Berlioz an der Scala

 

Zwei Diven der Scala: Giulietta Simionato und Renata Tebaldi/HeiB

Zwei Diven der Scala: Giulietta Simionato und Renata Tebaldi/HeiB

Der Scala-Mitschnitt der Troyens von Berlioz (Walhall 0347) stellt eine markante Wegemarke in der steinigen Rezeption dieser monumentalen Oper dar. Nicht nur die Länge des Werkes, auch die qualitativ unterschiedliche Einstufung der beiden Teile (Akt 1-2 „La Prise de Troie“, Akt 3-5 „Les Troyens à Carthage“) hatten zur Folge, dass diese oft einzeln gegeben wurden. 1913 wurden in Stuttgart die Troyens kompakt gegeben, eine Aufteilung auf zwei Abende hatte aber bereits in Mannheim 1890 (unter Felix Mottl) stattgefunden. Heute ist man, auch infolge der Popularisierung von Wagners Ring, grundsätzlich andere „Anstrengungen“ gewohnt und genießt sie wohl auch lustvoll. Die ersten wirklich „vollständigen“ Aufführungen der Troyens (zu denen die Mailänder Produktion gehört) konnten freilich noch nicht auf die kritische Edition des Werkes zurückgreifen. Sie wurde 1969 erstmals in Glasgow und – wiederum – Covent Garden realisiert. Auf letzterer beruht die epochale Colin-Davis-Einspielung bei Philips. Sie benötigt 4 CDs, während die Mailänder Aufführung auf 2 CDs Platz findet (ergänzt durch Boni von Mario Del Monaco, ohne Angabe von Dirigent und Aufnahmedatum). Immerhin bekommt man eine Ahnung von dem dramatischen Sturmwind des außerordentlichen Werkes, eine Formulierung, die keineswegs alleine auf die Instrumental-Szene „Chasse royal“ anspielt, vielmehr auf die leidenschaftliche, ausdrucksgesättigte Interpretation durch Rafael Kubelik. Dass an der Scala italienisch gesungen wurde, fällt nicht wirklich negativ ins Gewicht. An den anfangs etwas beengt wirkenden Klang des Mailänder Mitschnitts gewöhnt man sich rasch, auch wenn eine raumakustisch optimale Realisation (welche ja auch das Oeuvre Mahlers begünstigte) grundsätzlich von Bedeutung sein dürfte. Das Scala-Publikum reagiert auf seine Weise – Beifall meist zögerlich, aber oft in die Musik hinein.

Große Sympathiekundgebungen für Giulietta Simionato , die wirklich ein gleichermaßen schönstimmiges wie gefühlsbrennendes Porträt der Dido zeichnet. Die größte Begeisterung zieht freilich Mario del Monaco auf sich. Für den „Helden“ Aeneas ist sein heroischer Tenor fraglos ideal. Der Liebesszene bleibt er an artikulatorischer Eleganz freilich einiges schuldig. Bei seiner großen Szene lässt er das hohe C weg, badet sich dafür effektvoll in den „Wälserufen“ seiner Partie. Im weiteren Ensemble bekannte Namen wie Fiorenza Cossotto  (Ascanio) und Nicola Zaccaria (Narbal). Besonders eindrücklich profilieren sich Adriana Lazzarini (Anna) und Piero die Palma , der ewig „Zweite“ (Hylas). Last not least: Nell Rankin mit einer klangvollen, nicht hochdramatisch überzeichneten Cassandra.

Christoph Zimmermann