Tutti e tre

 

Dass eine Firma die Bestandteile eine Puccinesken Trittico derselben Produktion auf drei Einzel-DVDs (mit einzelnen Bestellnummern) herausgibt, ist wirklich selten – Dynamik denkt wirtschaftstechnisch und tut dies. Also besprechen unsere Korrespondenten nun auch nach Eintreffen die jeweiligen DVDs, hier zusmmengefasst, platztechnisch gesehen… G. H.

Geschmack- und trotzdem eindrucksvoll: In Suor Angelica wird aus dem Einheitsbühnenbild für alle drei Teile des Trittico von Denis Krief, der für die gesamte Optik verantwortlich ist, ein Kirchturm, und während im Tabarro die Silhouette Paris‘, in Gianni Schicchi die von Florenz durch die Öffnungen in den Holzwänden sichtbar werden, ist hier abgesehen von Gittern absolut nichts zu erblicken, das Außerhalb-der-Welt-Sein der Suore unterstreichend. Die notwendigen Requisiten wie Gewürzgärtlein, Sitzgelegenheiten oder die Almosen werden jeweils auf die Bühne gefahren und auf die gleiche Weise wieder von ihr entfernt. Heikel ist natürlich immer die übernatürliche Erscheinung der Jungfrau Maria nebst Engelein, darunter das verstorbene Kind Angelicas. Dafür gibt es hier eine Lösung, die weder verstört wie einst eine zur Zigarettenpause vom Sockel steigende Madonna bei Katharina Wagner noch das Wunder völlig leugnet, indem in gleißendem Licht das Kind der sterbenden Angelica entgegen  schreitet, ohne dass es dieser gelingt, die ausgestreckte Hand zu erreichen. Dazu kann man sich vielerlei denken, der beabsichtigte versöhnliche Schluss wird erreicht, ohne dass die Inszenierung im Kitsch untergeht.

Maria José Siri ist neben der Georgetta auch Angelica, mit rundem, dunkel getöntem Sopran, tragfähigem Piano und nur in der Höhe wenig flexibel. Für sie hat sich die Regie feine Details ausgedacht, so wenn sie sich, nachdem sie vom Tod des Kindes erfahren hat, den Bauch streichelt, als könne sie ihm wieder den Schutz angedeihen lassen, den es im Mutterleib genoss. Auch Anna Maria Chiuri füllte zwei Partien aus, nach der Zia im Schicchi nun die in der Suor, und auch sie hat ihren besonderen darstellerischen Moment, wenn sie den Impuls zu einer zärtlichen Geste gegenüber der Nichte jäh unterdrückt. Gegen den steht ein schneidendes „penitenza“, das der ansonsten angenehm ausgeglichen klingenden Stimme abgerungen wird. Alle Suore sind pure Ohrenweide, insbesondere die Suora Zelatrice von Anna Malavasi. Valerio Galli lässt im Orchester das Wunder erblühen, das sich die Bühne aus gutem Grund versagt. Und dass die Zia Principessa ein Kostüm der vergangenen 50er trägt und nicht eines des 17.Jahrhunderts, spielt überhaupt keine Rolle (Dynamic 37873.). Ingrid Wanja     

 

Solider Durchschnitt: Die Büste des Mannes, der Gianni Schicchi wie auch die Leidensgenossen Francesca da Rimini und Paolo il Bello in seiner Commedia Divina der ewigen Verdammnis anheimgefallen sah, steht, aus weißem Marmor gefertigt, im Sterbezimmer von Buoso Donati, das ansonsten eines der Fünfziger des vergangenen Jahrhunderts zu sein scheint. So erwecken auch die Kostüme den Eindruck, dass man einmal mehr und wie schon so oft mit Erfolg erprobt die Handlung aus dem Jahre 1299 in die Zeit des Neorealismus verlegt hat. Im Hintergrund ist zwar das Florenz der Renaissance in bräunlichen Farben zu sehen, die hölzernen Wände des Zimmers allerdings wirken unangenehm kunstgewerblich und eher den Zwanziger/Dreißigern zugehörig. Versöhnen kann man sich mit ihnen, weil sie Garanten einer guten Akustik sind. Denis Krief ist für die gesamte Optik verantwortlich, die aus dem Teatro Giglio di Lucca stammt, auch in Cagliari zu sehen war und im Theater des Maggio Musicale Fiorentino 2019 aufgenommen wurde. Besonders in den fein charakterisierenden Kostümen zeigt sich sein Können, aber auch in viel Situationskomik, die in der Nahaufnahme allerdings auch penetrant wirken kann.

