Zum 50. Geburtstag der Städtischen Bühnen Frankfurt und ihres Domizils im vom Volksmund Aquarium genannten Gebäude hat der Henschel-Verlag eine Festschrift unter dem Titel Ein Haus für das Theater herausgegeben, die, wie das so üblich ist, mit Gruß-, Vor- und Geleitwort beginnt. Ersteres stammt von dem jetzigen Kulturdezernenten Felix Semmelroth und schildert knapp den Werdegang des Theaterlebens in Frankfurt generell, beginnend mit dem Komödienhaus der Freien Reichsstadt im Jahre 1782, über das 1792 eröffnete Nationaltheater und das Frankfurter Stadttheater von 1842 zu den Städtischen Bühnen Frankfurt führend, die es seit 2004 unter diesem Namen gibt. Im Vorwort der drei Intendanten derselben wird besonders auf die Nachkriegszeit eingegangen, den Einzug der Oper in das 1951 wieder errichtete Schauspielhaus, ehe vor fünfzig Jahren für Oper, Schauspiel und Ballett das nun gefeierte Haus eröffnet wurde. Interessant ist, dass man sich nicht zuletzt als Antipoden zum die Stadt prägenden Wirtschaftssektor sah. Die Kompetenzen sind auf je einen Intendanten für Oper und Schauspiel und dazu einen Geschäftsführenden Intendanten für beide Sparten aufgeteilt. Das Geleitwort des ehemaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann ist eigentlich mehr als ein solches, es schildert nicht ohne eine gewisse, wohl berechtigte Selbstgefälligkeit von der Ensemblebildung bereits im Herbst 1945, dem Hunger der Bevölkerung nicht nur nach Nahrung, sondern auch nach Kunst, dem Unterkommen im Saal der Frankfurter Börse, danach im Rundfunksendesaal, der Aufnahme der Arbeit von Orchester und Cäcilienchor. Fidelio im Dezember 45, danach Tosca, 1951 als erste Oper im Schauspielhaus Meistersinger beweisen, dass Oper in Frankfurt nie unpolitisch, nie ohne Botschaft war. Brechts Kunstauffassung scheint eine bedeutende Rolle gespielt zu haben, ebenso der Mitbestimmungsgedanke, was auch für Konflikte sorgte. Die gesamte Geschichte der Frankfurter Oper scheint gekennzeichnet von dem Kampf um mehr Kulinarisches oder Agitatorisches. Dazu gehört auch, dass nicht ohne Stolz berichtet wird, nicht weniger als 4000 Abonnenten hätten gekündigt, das Feuilleton aber habe immer auf der Seite der Neuerer gestanden. Es kam sogar so weit, dass sich Bürgermeisterin Petra Roth selbst zur Kulturdezernentin ernannte, der es übrigens von dem ebenfalls im Zorn scheidenden Dirigenten Silvain Cambreling verwehrt wurde, an seiner Abschiedsvorstellung teilzunehmen. Also Oper nicht nur auf der Bühne, sondern im ganzen Haus. Dafür sorgten auch der Einsatz für zwei DKP-Lehrerinnen, der Riesenpenis in Dantons Tod oder das Fassbinder-Stück Der Müll, die Stadt und der Tod.
Recht süffisant berichtet Hoffmann davon. wie ausgerechnet ein freigekaufter DDR-Häftling 1987 das Opernhaus ansteckte, das die Allianz wieder aufbauen ließ. Das umfangreichste Kapitel über die Oper stammt von Hans-Klaus Jungheinrich und nennt sich Oper Frankfurt-Eine Fortsetzungsgeschichte. Probleme wie das Verschwinden des Bildungsbürgertums, des Repertoiretheaters, der Spielplangestaltung, der Originalsprache werden ebenso erörtert wie das Verschwinden des Singspiels aus dem Repertoire und sind sicherlich nicht typisch nur für Frankfurt. Eher schon das mehrfache Scheitern eines kompletten Ring, Aufregung um Neuenfels- oder Berghaus-Inszenierungen, die zehn Jahre Gielen/Zehelein, in denen Radikalität zur Regel wird. Nacheinander werden die Wirkungsjahre aller Intendanten und Generalmusikdirektoren beleuchtet, wobei natürlich Karrieren nicht parallel verliefen. Sechs Jahre lang wirkte Solti am Haus, das zu seinen Dirigenten auch Lovro von Matacic zählte, die Ära Donhanyi für einen Glücksfall halten muss, Sebastian Weigle spätestens nach dem jetzt in DVD vorliegenden Ring wohl ebenfalls.
Frankfurt gehört zu den Häusern mit einem besonders bodenständigen Ensemble, was viele immer wieder auftretende Namen beweisen. William Chochran, Margit Neubauer, Gabriele Fuchs oder Günther Reich sind nur einige von ganz vielen. Ihnen allen kann man auch in den vielen Fotos begegnen, die für die frühen Jahre eher durchgehend düster als schwarz-weiß sind, was sich mit den Farbfotos ändert.
Mit Bernd Loebe beginnt 2002 eine neue Epoche: es gibt mehr Premieren, Platzauslastung und Abo-Verkauf nehmen zu, ebenso die Vielseitigkeit des Repertoires, und der Patronatsverein sorgt für finanzielle Erleichterungen. Der Intendant gilt als Sängerentdecker und als offen für unterschiedliche Formen der Bühnenästhetik. Kein einmaliges Ereignis allerdings ist die Aufführung einer Verdi-Oper nur mit Klavier, weil das Orchester streikt. Schließlich werden in diesem Kapitel auch bedeutende Sänger und Regisseure, die bisher nicht berücksichtigt wurden, gewürdigt.
Dem Schauspiel und dem Ballett werden ebenfalls umfangreiche Kapitel gewidmet. Interessant ist auch ein Abriss über die wechselvolle Baugeschichte des Unternehmens. Ein Anhang mit der Chronik seit 1782, einer Premierenliste mit vollständiger Besetzung (manchmal nützlicher als ein wortreicher Text), einer Ensembleliste für Schauspiel und Ballett, der Autorenviten und Bildnachweise steht am Schluß des Buches (Henschel Verlag ISBN 978-3-89487-732-3).
Ingrid Wanja