SAIMIR PIRGU

 

Riskante neue Ufer: Eine der schönsten Tenorstimmen unserer Tage stellte sich 2004 mit Angelo casto e bel auf einer Belcanto-CD vor. Ihr Besitzer spielte im Somme 2015, während er ungefähr zur selben Zeit als Don Ottavio in Verona zu hören war, eine neue CD, Il Mio Canto, bei Opus Arte ein. Mit ihr stellt sich nun, wie im März 2016 in Berlin an der DOB,  Saimir Pirgu rund um die Welt in Gesprächskonzerten dem Publikum vor, doch ob dies wirklich Il Suo Canto, wenn auch vielleicht der Zukunft, sein kann und sein sollte, lässt den Hörer nach Anhören des ersten Tracks zweifeln. Während der junge albanische Tenor als Duca und Alfredo auch mit Verdi schöne Erfolge feiern konnte und mit diesen Partien auch auf der neuen CD vertreten ist, lassen Rezitativ und Arie des Gabriele Adorno (Simon Boccanegra) Bedenken aufkommen, ob er mit der einen lirico spinto verlangenden Partie wirklich auf dem richtigen Weg ist. Auf der CD klingt die Mittellage zwar angemessen präsent, beim Vortrag in der Deutschen Oper Berlin war dies nicht so, war der hoch liegende Registerübergang nicht zu überhören, vermisste man die dunkle Fülle einer Verdi-Stimme und fürchtet für die unbestreitbaren Timbrequalitäten des Sängers. Viel besser passt zu ihm die Arie des Rodolfo aus der Bohéme, wo die ausgesprochen lyrische Stimme sich sehr viel nuancierender äußern kann und wesentlich jünger klingt. In der Arie des Faust frappiert die sicherere Höhe mit beachtlicher Fermate, erfreut die innere Gespanntheit, mit der sie interpretiert wird. Auch in der Arie des Sängers aus dem Rosenkavalier kann der Tenor mit schönem Legato üppig schwelgen, und im Lamento des Federico (L´Arlesiana) nimmt er einen schönen Schmerzenslaut an, zeigt seine Qualitäten in der so energisch wie geschmeidig vorgetragenen Arie des Alfredo, mit dem der Sänger im Mai 2016 auch an der Deutschen Oper gastiert. Von der Cabaletta werden beide Strophen gesungen, ein beachtlicher Squillo krönt die Darbietung. „La donna è mobile“  am Schluss der CD ist ein einziges Plädoyer für ein Verbleiben in diesem lyrischen Stimmfach, nicht nur, aber auch wegen des strahlenden Spitzentons, aber vor allem wegen der Leichtigkeit der Emission, die so im dramatischen  Rezitativ des Luisa Miller-Rodolfos nicht wahrnehmbar ist, während der Edgardo mit seinen großen Schluss-Szene wie für die Stimme komponiert erscheint.

Auch die Tracks aus dem französischen Repertoire sind eine reine Hörfreude. Die jugendliche Schwärmerei des Roméo wird ebenso getroffen wie die Melancholie des Werther. Zu den bereits in naher Zukunft  denkbaren Verdi-Rollen gehören der Oronte und der Macduff, auch wenn der Letztere für den schmerzgebeugten Gatten und Vater etwas hell klingt. Insgesamt spricht die CD gegen einen überstürzten Fachwechsel, denn sie verhilft  dem Hörer in ihrem jetzigen Zustand in ihrem angestammten Repertoire zu einer ungetrübten Freude an einer ausgesprochen schönen, aber halt (noch?) durch und durch lyrischen Stimme. Dazu trägt durchaus auch das erfahrene Orchester des Maggio Musicale Fiorentino unter Speranza Scappucci bei (Opus Arte CD 9041 D). Ingrid Wanja  

 

 

Saimir Pirgi: L'Elisir d'Amore/ Szene, Wiener Staatsoper - Photo Michael

Saimir Pirgi: L’Elisir d’Amore/ Szene, Wiener Staatsoper – Photo Michael

Auf seinem erschienenen Soloalbum Il mio canto (Opus Arte) demonstriert Pirgu mit Arien von Verdi, Puccini, Donizetti, Cilea, Gounod, Massenet und Strauss auf beeindruckende Art und Weise, warum er derzeit zur Sänger Top-Riege gehört. Mit Bernd Ostermayer sprach der junge Sänger über Il mio canto, über sein Vorbild und Mentor Luciano Pavarotti, über Traumpartien und mehr.

