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In der Gestaltung dramatischer Belcanto-Partien Donizettis (Lucia, Maria Stuarda, Anna Bolena) hat Diana Damrau, offenbar an die Grenze ihrer stimmlichen Möglichkeiten gelangt, eine Pause eingelegt und sich dem „leichten Genre“ zugewandt. Davon zeugte schon das Doppelalbum von 2022 „My Christmas“. Nun bringt ihre Stammfirma ERATO eine neue Platte mit der deutschen Sopranistin heraus, die den schlichten Titel Operette trägt (vielleicht in Anlehnung an Noel Cowards Stück?) und von Januar bis Juli 2023 in München und Salzburg aufgenommen wurde (5054197827983). Einen besonderen Akzent setzt der Untertitel des Albums WIEN . BERLIN . PARIS, denn er steht für die fantastische Reise der Sängerin in die Welt der Operette des 19. Jahrhunderts mit diesen drei wichtigen Stationen. In der Programmfolge sind die Titel, welche für die Metropolen stehen, allerdings vermischt, was freilich eine reizvolle Abwechslung mit sich bringt.
Den Auftakt macht Manons „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ aus Der Favorit von Robert Stolz – ein durch die legendären Interpretationen von Hilde Gueden und Anneliese Rothenberger bekannter Titel. Damrau hält sich im Vergleich dazu achtbar – weniger damenhaft-glamourös, mehr jugendlich-kokett. Auch der folgende Titel, „Schlösser, die im Monde liegen“, aus Paul Linckes Frau Luna ist populär, beispielsweise in der Gestaltung durch Lucia Popp. Auch hier setzt Damrau auf einen kessen Soubrettenton.
Mehrere Nummern stammen aus Werken von Franz Lehár, von denen eine sogar selten zu hören ist: „War es auch nichts als ein Traum“ aus Eva. Hier schwelgt die Solistin im Walzerrausch, lässt in der exponierten Lage freilich forcierte Töne hören. Dagegen sind „Warum hast du mich wachgeküsst?“ aus Friedericke, das in seiner melancholischen Stimmung einer der gelungensten Titel ist, „Liebe, du Himmel auf Erden“ aus Paganini und „Hör’ ich Cymbalklänge“ aus Zigeunerliebe beliebte und immer wieder gehörte Schlager. Letztere Nummer entspricht in ihrer rasanten Anlage dem Temperament der Sängerin besonders, sie jauchzt und sprüht mit Schwung und Esprit. Mit verführerischem Raffinement singt sie „Liebe, ich sehn` mich nach dir“ aus Kálmáns Die Faschingsfee, allerdings auch hier mit gestresster Höhe. Sehr gelungen ist das Solo der Titelheldin aus Millöckers Die Dubarry („Ich schenk mein Herz“). Bemerkenswert der Ausschnitt aus Paul Abrahams Ball im Savoy, „In meinen weißen Armen“, bei dem Damrau ein erstaunlicher weillscher Tonfall gelingt, was ein Ausblick auf künftige Aktivitäten der Sängerin (analog zu Teresa Stratas) sein könnte. Der letzte Beitrag der Programmfolge, „Ich bin eine Frau“ aus Oscar Straus` Manon, ist in seiner auftrumpfenden Diven-Allüre ein stimmiger Ausklang.
Wirkliche Raritäten bieten die französischen Beiträge. Den Anfang macht „Ça fait tourner la tête“ aus Andalousie von Francis Lopez mit frechem Aplomb, gefolgt von „Rossignol, tout comme autrefois“ aus Monsieur Beaucaire von André Messager. Von diesem Komponisten gibt es später noch einen zweiten Titel: „J’ai deux amants“ aus L’Amour masqué. Ein weiterer französischer Beitrag, Aspasies „Mon cher Phi-Phi“, stammt von Henri Christiné aus dessen Operette Phi-Phi und ist ein flottes Couplet, dessen Wirkung sich die Sängerin mit prononcierten Akzenten nicht entgehen lässt.
In illustrer Gesellschaft befindet sich die Sopranistin bei den Titeln von Johann Strauss II (Das Lied der Liebe), Robert Stolz (Im weißen Rössl) und Richard Heuberger (Der Opernball), wo sich der Tenor Jonas Kaufmann zu ihr gesellt. Im „Flirt-Duett“ von J. Strauss II werfen sich die Sopranistin und der Tenor charmant die Bälle zu, im Opernball-Duett bieten sie eine atmosphärische Szene wie aus einer Live-Aufführung.
Bei „Wo die wilde Rose erblüht“ aus Das Spitzentuch der Königin von Johann Strauss II hat Diana Damrau Partnerschaft in der Sopranistin Elke Kottmair und der Mezzosopranistin Emily Sierra. Sie stimmt den walzerseligen Titel sehr atmosphärisch an und wird von ihren Kolleginnen bestens unterstützt. Das Münchner Rundfunkorchester, das mit süffigem Sound zur Reise einlädt, ist der Sängerin ein fabelhafter Partner. Dirigent Ernst Theis setzt gekonnt eigene Akzente. Bernd Hoppe