So unterhaltsam wie vielseitig und tiefgründig ist das Buch von Vincenzo Ramón Bisogno mit dem umfangreichen Titel Giacomo Puccini – Bello e…possibile…Tradizione, modernità e futuro della musica. Pikant beginnt es mit der Schilderung eines Bordells seiner Vaterstadt Lucca, wo der junge Komponist mit Klavierspielen Geld verdienen und seine früh zur Witwe gewordene Mutter damit unterstützen muss. Pikant bleibt es auch weiterhin, wenn von den zahllosen Affären des Meisters die Rede ist, angefangen von Elvira, der Gattin seines Freundes und Gefährtin bis zu seinem Tod, über eine deutsch/englische Lady bis hin wahrscheinlich auch zu Alma Mahler Werfel. Tragisch wird es, wenn eine Affäre nur in der Phantasie der stets eifersüchtigen Elvira, Vorbild zumindest in einigen Charakterzügen von Tosca und Turandot, besteht und zum Selbstmord der Beschuldigten und zur Verurteilung der Verleumderin führt.
Das Buch gliedert sich in drei Teile: Tra tormenti e ….giovanili estasi , Il grande teatro pucciniano in un poker d’assi und Modernità assoluta di un secondo poker vincente. Im ersten Teil geht es vor allem um die Herkunft aus einer Musikerfamilie, die Ausbildung zum Komponisten, erste Werke wie Le Villi und Edgar, aber auch um Familienprobleme und das Verhältnis insbesondere zu seinem jüngeren Bruder Michele, der den Vater nie kennen gelernt hat. Wie auch die folgenden Kapitel zeichnet sich dieser Abschnitt durch viele Literaturverweise, durch Ausschnitte aus zeitgenössischen Kritiken und durch den Vergleich der Werke untereinander, so z.B. die Auflistung von Übernahmen aus den frühen geistlichen Kompositionen in später entstandene Opern, aus. Man erfährt viel Neues, so über den Auftrag, eine verkürzte italienische Meistersinger-Fassung herzustellen. stets bleibt der Ton des Autors locker und kommunikativ, entbehrt auch nicht der Ironie, wenn ein Anlass dazu gegeben ist. Eine Einordnung des Komponisten in die Musikgeschichte fehlt ebenso wenig wie eine Charakterisierung des Personals der Puccini-Opern, in diesem Teil die frühen Opern betreffend.
Im zweiten Teil setzt sich der Autor zunächst mit den verschiedenen Vertonungen des Manon-Stoffes auseinander. Interessant sind die umfangreichen Zitate aus den Vorlagen für die Libretti, so nicht nur die von Prévost, sondern auch von Murger und Belasco und Sardou. Und wer wusste bereits, dass Reynoldo Hahn in seiner Operette Ciboulette den alten Rodolfo als über die Liebe philosophierende Figur auftreten ließ. Das Bemühen verschiedener Komponisten um ein und denselben Stoff, so Franchetti um Tosca und Leoncavallo um Bohème wird ebenso erwähnt wie das negative, vielleicht durch Eifersucht getrübte Urteil Mahlers über Tosca.
Ebenfalls in diesem zweiten Teil beschäftigt den Autor die Frage, inwieweit Puccini ein typischer Verist sei, er kümmert sich um die vier Versionen von Butterfly und das Verhältnis zu Toscanini. Im dritten Teil des Buches geht es zunächst um La Fanciulla del West und die Umsetzung des Dramas in eine Oper, um La Rondine und den vergeblichen Versuch, eine Wiener Operette zu schreiben, um das italienische Musikverlagswesen sowie um die Aufführungen von La Rondine in den Fünfzigern (Welitsch/Dermota). Bemerkenswert ist, dass Puccini Suor Angelica im Kloster seiner Schwester vortrug, da sie als None kein Opernhaus aufsuchen durfte. Mehrfach wird Lorin Maazel mit seinem Urteil über einzelne Werke des Komponisten zitiert .Eine Strukturanalyse von Turandot sowie ein Hinweis auf die Quellen der Oper (Gozzi, Schiller) beschließen fast das Buch, das danach noch von Krankheit und Sterben seines Helden berichtet (Zecchini; Prima Edizione edizione ISBN 978 88 6540 109 5).
Ingrid Wanja