Vincent d’Indy (1851-1931) ist gewiss nicht der berühmteste französische Komponist der Spät(est)romantik. Gleichwohl wird es schwerfallen, einen dezidierteren Vertreter des Wagnerismus in Frankreich zu finden. Mit seiner 1897 uraufgeführten Oper Fervaal schuf er sogar eine Art französischen Parsifal. Er entstammte einem alten katholischen Adelshaus, war überzeugter Monarchist und hatte durch seinen Antisemitismus nicht unbedingt sympathische Züge. Auch kompositorisch ist d‘Indy gewiss dem konservativen Flügel zuzuordnen, auch wenn sich sein Stil mit Beginn des Ersten Weltkriegs nicht jeder Neuerung verschloss (wie man etwa an der Sinfonia brevis „De bello gallico“ aus den Jahren 1916 bis 1918 erkennen kann). Naxos legt nun eine Neuveröffentlichung mit kaum bekannten Werken d’Indys vor (Naxos 8.573858). Enthalten sind die die Schauspielmusiken zu Médée nach Catulle Mendès (1898) sowie zu Karadec nach André Alexandre (1890), ferner die sinfonische Dichtung Saugefleurie (1884). Bei den beiden Bühnenmusiken handelt es sich um Suiten, wobei Médée schon thematisch bedingt deutlich dramatischer und mit 27 Minuten Spielzeit auch fast dreimal so lange gerät wie die bretonisch geprägte und gerade zehnminütige Karadec-Suite. In ersterer Suite meint man auch Anklänge an Richard Strauss zu erkennen. Sehr deutlich wird der wagnerische Einfluss freilich in der 16-minütigen Tondichtung Saugefleurie, die zu Beginn ans Siegfried-Idyll gemahnt und später gar stellenweise an die gleichnamige Oper, auch wenn man d’Indy schwerlich als Epigonen des Bayreuther Meisters abtun sollte, erhält er sich doch einen charakteristisch französischen Tonfall, der auch ein wenig an seinen Lehrer César Franck erinnert.
Die auf den ersten Blick unidiomatisch wirkenden künstlerischen Ausführenden, der singapurische Dirigent Darrell Ang und das schwedische Sinfonieorchester aus Malmö, erweisen sich bei genauerer Betrachtung als überzeugend; es gelingt ihnen, die Faszination dieser selten gespielten Musik des Randrepertoires herüberzubringen. Ang legte für Naxos bereits zahlreiche von der Kritik gelobte Aufnahmen französischer Komponisten vor (darunter Bruneau, Dutilleux und Lalo); dies erfreuliche Tendenz setzt sich hier fort. Die klangliche Qualität dieser im August 2017 in Malmö eingespielten Aufnahme bietet keinen Anlass zum Tadel. Mit dieser Neuerscheinung läuft Naxos einer vor einem Vierteljahrhundert bei Marco Polo vorgelegten Vorgängeraufnahme unter Gilles Nopre den Rang ab. Sie bietet eine gute und preiswerte Alternative zu der von Chandos vorgelegten Reihe der kompletten Orchesterwerke d’Indys mit dem Iceland Symphony Orchestra unter Rumon Gamba. Einzig die kurze Spielzeit von wenig über 50 Minuten trübt den sehr guten Gesamteindruck etwas. Daniel Hauser
Und apropos D´Indy: auch Kammermusik findet man bei diesem interessanten Komponisten, wie Gerhard Eckels schreibt. . Weitgehend unbekannt ist vor allem hierzulande der französische Komponist Vincent d’Indy (1851-1931): Er entstammte einer alten Adelsfamilie und wuchs bei seiner Großmutter Gräfin Rézia d’Indy auf. Früh bekam er Klavierunterricht und studierte bereits ab 1865 Harmonielehre. Nach dem Krieg 1870/71, in dem er bei der Verteidigung von Paris kämpfte, veröffentlichte er seine ersten Kompositionen. Durch die Vermittlung seines Freundes Henri Duparc wurde er Schüler von César Franck, der ihn auch mit der deutschen Musik, insbesondere mit Richard Wagners Opern bekannt machte. Nach einem Besuch der Bayreuther Festspiele 1876, wo er den kompletten „Ring des Nibelungen“ erlebte, wurde d’Indy ein überzeugter, geradezu glühender Wagnerianer. In seinen Kompositionen finden sich neben Wagner-Anklängen auch Einflüsse aus Naturbegegnungen und volkstümlichen Melodien. In den späten 1870- und 80er-Jahren war er als Organist und Chorleiter tätig; in dieser Zeit verfolgte er eine Reihe von Opernprojekten, doch einzig „Axel“, beeinflusst von Wagners „Parsifal“, floss später in seine fast fünfstündige Oper „Fervaal“ ein. Erst nach den Uraufführungen der Opern „Fervaal“ und „L’étranger“ (1897/1903) sowie bedeutender Orchesterwerke wie den „Istar“-Variationen (1896) und der 2. Sinfonie (1903) wurde er einer breiteren Öffentlichkeit in Frankreich bekannt. Zu seinen zahlreichen Schülern zählten u.a. Albert Roussel, Erik Satie und Edgar Varèse. In d‘Indys späten Werken wurde sein Kompositionsstil im Neoklassizismus leichter und unbeschwerter. Trotz dieses Stilwechsels blieb seine Haltung gegenüber den zeitgenössischen Strömungen eher zurückhaltend.
