Als Weltpremiere bringt cpo Johann Adolf Hasses Serenata Enea in Caonia heraus (555 334-2, 2 CDs mit Text und Libretto). Die Aufnahme entstand im September des vergangenen Jahres in Rom. Spiritus rector des Unternehmens ist der italienische Geiger und Dirigent Stefano Montanari mit dem Enea Barock Orchestra. Der Klangkörper wurde 2018 in Rom aus Anlass der ersten italienischen Aufführung von Hasses Serenata in moderner Zeit gegründet. Die Affinität der Musiker und des Dirigenten zum Werk des Sassone ist in jedem Takt hörbar, die Einspielung atmet eine hinreißende Frische und Spontaneität, beginnend mit der pulsierenden Sinfonia und andauernd bis zum jauchzenden Schlusschor „Nel suo nome“. Die Bläser können sich vor allem in der kämpferischen Sinfonia Gerone tiranno di Siracusa zu Beginn des zweiten Teils auszeichnen.
Enea in Caonia war die dritte und letzte Serenata des Komponisten während seiner Schaffensphase in Neapel, wo sie 1727 uraufgeführt wurde. Das Libretto verfasste Luigi Maria Stampiglia in Bearbeitung eines Textes seines Vaters Silvio. Der Anlass für Hasses Komposition war der Besuch von Violante Beatrix, Tochter des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern, in Neapel. Er schrieb für die fünf Personen der Handlung jeweils drei bis vier Arien von brillantem Zuschnitt und schwungvollem Rhythmus.
Die Besetzung der vorliegenden Einspielung wird diesem Anspruch solide gerecht. An ihrer Spitze steht die international renommierte Sopranistin Carmela Remigio als trojanische Jägerin Ilia – eine von Stampiglia erfundene Figur. Ihr erstes Solo, „Pur s’è placata“, lebhaft und reich an Koloraturen, absolviert sie zuverlässig, im wiegenden „È vero“ am Ende des ersten Teils kann sie auch lyrische Qualitäten zeigen, den Hang zur Larmoyanz allerdings nicht ganz vermeiden.
In der Titelrolle ist die Altistin Francesca Ascioti zu hören. Resolut und mit maskulinem Apomb trumpft sie in der stürmischen Auftrittsarie „Se, qual tu sei“ auf. Auch in ihrem ersten Solo im zweiten Teil, „Troia bella“, legt sie mit entschlossener Attacke Ehre ein. Enea wird in Epirus von König Eleno, Sohn des Priamus, gastlich aufgenommen. Die Partie ist mit der Sopranistin Paola Valentina Molinari gleichfalls en travestie besetzt. Die bewegte Auftrittsarie „Ti bacio“ gibt ihr Gelegenheit zur Demonstration der schönen Stimme und Kunstfertigkeit im Vortrag. Auch in „Biondo nume“ im zweiten Teil glänzt sie mit lebhaften Koloraturgirlanden. Und mit dem innigen „Le memorande imprese“ am Ende des Werkes fällt ihr eine der schönsten Eingebungen des Komponisten zu. Eleno ist mit der Witwe Hektors, Andromaca, vermählt, die Raffaella Lupinacci mit weichem, klangvollem Mezzosopran gibt. Mit der munteren Arie „Con lusinghieri accenti“ im zweiten Teil kann sie besonders gefallen. Der im Belcanto-Repertoire erfolgreiche spanische Tenor Celso Albelo komplettiert die Besetzung als Eneas Waffenbruder Niso. Sein Auftritt mit „Ninfa sei“ ist noch verhalten, stärker wirkt „Dal chiaro lampo“ im zweiten Teil mit schmeichelnden Tönen. Bernd Hoppe