigernde Amen zum Abschluss der hörenswerten CD (harmonia mundi france HMM 905355). Ingrid Wanja