Sommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker im Park von Schloss Schönbrunn. Wegen bekannter Misshelligkeiten allerdings konnten sich erst im September dieses Jahres anstelle der sonst dicht gedrängt den Park füllenden diesmal nur wenige Zuschauer an dem Programm erfreuen, das unter das Motto „Liebe“ gestellt worden war. Damit war die Auswahl natürlich riesig und wurde, zumindest zum größten Teil, unter den allerbekanntesten und allerbeliebtesten Stücken klassischer und nicht so klassischer Musik getroffen.
Niemand wird bezweifeln, dass es in Wagners Tristan und Isolde um Liebe geht, aber einen Zusammenschnitt aus mehreren Motiven, im Booklet als Love Music angekündigt und vom Dirigenten Leopold Stokowski einst als „symphonische Synthese“ akklamiert, empfindet so mancher Klassikfreund wohl doch als etwas zu volkstümlich, und so ist es kein Wunder, dass Dirigent Valery Gergiev den Philharmonikern damit eine für sie Erstaufführung zumutete. Wie weichgespült erscheint der Orchesterklang, vermittelt pure Prachtentfaltung und ein intensives An- und Abschwellen der Töne. Zweifellos auch um Liebe geht es im Vorspiel zum Rosenkavalier, und eine besonders leidenschaftliche vermittelt das Orchester mit dem Vorspiel, lässt es danach silbrig schimmern mit dem Überreichen der gleichfarbigen Rose. Das Schmankerlprogramm geht weiter mit der Barkarole aus Hoffmanns Erzählungen, in denen es heftig wallt und wogt. Gewahrt bleibt der Wunschkonzertcharakter mit Werthers „Pourquoi“– und wer ist der Solist? Natürlich Jonas Kaufmann, den Corona nicht davon abhalten konnte, Selige Stunden, Sein Wien und doppelt White und andere Christmas einzuspielen. Er ist nicht mehr der schwärmerische Sturm- und Drang-Jüngling, den man in der Pariser Oper bewunderte, nun ein gestandener Mann, der aber ab und zu in ein ätherischer Falsett verfällt- und damit in eine Unsitte, die man überwunden glaubte. Zum Ausgleich wird aber zum Schluss gewaltig aufgedreht. Zur Unart wird der Wechsel zwischen Vollstimme und Falsett dann in der Arie aus Gräfin Mariza, und „Nessun dorma“ muss wohl einfach sein, obwohl es so mancher Zuhörer mittlerweile nicht mehr hören mag, dann eher schon die Zugabe „Wien, du Stadt meiner Träume“.
Ein virtuoses Flirren und Flimmern lässt das Orchester in Mendelssohns Sommernachtstraum vernehmen, schnulziger als der Film ist die Musik zu Doktor Schiwago, und ebenfalls aus dem Bereich Wohlfühlmusik ist zumindest das Adagio aus Khachaturians Spartacus. Auch das Orchester spendiert eine Zugabe mit Wiener Blut, in der auf die Sachertorte noch eine ordentliche Portion Zuckerguss gegeben wird. Wunderbar bügeln oder andere häusliche Arbeiten verrichten kann man beim genussvollen Anhören dieser CD (Sony 19439719622). Ingrid Wanja