 

Vor Kurzem ist Ihr Soloalbum Il mio canto mit Arien von Verdi, Puccini, Cilea, Donizetti, Gounod, Massenet und Strauss bei Opus Arte erschienen. Können Sie mehr über dieses CD-Projekt sagen? Im Sommer 2015, als ich mein konzertantes Rollendebüt als Riccardo in Un ballo in maschera unter der musikalischen Leitung von Zubin Mehta gab, erzählte ich Maestro Mehta von der Idee eines neuen Soloalbums und fragte ihn um Rat bezüglich eines guten Orchesters. Er schlug er mir gleich vor, das doch mit „seinem“ Orchester in Florenz zu machen, dem Orchestra des Maggio Musicale Fiorentino, eines der besten Orchester Italiens. Und so habe ich die CD dann letztes Jahr in Florenz aufgenommen, mit der jungen Dirigentin Speranza Scappucci. Speranza kenne ich schon seit Jahren, seit ihrer Zeit als Korrepetitorin an der Wiener Staatsoper. Sie kennt meine Stimme sehr gut und für mich sofort klar, dass ich das Album mit ihr aufnehmen wollte.

 

Saimir Pirgu und Angela Gheorghiu in "La Bohème"/ Liceu Barcellona/ Foto Irina Stanescu

Saimir Pirgu und Angela Gheorghiu in „La Bohème“/ Liceu Barcelona/ Foto Irina Stanescu

Mit Il mio canto wollte ich die volle Bandbreite meiner Stimme zeigen und auf CD festhalten, wozu ich momentan stimmlich und künstlerisch in der Lage bin. Deshalb auch „Il mio canto“, wortwörtlich ins Deutsche übersetzt „mein Gesang“. Meine Stimme ist in den letzten Jahren voller geworden und hat meiner Meinung nach sehr an Farben und dramatischen Nuancen gewonnen. Ich spezialisiere mich immer mehr auf das große italienische und französische Fach und deshalb schien es mir nur logisch, Arien aus Werken aufzunehmen, die ich momentan regelmäßig singe wie auch Arien aus Opern, in denen ich in den kommenden Jahren debütieren werde. Die meisten Werke auf der CD sind ja Teil meines derzeitigen Repertoires, aber Opern wie Luisa Miller oder L’Arlesiana sind Stücke, die ich wirklich gerne bald auch komplett auf der Bühne singen möchte. Was die französischen Arien angeht, habe ich bereits Werther und Roméo ein paar Mal auf der Bühne gesungen und ich denke, dass Faust, aber auch andere französische Partien wie Hoffmann oder Don José, in Zukunft kommen werden.

 

Saimir Pirgu und  Placido Domingo in "La Traviata"/ Metropolitan Opera New York/ FKen Howard

Saimir Pirgu und Plácido Domingo in „La Traviata“/ Metropolitan Opera New York/ Foto Ken Howard

Gibt es abgesehen davon noch weitere Traumpartien? Ich war ja immer sehr vorsichtig, was meine Rollenauswahl anging und habe mir stets Zeit gelassen, bevor ich Angebote für neue Rollen angenommen habe. Es kam für mich nie in Frage, Rollen zu singen, für die ich noch nicht bereit war und die meiner Stimme hätten schaden können. Solche Angebote habe ich immer abgelehnt. Ich erarbeite mir nun langsam auch dramatischere Partien, wie zum Beispiel den Riccardo, den ich wie gerade, wie erwähnt, unter Mehta in Israel mit riesigem Erfolg ausprobiert habe. Ich bin sehr glücklich über die Richtung, in die sich meine Stimme entwickelt. Verdis Otello wäre eine absolute Traumrolle, die ich aber wahrscheinlich leider nie singen werde! Diese Rolle erfordert einfach eine sehr dramatische Stimme, und die werde ich wohl nie haben. Aber ich bin eigentlich wirklich mit den Rollen zufrieden, die ich singe!

 Welche Oper mögen Sie besonders? Ich mag Wagner und den Verismo ganz besonders, aber als lyrischer Tenor werde ich die meisten dieser Partien wohl nie singen können. Eine Oper die ich ganz besonders liebe und wohl nie singen werde (auch wenn ich den Edmondo zu Beginn meiner Karriere an der Wiener Staatsoper gesungen habe) ist Manon Lescaut von Puccini. Ein unglaubliches Stück. 

 

 

Saimir Pirgu/ Foto Paul Scala

Saimir Pirgu/ Foto Paul Scala

Welche Sänger der Vergangenheit sind besonders große Vorbilder für Sie? Sie hatten ja das Glück, dass Sie Luciano Pavarotti als junger Sänger sehr unterstützt hat. Pavarotti war natürlich eines meiner größten Vorbilder, er war ein wichtiger Mentor und guter Freund, mit dem ich mir mein komplettes derzeitiges Repertoire erarbeitet habe. Ich lernte Pavarotti kennen, als ich 19 war und noch am Konservartorium von Bolzano studierte. Er hat mich die Grundlagen des Bel Canto gelehrt und erst viel später wurde mir wirklich bewusst, wie kostbar das Wissen eigentlich war, das er mir vermittelt hat.

