Ingrid Bergman zum 100.

Keine leichte Lektüre. Mehr als drei Kilo schwer. Nichts für die Badewanne. Es braucht einen Extra-Tisch, um das Buch aufzuschlagen. Eine würdige Publikation für Ingrid Bergman, eine der großen Diven des vergangenen Jahrhunderts, die im kommenden Jahr ihren 100. Geburtstag feiern würde. Kaum eine der Leinwandgöttinnen dürfte häufiger fotografiert worden sein – ausgenommen natürlich ihre Landsmännin Greta Garbo. Obwohl die ebenfalls in Stockholm geborene Garbo nur zehn älter war, könnte man meinen, es lägen Jahrzehnte zwischen ihr und Ingrid Bergmann.

Liv Ullmann, die in dem Mutter-Tochter Drama Herbstsonate, dem letzten Kinofilm der Bergmann (gefolgt nur von der Fernsehproduktion über Golda Meir), ihre Tochter gespielt hatte, meinte, „auch wenn sie meist von Menschen umgeben war, spürte ich bei ihr eine Aura innerer Einsamkeit. Ingmar (Bergman) empfand sie ebenso ..“. In einigen der annähernd vierhundert Fotos in diesem Buch ist diese Einsamkeit, eher vielleicht Unnahbarkeit und Distanz („Ich habe mich nie verloren in der Rolle, die ich gespielt habe, egal, welche“.), deutlich zu spüren, was auch mit dem Star-Sein zusammenhängt („Ich weiß, dass ich ein wandelndes Abbild bin. Wenn ich zum Beispiel mit anderen Leuten im Lift stehe, dann reden sie über mich, als wäre ich gar nicht da… Offenbar denken sie, ich wäre auch in dem Moment nur ein Leinwandportrait“), doch viele der wunderbaren, aus dem persönlichen Nachlass der Schauspielerin stammenden Fotos, unter Hilfe der Kinder, vor allem Isabella Rossellini und Roberto Rossellini jun., ausgesucht, zeigen auch eine andere Seite der Schauspielerin. Das Ergebnis ist ein kostbarer, geradezu luxuriös konzipierter und geschmackvoller Band mit einem Vorwort der Ullmann, dem berühmten Interview, das der Filmhistoriker John Kobel 1972 auf der Bühne des National Film Theater in London mit ihr führte, und knappen Einführungen zu den sieben Kapiteln: Schweden 1915-39, Hollywood 1939-45, Kriegsende in Europa/ Neue Horizonte 1945-49, Der Skandal: Die Verbindung mit Rossellini 1949-55, Loslösung und Trennung 1956-57, Neue Karriere – Neues Glück 1958-65 und Theater und späte Filme, Krankheit, Abschied und Tod 1965-82.

In dem Interview mit Kobel erleben wir eine direkte, spontane und ehrliche Bergmann,  die sich selbst mit kritischer Distanz betrachtet,  „..andrerseits bin ich auch überrascht, dass Casablanca ständig wieder zu sehen ist, ebenso wie viele andere alte Filme, ob im Fernsehen, in den Cinematheken oder im Filmmuseum. Damals dachte man nach einen Dreh, so, das war’s, und gab den Filmen sowieso keine Zukunft. Zu meiner Zeit in Hollywood waren alte Filme tot und vergessen“.  Allerdings hatte sich schon die jugendliche Bergman, die mit zwölf Jahren Waise geworden war, selbstinszeniert und in diversen Posen fotografiert, die den Porträts des späteren Stars nicht unähnlich sind, deren erstes kunstvolles Starfoto von der 21jährigen aus Intermezzo stammt. Aus vielen Fotos spricht Bergmans Klarheit und unprätentiöse Art und Wärme, sei es hinter dem Filmset, mit ihren Regisseuren und Filmpartnern, der Familie oder mit Freunden. Auf späteren Bildern scheint sie besonders gelöst, beispielsweise als sie in London Theater spielte, und bekannte, diese Wochen gehörten zu den glücklichsten ihres Lebens. Ein großartiges Buch, ein Schatz.

R. F.

Isabella Rossellini & Lothar Schirmer (Hrsg.), Ingrid Bergmann. Ein Leben in Bildern. 528 Seiten, 385 Abbildungen, Schimer/ Mosel Verlag,