Probe für „Parsifal“ beim „Liebesmahl“

 

Das Liebesmahl der Apostel von Richard Wagner hat seine Exotik längst verloren. Es wird zwar nicht eben häufig aufgeführt. Wer sich für dieses Chorwerk Richard Wagners interessiert, kann indessen zwischen mehreren Einspielungen wählen. Michel Plasson hat das Werk für die EMI eingespielt, Pierre Boulez für Sony. Eine Produktion unter Wyn Morris ist bei IMP Classics erschienen, die mit Marcus Bosch bei Coviello Classics. Sogar der russische Dirigent Gennady Roshdestvensky hat sich noch mit den Leningrader Philharmonikern der groß besetzten biblischen Szene angenommen.

Dieser Konkurrenz stellte sich nun Christian Thielemann, der das Liebesmahl am 18. Mai 2013 in der Frauenkirche aufführte. Anlass war der unmittelbar bevorstehende 200. Geburtstag des Komponisten. Der Mitschnitt erschien jetzt gemeinsam mit Anton Bruckners 7. Sinfonie, die Thielemann am 2. September 2012 bei seinem Amtsantritt als Chef der Sächsischen Staatskapelle dirigiert hatte, bei Profil Edition Günter Hänssler als Vol. 38 der Edition Staatskapelle Dresden (PH 15013). Wie immer bei diesem Label, gibt es ein solides Booklet mit Fotos, dem Text und lesenswerten Betrachtungen. So soll es sein.

Wagner komponierte Das Liebesmahl der Apostel 1843. Rienzi und Der fliegende Holländer waren uraufgeführt, Tannhäuser noch in Arbeit. Es war ein Auftragswerk für ein Gesangsfest der Dresdener Liedertafel, bei dem alle sächsischen Männerchöre mitwirken sollten. Die Uraufführung fand am 6. Juli desselben Jahres in der Frauenkirche statt. Dabei wirkten 1200 Sänger und 100 Orchestermitglieder mit. Während das Publikum begeistert war, ging Wagner auf Distanz zu seiner Komposition. Er selbst und noch mehr seine späteren Gralshüter haben das Frühwerk gering geschätzt. Es sollte der Eindruck gepflegt werden, als habe er nur unverwechselbare Meisterwerke geschaffen. Die Nähe zu Rienzi und Holländer ist unverkennbar, und zu Beginn des dritten Chores der Jünger klingt schon das Halleluja der Pilger aus dem dritten Tannhäuser-Aufzug an. Das wirkt sehr reizvoll und nicht wie ein kompositorischer Offenbarungseid. Thielemann betont solche Zusammenhänge, die auch schon auf den Parsifal verweisen. Wagner hatte die Klangerfahrung mit dem großen Chor, der in der nach oben ansteigenden Kuppel der Frauenkirche gestaffelt positioniert gewesen ist, in seinem letzten Werk wieder aufgenommen. Das Orchester tritt erst zum Schluss in einer großen Steigerung ganz nach Wagnerscher Art hinzu, wenn nämlich der Heilige Geist erscheint. Der weitaus größte Teil das Werkes wird a cappella gesungen. In seinem Konzert hat Thielemann den Chor auf zweihundert Stimmen reduziert, wodurch der Vorgriff auf Parsifal, den Schlusspunkt von Wagners Schaffen, womöglich noch deutlicher wird als bei einer gigantischen Besetzung wie bei der Uraufführung. Die mitwirkenden Sänger kamen aus Dresden, Leipzig, Brünn und Prag. Offenbar ist es den nicht immer idealen akustischen Verhältnisse der Kirche geschuldet, dass nicht jedes Wort zu verstehen ist.

Absicht des Dirigenten dürfte es gewesen sein, ein Kunstwerk Wagners so aufzuführen, dass alle Einzelheiten mit großer Transparenz zur Geltung kommen. Ein spektakulärer Event in Monsterbesetzung wird nicht in seiner Absicht gelegen haben. Insofern ist die Kombination des Albums mit Bruckners Siebter eine glückliche Wahl. Wagner und Bruckner! Für Thielemann sind damit zwei Säulen gesetzt, auf denen sein Wirken in Dresden und weit darüber hinaus, ruht. Zudem hat diese Sinfonie den deutlichsten Bezug zu Wagner. Bruckner war ein leidenschaftlicher Wagneranhänger und schrieb den zweiten Satz, ein Adagio, in Sorge um verehrten Bayreuther Meister, der 1883 im Jahr der Vollendung des Werkes, starb. Von Bruckner ist der Ausspruch überliefert: „Einmal kam ich nach Hause und war ganz traurig; ich dachte mir, lange kann der Meister nicht mehr leben. Dabei fiel mir das Cis-Moll-Adagio ein.“ Bei Thielemann klingt dieses Adagio wie ein Mysterium. Rüdiger Winter