In die Schar er kompetenten Giannis Taddei, Gobbi, Capecchi, Panerai und zuletzt Nucci reiht sich Bruno de Simone mit viel Buffocharme, Spielfreude in Gestik und Mimik und einem beweglichen Bariton, der die Finessen der Partie auszukosten versteht, ein. Mit warm getöntem, geschmeidigem Sopran singt Francesca Longari die Zugaben-Arie vom babbino caro, sie ist eine eher deftige als zart empfindende Person, so dass man von den großen Diven schon weit mehr Raffinesse gehört hat. Wenig poetisch klingt auch das Loblied auf Firenze, das dem Rinuccio anvertraut ist und das Dave Monaco mit einem Tenor von Allerweltstimbre und mit leicht gepressten Höhen singt. Markant klingt der Simone von Eugenio Di Lieto, elegant ist die Zita von Anna Maria Chiuri, die einen auch in Suor Angelica als Principessa einsetzbaren Mezzo präsentieren kann. Zufriedenstellend sind die weiteren Rollen besetzt, aber festspielwürdig wäre abgesehen von der Titelfigur diese Aufnahme nicht, auch wenn am Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino unter Valerio Galli nichts auszusetzen ist. Aber es ist ja auch November und nicht Mai (Dynamic 37874). Ingrid Wanja

 

Selbstgezimmert: Nach mehr als 30 Jahren legte im November 2019 neuerlich Micheles Schleppkahn in Florenz an. Il Tabarro war der einzige neue Teil des von Denis Krief in Koproduktion mit Cagliari und Lucca gefertigten Trittico, was möglicherweise erklärt, weshalb Dynamic die Ballade von den Seine-Schiffern als Einzelbild aus dem sich erst während seiner Reise von Sardinien in die Toskana zum Triptychon auffüllenden Abend herauslöste und der Nachwelt zugänglich macht (DVD 37872). In Cagliari wurde Suor Angelica noch mit Busonis Turandot gegeben, die anschließend in Lucca durch Gianni Schicchi ersetzt worden war.

Die Schreinerei des Teatro del Maggio Musicale Fiorentino hatte alle Hände voll zu tun, um das längs nach hinten gestreckte Spielviereck zu zimmern, dazu die von Krief ebenfalls entworfenen hölzernen Seitenwände als Kai-Begrenzung, was zu merkwürdigen Situationen führt, weil man denken muss, der seitlich postierte Liedchensänger (schön präsent Dave Monaco) und die Mindinetten stehen in der Seine. Im Hintergrund des zeitlich nicht genau verorteten Geschehens weist ein Horizont auf Paris hin, wie ein aus einem Museum geholtes Seine-Bild, das immerhin Bezug auf die Malerei der Zeit zwischen Monet und Seurat zu nehmen scheint, zu der Puccini ein musikalisches Gegenstück schuf. Auf der Spielfläche ein karges Pflänzchen. Giorgetta und Frugola hocken auf Kisten. Das wirkt alles etwas schnell und preisgünstig zusammengewürfelt. Der Inszenierung, die eine seltsame Distanz zu den tristen Lebensverhältnissen der Pariser Hafenarbeiter um die vorletzte Jahrhundertwende wahrt, fehlt es an Atmosphäre und Detailliebe. Es bleibt dem als Viareggio stammenden Valerio Galli, dem Puccinis Musik damit quasi in die Wiege gelegt wurde, und dem Orchester des Maggio Musicale überlassen, die impressionistischen Farben im grau-braunen Geschehen schillern zu lassen, dem mit kräftigen veristischen Farben durchsetzten plätschernden Impressionismus Gestalt zu geben und die Miniaturen eindringlich zusammenzubinden, während die Akteure reichlich selbstüberlassen wie auf einer Studentenbühne agieren. Michele und seine jüngere Gattin Giorgetta driften nach dem Verlust ihres Kindes als Ehepaar auseinander: Maria Jose Siri – die in Florenz auch die Suor Angelica übernahm – hat die kräftige, in der Höhe allerdings auch sehr steife Stimme, um den Sinnentaumel der Georgetta nachdrücklich in den nächtlichen Himmel zu brennen. Das kleine Vibrato und die eingenebelte Tiefe stören die dramatische Wucht nicht. Den Michele, der am Ende seiner Frau unter dem Mantel die Leiche ihres Liebhabers präsentiert, singt Franco Vassallo mit einem einfarbigen, zwar höhenstark gewaltigen, doch nicht sehr konsistenten Bariton. Den Lover Luigi gibt Angelo Villari mit draufgängerischer Emphase, die das Publikum spontan begeistert, und beachtlichen Spintoqualitäten. Anna Maria Chiuri ist ausgezeichnet als Frugola, die aus kleinen Einwürfen (“Ho sognato una casetta”) einen Charakter entstehen lässt. Schneller als alle Mitwirkenden am Schluss hinter dem Vorhang verschwinden können, ist der Applaus zu Ende. Rolf Fath

 

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