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Die Normandie während der Années folles. Romantische Begegnungen, Identitätswechsel und unerwartete komische Wendungen: André Messager verortet sich in Passionnément an der Schnittstelle von Café-Konzert, amerikanischer Popmusik und französischer Operette. Die Musik wird von Véronique Gens, Étienne Dupuis, Nicole Car und weiteren enthusiastischen Solisten, begleitet vom Münchner Rundfunkorchesters unter Stefan Blunier, mit großem Esprit dargeboten. So witzig wie Messagers Musik, bietet das Libretto mit seinem Flair des Boulevardtheaters ein echtes Manifest des französischen Geistes in den 1920er Jahren. Dazu ein Artikel vom Operettenfachmann Kurt Gänzl mit Dank.
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1925 erklärte sich Messager bereit, Passionnément zu vertonen, ein dreiaktiges Libretto von Hervé Hennequin mit einem Text von Albert Willemetz, der das Projekt initiierte. Bei seiner Premiere am 15. Januar 1926 im Théâtre de la Michodière war das Werk ein triumphaler Erfolg, und das Walzerlied im zweiten Akt, das ihm seinen Titel verlieh, fand sofort Anklang. Hier wird Messagers unwiderstehlicher melodischer Charme in einer Moral- und Charakterstudie exerziert, in der Auftreten und Vorurteile entlarvt werden. Der amerikanische Millionär William Stevenson, ein Abstinenzler, erliegt schließlich den Freuden des Champagners und verwandelt sich von einem Schwindler in einen Mann der Freundlichkeit und Rücksichtnahme. Er gibt den Versuch auf, den jungen Franzosen Robert Perceval zu betrügen, und lässt sich scheiden, nachdem er herausgefunden hat, dass dieser und seine eigene Frau Ketty (ein ehemaliger Star des Varieté) verliebt sind, und lässt sich scheiden, damit sie heiraten können. Er selbst setzt seine Lebensreise mit Kettys jungem kanadischen Dienstmädchen Julia fort, die davon träumt, ein angenehmes bürgerliches Leben zu führen. Die Rolle von Hélène (Roberts eifersüchtige Geliebte) trägt zusätzlich zur starken weiblichen Präsenz in einer Handlung voller Vitalität bei, in der die Lieder vor allem introspektive Momente sind. Henry Malherbe behauptete in Le Temps, dass Messager „in einer verzauberten Welt zu leben scheint, aus der Traurigkeit und Müdigkeit verbannt werden“; aber in Kettys „Ah! pourquoi les bons Momente passent-ils si vite“ und dem Trio „Dès que l’âge“ drücke das Werk auch Nostalgie und Bedauern über den raschen Lauf der Zeit aus.
Eines der erfolgreichsten Werke von Messager aus seiner Spätzeit, die comédie musicale Passionnément, wurde zu einem zeitgenössischen Libretto komponiert, an dem der eigentliche Erfinder der Musical-Komödie des Jazz-Zeitalters, Albert Willemetz, zur Hälfte Anteil hatte. Es erzählt, wie der machiavellistische amerikanische Millionär William Stevenson (René Koval) seinen Weg über den Atlantik findet, um den entschlossenen jungen Spieler Robert Perceval (Géo Bury) zu finden, um ihn davon zu überzeugen, von einem Land zu profitieren, das er in Colorado geerbt hat. Stevenson weiß, dass das Land voller Öl ist. Er bringt seine hübsche junge Frau Ketty (Jeanne Saint-Bonnet), eine ehemalige Schauspielerin, mit, besteht aber, misstrauisch gegenüber dem Ruf französischer Männer, darauf, dass sie sich mit einer dunklen Brille und einer grauen Perücke verkleidet. Sein Misstrauen ist angebracht, denn als Perceval Ketty ohne ihre Verkleidung ausspioniert, verliebt er sich in sie. Sie behält die Doppelrolle der betagten Ehefrau und ihrer eigenen jungen Nichte bei, bis sie ihrerseits umschwenkt und den jungen Mann vor den Absichten ihres Mannes warnt. Auf diese Weise erhält Perceval in bester Tradition sowohl das Geld als auch das Mädchen. Renée Duler war Hélène Le Barrois, Percevals ausgemusterte (zwischen Akt I und II) Geliebte, während Denise Gray als Julia, Kettys sexbesessenes Dienstmädchen, den Abend mit dem Kapitän der Yacht (Lucien Baroux) verbrachte, bevor sie mit dem letztendlichen Ex ihrer Arbeitgeberin endgültig zufrieden ist. Hélènes Ehemann (der sie zurückbekommt, einen Verzicht und drei Soli später) und zwei Diener vervollständigen die Besetzung.