 Auch, dass Sie überhaupt eine Gesangskarriere verfolgt haben, ist eigentlich Pavarotti zu verdanken, oder? Nicht nur Pavarotti, sondern den Drei Tenören und dem berühmten Konzert in den Caracalla-Thermen. Ich war etwa 14, als ich die Drei Tenöre zum ersten Mal im Fernsehen sah und war sofort absolut fasziniert. Domingo mochte ich am liebsten, und ich wollte unbedingt einmal so werden wie diese drei Sänger! Ich ging noch zur Schule und lernte Geige zu spielen. Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass ich eines Tages einmal ein Tenor wie sie werden sollte, aber das war mein großer Traum. Und nur etwas mehr als zehn Jahre später habe ich mit Plácido Domingo an der Met gesungen und war mit Luciano Pavarotti befreundet. Ein großer Traum also, der sich verwirklicht hat!

 

Saimir Pirgu/ "Idomeneo,"/ Zürich Opernhaus/ Foto Suzanne Schwiertz

Saimir Pirgu/ „Idomeneo,“/ Züricher Opernhaus/ Foto Suzanne Schwiertz

 Im Februar 2016 waren Sie als Alfredo in La traviata an der Londoner Royal Opera zu erleben. Eine der Vorstellungen wurde live im Kino übertragen. Was halten Sie von derartigen Kinoübertragungen? Kann man dadurch vielleicht sogar neues Publikum gewinnen? Absolut, ja! Das war nicht die erste Kinoübertragung, bei der ich mitgewirkt habe, und ich bin sehr froh, dass auch diese Traviata aus London in so viele Kinos weltweit übertragen wurde. Kinoübertragungen von Opernvorstellungen haben sich mittlerweile bewährt, besonders auch weil einem ganz neuen Publikum die Oper so näher gebracht wird. Oft haben die Leute nicht die Möglichkeit, ins Theater zu kommen, um dort eine Vorstellung zu sehen. Derartigen Übertragungen sei Dank können mittlerweile alle die schönsten Produktionen daheim oder im Kino anschauen. Auch ich bin ja durch eine Opernübertragung – wenn auch eine Fernsehübertragung – überhaupt erst zur Oper gekommen, eben durch jene vorhin erwähnte Übertragung des Konzerts der Drei Tenöre in den Caracalla-Thermen. Ich bin sicher, dass jede Art von Öffnung der Oper hin zu einem breiteren Publikum dieser Kunstform nur gut tun kann.

Wo kann man Sie im deutschsprachigen Raum in der nächsten Zeit live erleben? Momentan stelle ich Il mio canto auf einer großen Tournee weltweit vor, am 13. März in der Wiener Staatsoper und am 15. März an der Deutschen Oper Berlin. An der Deutschen Oper Berlin stehe ich außerdem am 2. und 6. Mai als Alfredo in La Traviata mit Diana Damrau und Thomas Hampson auf der Bühne, in Wiener Musikverein singe ich am 23. und 26. Mai in Berlioz` Requiem unter Tugan Sokhiev. Bernd Ostermayer

 

Am 13. November 2016 wird Saimir Pirgu der Preis “Premio Verona Lirica” verliehen. Die bisherigen Preisträger der Auszeichnung, die seit fünf Jahren vergeben wird sind Elena Mosuc, Fiorenza Cedolins, Hui He, Francesco Meli und Marco Berti.

 

Saimir Pirgu wird den Preis im Teatro Filarmonico von Verona entgegen nehmen.

 

Der albanische Tenor mit Wahlheimat Italien studierte bei Vito Maria Brunetti in Bozen und perfektionierte seine Technik mit Luciano Pavarotti. Im Alter von 22 wurde er von Claudio Abbado ausgewählt, unter seiner musikalischen Leitung den Ferrando in Così fan tutte zu singen. In selbiger Rolle debütierte er im Jahr 2004 als jüngster Sänger in einer Hauptrolle bei den Salzburger Festspielen.

 

Engagements in jüngerer Zeit umfassen unter anderem Rigoletto am Royal Opera House London, La traviata an der Metropolitan Opera New York, dem Royal Opera House London, der Staatsoper und Deutschen Oper Berlino, La damnation de Faust am Bolschoi-Theater Moskau, Riccardo in Un ballo in maschera in Tel Aviv dirigiert von Zubin Mehta, L’elisir d’amore an der Wiener Staatsoper und an der Deutschen Oper Berlin, Die Zauberflöte an der Mailänder Scala, La clemenza di Tito an der Pariser Oper, La bohème am Gran Teatre del Liceu Barcelona, Rigoletto in der Arena di Verona, Verdis Messa da Requiem bei den Salzburger Festspielen, im Wiener Musikverein, mit dem Bayerischen Rundfunk, im Concertgebouw Amsterdam sowie im Palau de la Musica Barcelona.

www.saimirpirgu.com

Alle Fotorechte sind im Besitz des Künstlers/ website Saimir Pirgu: http://www.saimirpirgu.com/de/ dazu eine Biographie: Saimir Pirgu (* 1981 in Elbasan): http://www.saimirpirgu.com/de/biography/