Wie in seiner Oper „Fervaal“ bevorzugte d’Indy in seinen vielfältigen Kompositionen aus allen Bereichen (Opern, Sinfonisches, Kammer- und Klaviermusik) offenbar die große Form: So dauert die 1907 entstandene Klaviersonate op.63 fast 45 Minuten und enthält in den drei Sätzen Introduction/Très animé/Modéré zahlreiche Unterteilungen. Sie ist mit Ausschnitten aus „Tableaux de voyage op. 33“, eingespielt vom französischen Pianisten und Musikwissenschaftler Jean-Pierre Armengaud, in der Reihe „Grand Piano“ bei NAXOS erschienen. Im Kopfsatz der Sonate stellt der Pianist klar die Unterschiede der vier Variationen heraus; der 2.Satz ist ein lebhaftes Scherzo mit zwei Trios, von denen das erste beinahe Schubertschen Charakter aufweist und das zweite Walzer-Klänge suggeriert. Auch das umfangreiche Finale mit seinen kontrastreichen Abschnitten interpretiert Armengaud stilsicher. Die 1889 entstandenen „Tableaux de Voyages“ sind dreizehn Klavier-Miniaturen über Eindrücke von Reisen durch Deutschland, von denen die CD sieben enthält, dabei „Beuron“ – ein Stück mit dem B-A-C-H-Motiv über das Benedektiner-Kloster im Schwarzwald –, „Der Regen“ oder das abschließende Stück „Traum“ (GP756).
Und dann noch: Der renommierte Cellist und Festspielleiter Jan Vogler hat sich mit dem Gitarristen Ismo Eskelinen zusammengetan und unter dem Titel „Songbook“ eine Reihe von kleineren Stückchen bei SONY aufgenommen. Nur zwei für die aparte Besetzung komponierte Werke befinden sich auf der CD: Es sind die drei Nocturnes von Friedrich Burgmüller (1806-1874), Bruder des durch Orchesterwerke und seine Streichquartette etwas bekannteren Norbert Burgmüller, sowie der erste Satz aus der Sonate für Gitarre und Cello des Brasilianers Radamès Gnattali (1906-1988). Alle anderen „Schmankerl“ sind für Cello und Gitarre arrangiert, deren meisterhaftes Zusammenspiel ungemein reizvolle Klänge hervorbringt, wobei das Cello als Melodie-Instrument meist dominiert. Der Titel „Songbook“ deutet darauf hin, dass viele der gespielten Stücke Lieder oder zumindest liednah sind. Dazu zählt Paganinis „Cantabile“ aus op.17, die „Aria“ aus Heitor Villas-Lobos‘ „Bachianas Brasileiras Nr.5“ oder natürlich „Moon River“ von Henry Mancini. Von besonderem Reiz mit viel Lokalkolorit sind die kleine Reihe „Histoire du Tango“ von Astor Piazzolla und die sechssätzige „Suite Popular Espanola“ von Manuel de Falla. Insgesamt macht das Zuhören bei dieser CD mit ihren in jeder Beziehung besonderen Klängen einfach Spaß (Sony 19075959762). Gerhard Eckels