Jardinier fidèle

 

Er verschandele jede Melodie. Das Geigenspiel habe er nach drei Jahren aufgegeben, weil es ihm nicht einmal gelang, das Instrument zu stimmen. Alles in allem, sei er der unmusikalischste Mensch, den er kenne. „Moi, l’homme le moins mélomane que je connaisse“, kokettierte Alexandre Dumas. Andererseits kenne er wenige, die so sensibel auf musikalische Schönheiten reagieren. Und obwohl Alexandre Dumas nicht viel von der Verbindung von Poesie und Musik hielt, da sich die Musik immer die Dichtung aneignen, sie kürzen, strecken und für ihre Zwecke dienstbar machen werde, schrieb er dennoch für die Musikbühne. Nicht eben viel, nichts Bedeutendes: mit Gérard de Nerval den Text zu Hippolyte Monpous 1837 uraufgeführtem Piquillo sowie zusammen mit Adolphe de Leuwen zu der opéra-comique Le roman d’ Elvire (1860) von Ambroise Thomas. Zudem erlaubte er, dass in seinen Bühnenstücken Lieder eingelegt wurde, wovon der Chants des Girondins – mit Musik von Alphonse Varney, dem Vater des berühmteren Operettenkomponisten Louis Varnay – in der Dramatisierung von Le Chevalier de Maison-Rouge am bekanntesten wurde. Vor allem gestattete er gerne, dass seine Texte Ausgangspunkt für Romanzen wurden, deren Hingabe an vergangenen Zeiten und nostalgische Momente natürlich den historischen Kulissen von Dumas‘ Abenteuerromanen entsprachen. Ein altes Schloss und idealisiertes Mittealter beschreibt die Geschichte der von ihrem Vater bewachten schönen Isabeau, La Belle Isabeau, die von Hector Berlioz vertont wurde. Berlioz steuert zu den 17 Nummern, welche die CD Alexandre Dumas et la musique (Alpha 657) präsentiert, noch La Captive, bei. Dieses Bild der fern der Heimat Gefangenen stammt allerdings von Victor Hugo. Ebenso wie Massenets Élegie auf Louis Gallet, Henri Duparcs als lebhafte Szene für die Liebenden Ahmed und Khadija impressionierte La Fuite auf Théophile Gautier und Jocelyn auf Victor Capoul und Armand Silvestre basieren, was das ganze Unterfangen einigermaßen verwirrend macht: Dumas und seine Zeit müsste es wohl richtiger heißen.

Dem Typ der Romanze mit oftmals träumerisch vergegenwärtigten Bildern und nächtlichen Stimmungen entsprechen L’ Ange und Le Sylphe, die von Alexandre Pierre Joseph Doche und César Franck vertont wurden. Erstere wird von der Mezzosopranistin Karine Deshayes gesungen –  die sich mit prägnantem Flair und einigen schrillen Kanten auch der Sturmerzählung von der schönen Isabeau annimmt – und über Dochs etwas einfältigem Klavierpart um Präzision und Gewicht bemüht ist; sie nimmt die Stimme fein zurück und verleiht ihr, beispielsweise in den weiten Bögen von Edmond Guions Amour, printemps – Printemps, amour auch sinnliche Fülle und Gewicht. Die Sopranistin Marie-Laure Garnier gibt eine anämische Sylphe ab. Allerdings wirkt sie bei César Franck schon zupackender als in Franz Liszts wie mit Kniestrümpfen gesungener Jeanne D’Arc, wo vornehmlich das Klavier, Alphonse Cemin, dramatischen Ausdruck zeigt, als habe sie im Lauf des im Mai 2020 in der Salle Colonne in Paris aufgenommenen Programms an Zuversicht gewonnen. Massenets Sonnenuntergang, Soleil couchant, gestaltet Garnier mit Kompetenz. Einen schönen Einstieg hat der aus Großbritannien stammende, aber hörbar französisch geschulte Tenor Kaëlig Boché, der mit Massenets Élegie die CD eröffnet; zunächst wirkt der Tenor verhangen, konturlos, doch die Diktion, der Tonfall, das leicht süße Timbre, die Intensität und das morbide „Pour toujours“ am Ende gefallen. Eine Stimmung, die Boché in Benjamin Godards Te souviens-tu? weich und geradezu zärtlich aufnimmt. Gefällig, nicht ganz so elegant, wie es sein könnte, auch Nita la gondolière von Gilbert Duprez. Von Dumas‘ Gedicht Le jardin finden sich zwei Vertonungen, welche die zunehmende Abkehr vom Begriff romance verdeutlichen, eine melodie pour chant et piano von Henri Reber, eine zweite, spätere, schlicht als chanson bezeichnete von Francis Thomé; Garnier und Boché tollen abwechselnd in diesem Liebesgarten.

Interessant und gut sind die Ausschnitte aus den erwähnten Opern, das reizvolle Terzett aus der Oper über den spanischen Banditen Piquillo, der Chor der Girondisten sowie die Arie des Raoul aus André Messagers erst 1896 uraufgeführte opera-comique Le chevalier d’Hermental, für die sich Messagers Librettist Paul Ferrier durch eine gleichnamige zuerst als Roman erschienene, dann auf die Bühne gelangte Vorlage von Dumas inspirieren ließ. Das Piquillo-Terzett ist eine witzige und originelle Comique-Nummer, die bei Deshayes, Garnier und Boché ein wenig konzertant steif bleibt, der hochpatriotische Girondisten-Chor (Mourir pour la Patrie …. À la France, à la liberté) ist keine Herausforderung für unser Gesangstrio, doch die Arie des Raoul erweist sich als recht hübsche und herausfordernde Szene für einen empfindsamen Tenor, der Boché schwärmerischen Impetus verleiht. Rolf Fath