Frankreich scheint im 19. Jahrhundert gleich mehrere universell talentierte Komponisten hervorgebracht zu haben, so war der Organist und Komponist Fernand de La Tombelle, ähnlich wie sein Zeitgenosse Saint-Saëns, nebenher auch Schriftsteller und Kolumnist, Bildhauer und Maler, Kunstfotograf, Musikethnologe und Astronom. Palazetto Bru Zane macht erneut mit einem französischen Meister bekannt, dessen vielgestaltiges, im besten Sinne stilistisch eklektizistisches Œuvre zu Unrecht im Schatten seiner bekannteren Zeitgenossen Saint-Saëns und Fauré steht. (cpo)
Gesegnet mit einem ausgeprägten Temperament und von Natur aus neugierig, war Fernand de La Tombelle eine fesselnde und interessante Persönlichkeit unter den Komponisten der französischen Romantik. Er hinterließ ein umfangreiches Œuvre, vielgestaltig und eklektizistisch, in seinem Stil. Es verdient nicht nur aufgrund seiner eigenen Qualität neu entdeckt zu werden, es steht auch für eine soziale und künstlerische Aktivität in Frankreich an der Schwelle zum 20. Jahrhundert.
Dazu schreibt der Palazzetto: This Book contains essays and historical texts by Jean-Christophe Branger, Fernand de La Tombelle, Jean-Emmanuel Filet and Antonia de Peretti Orsini. Gifted with a strong temperament and a curious nature, Fernand de La Tombelle is a highly appealing and interesting figure among French Romantic composers. He left a substantiell oeuvre, protean, stylistically eclectic, even atypical, that deserves reassessment not only for its own merits, but also because it illustrates a certain form of social and artistic activity in France at the turn of the nineteenth and twentieth centuries.
Following the cycle devoted to Fernand de La Tombelle by the Palazzetto Bru Zane during the 2016-2017 season, the release ofthis composer’s CD-book „portrait“ brings him back into the Spotlight. This composer wrote nearly 600 works, but was also a poet, writer, folklorist, chronicler, photographer andpainter, and an enthusiastfor astronomy, archaeology, cycling and motor cars… An encounter with a Romantic humanist.
After Theodore Gouvy, Benjamin Godard and Theodore Dubois, the Palazzetto Bru Zane continues its rediscovery of French Romantic personalities of the 1880s who – having opted neither for Wagnerism nor for the French modernism of figures like Debussy – are today regarded as academic and, for that reason, completely forgotten.
Fernand de La Tombelle was one of them. Fiercely independent – yet by no means revolutionary – by temperament, he is an intere- sting figure in more than one respect. He frequented Grieg, Gounod, d’Indy, Massenet and Saint-Saens (to whom he was very close). His catalogue ranges over every genre, and is complemented by photographs, drawings, paintings, and writings on theoretical and literary subjects as well as works dealing with astronomy and the culinary art (inclu- ding a brief study entitled Les Pätes de Perigueux). The whole constitutes the fruits of the work of an artist with an outstandingly wide culture, worthy of an honnete homme who also did a great deal for the musical education of the working classes. (Key dates 1854: born in Paris, 1878: founds season of organ concerts At theTrocadero; 1888: Premier Prix Pleyel; 1894: creation of the Schola Cantorum; 1896: Prix Chartier of the Institut de France; 1928: dies in Sarlat).
This new 3-CD-book in the Palazzetto Bru Zane’s ‚Portrait‘ series reveals the multiple facets of a captivating personality, ranging from orchestral music with operatic overtones through introspective Chamber works to Choral music recalling the Renaissance madrigal. The sublime Fantaisie for piano and orchestra would suffice on its own to demonstrate the quality of La Tombelle’s inspiration. To Champion his cause as it deserves, this set calls on no fewer than fourteen soloists, along with orchestra, chorus and conductor.
Fernand de la Tombelle – a Portrait; Hervé Niquet dirigiert die Brussels Philharmonics und den Flemish Radio Choir, Solisten sind Yann Beuron, Hannes Minnaar, Jeff Cohen, Pascal Amoyel, Emmanuelle Bertrand, François Salque, Hermine Horiot, Adrien Bellom, I Giardini, François Saint-Yves, Nabila Chajai; 3 CD / 111 pages (texts and libretto) Bru Zarne/ Outhere; ISBN : 978-84-09-14162-3
Eine veritable Entdeckung sind auch die Lieder von Fernand de La Tombelle. Es entspricht dem Selbstverständnis von Palazzetto Bru Zane, dass bei der ehrenwerten Erforschung der französischen Musik auch die Pflänzchen abseits der Hauptwege gepflückt werden, sprich erstmals 23 unbekannte Mélodies Antoine Louis Joseph Gueyrand Fernand Fouant de La Tombelle veröffentlicht werden. Die Lieder korrigieren oder bereichern die Epoche des französischen Kunstlieds, der Mélodies, des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nicht, allenfalls bieten sie eine kleine Abrundung. De la Tourelle wird als virtuoser Organist beschrieben, geschätzter Pädagoge, er war zusammen u.a. mit d’ Indy Mitbegründer der Schola Cantorum, darüber künstlerisch vielseitig bewandert, begabt und interessiert. Er hat um die hundert Lieder komponiert, die offenbar vornehmlich im privaten Kreis zur Aufführung gelangten, also spätromantische Solonpiècen, geschmackvoll und mit viel Gefühl für die Flektionen der Texte eingefangen, auch mit schöner Behandlung der Singstimme, ein bisschen im Stil von Massenet und Saint-Saens, häufig Liebeslieder, lyrisch, rezitativisch, meist durchkomponierte Bilder.
Die Texte der Auswahl stammen von Victor Hugo, Alphonse de Lamartine und Théophile Gautier, doch auch weniger bekannte Autoren befinden sich darunter, etwa Pierre Barbier, der Sohn von Jules, und die Baronin de La Tombelle. Als Hausbariton von Palazzetto Bru Zane bringt Tassis Christoyannis für diese im Januar 2017 in Bourges eingespielten Raritäten ein Höchstmaß an Einfühlungs- und Anverwandlungsvermögen mit, einfach eine sachkundige Professionalität; er wird unterstützt von Jeff Cohen, der ihm bei allen Lied-Exkursionen treu zur Seite stand (AP 148). Seine eminente Stilsicherheit, die er bei der Interpretation von Liedern von Lalò, Godard oder Saint-Sanes unter Beweis gestellt hat, verleiht den Interpretationen von Christoyannis fast schon so etwas wie ein Gütesiegel. Sanft beschreibt er Naturstimmungen („Hier au soir“, „Passez nuages roses“), ländliche Idyllen („La Croix de bois“) oder Schmetterlinge, wobei er mit seinem dunklen Bariton die Worte in sanften Pianobereichen beleuchtet, wie um die Patina dieser Gesänge aufzufrischen. Das Exotische dringt in Gestalt des martialischen „Cavalier mongol“ in den Salon, intensives Liebesbegehren kommt in „Promenade nocturne“ zum Ausdruck, volksnahe Szenen in „Vieille chanson“; das 1917 veröffentlichte „Chant-Prière pour les Morts de France“ ist ein elegischer Trauermarsch, wo sich La Tombelle ausnahmsweise auch einen expressiven Ausdruck gestattet, die „Couplets de Chérubin“ nach Beaumarchais bilden eine pralle bühnennahe Genreszene nach. (Foto oben Fernand de la Tombelle, 1890/ Foto Wikipedia). Rolf Fath