Messagers 21-teilige Partitur wurde gekrönt von Solo-Nummern für Perceval (der Titelwalzer „Passionnement“), Hélène (das Versöhnungsrondeau „N’imaginez pas“, mit dem sie zu etwas wie verheirateter Glückseligkeit zurückkehrt), Julia (drei, einschließlich des komischen Gebets für einen Mann „Vous avez comblé ma patronne“) und Ketty, die in „Ah! pourquoi les bons moments“ wissen will, warum der Gipfel des Genusses so kurz sein muss.
Stevenson hatte ein komisches Stück, das den Erfolg in Amerika „le régime sec“ (Abstinenz) zuschreibt, aber nachdem er „le bon vin français“ und eine neue Persönlichkeit zwischen dem zweiten und dritten Akt entdeckte, hatte er ein viel amouröseres Solo für den letzten Akt.
Duette, Trios und Ensembles spielten ihre Rolle in einer modernen Partitur, die dem 73-jährigen Komponisten hervorragende Kritiken und einen großen Erfolg einbrachte. Die Originalproduktion der Show, die von Quinson eingefädelt und von Edmond Roze inszeniert wurde – dem erfahrensten Regisseur, den die Stadt zu bieten hatte –, war ein großer Erfolg.
Nach seiner ersten Pariser Saison ging es auf Tour, wobei Bury seine ursprüngliche Rolle spielte, und 1932 konnte man es in Paris im Trianon-Lyrique wiedersehen. In der Zwischenzeit hatte es einen kleinen Ausflug ins Ausland gemacht. In Ungarn, das der französischen Musikkomödie der 1920er Jahre gegenüber den größten Enthusiasmus zeigte, war Jenö Molnárs Version von Nászéhszaka (Hochzeitsnacht) ein großer Erfolg im Belvárosi Színház mit mehr als 100 Aufführungen in der ersten Produktion.
Eine andere Version, A legszebb éjszaká (die schönste Nacht), die neue Musik von Béla Csanak und eine von Andor Pünkösti überarbeitete Textfassung besaß, wurde 1943 im Márkus Park Színház gespielt. Das Stück reiste sonst wenig, obwohl es kurz in New York gesehen wurde, als es von einer französischen Repertoirekompanie gespielt wurde, in der Sonia Alny und Georges Foix vertreten waren. Ein Film von René Guissart mit Fernand Graavey als Hauptdarsteller und Koval, der seine Bühnenrolle wiederholte, wurde 1932 produziert, und Passionnement hat bis heute regelmäßig regionale Aufführungen in Frankreich. Kurt Gänzl
Wie der Titel schon ahnen lässt, handelt Messagers Operette von einer leidenschaftlichen Liebesgeschichte, die nach einigen Irrungen und Wirrungen zu einem Happy End kommt: William Stevenson, ein skrupelloser Geschäftsmann und Abstinenzler, bessert sich schließlich – geläutert durch die Liebe – von einem Betrüger zu einem freundlichen Mann, entdeckt die Freuden des französischen Weins und der wahren Liebe. Die amüsante Handlung wird getragen von schwungvollen Melodien im Stil der Goldenen Zwanziger. Daneben finden sich aber auch anrührende nostalgische Momente, wenn Stevensons zukünftige Ex-Frau Ketty in „Ah! Pourquoi les bons moments passent-ils si vite“ den raschen Lauf der Zeit beklagt.
Es ist erfrischend, wieder die bewährten „Hauskräfte“ des Palazetto zu erleben, die den in dieser Serie Auftretenden Gesicht verleihen und die den nötigen SAtil des Vortrags garantieren. In der Rolle der Ketty ist die französische Sopranistin Véronique Gens zu erleben, die u.a. 2016 beim Münchner Rundfunkorchester zu Gast war und Saint-Saëns‘ Opernheldin Proserpine und die mancher anderer mit ihrer facettenreichen Stimme bei den Palazzetto-Einspielungen zum Leben erweckt hat. Ihr zur Seite steht der französische Bariton Etienne Dupuis als Robert Perceval. Für die Partie der kanadischen Magd Julia, Stevensons künftiger Frau, konnte die australische Sopranistin Nicole Car gewonnen werden. Kurt Gänzl
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.Passionnément – Musikalische Komödie in drei Akten (konzertant) von André Messager. Mitwirkende Véronique Gens, Nicole Car, Chantal Santon Jeffery, Etienne Dupuis, Éric Huchet, Armando Noguera, Katja Schild/ Münchner Rundfunkorchester, Stefan Blunier/1 CD mit englisch-französischen Artikeln u,nd Libretto in bewährter Buchform/ Palazetto Bru Zane/ Note 1.
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Dank an Kurt Gänzl, dem bedeutenden Fachmann für Operette und historische Sänger, aus dessen Artikel wir Teile zitierten (https://kurtofgerolstein.blogspot.com/), ebenso an den Palazzetto Bru Zane, bei dem der Mitschnitt des Konzertes Dezember in München 2020 erschien. Übersetzung der englischen Originaltexte war wieder Daniel Hauser, Redaktion G. H
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