Unter Zigeunern

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Eine Hand wäscht die andere. Ich führe deine Oper auf, und du spielst bei mir Klavier. So etwa könnte es gewesen sein, als Paderewskis Manru 1902 in New York aufgeführt wurde – und die bislang einzige an der Met aufgeführt polnische Oper geblieben ist (zugegeben – die Auswahl ist nicht riesig). Wie anders lässt sich erklären, dass die einzige Oper des Pianisten, Politikers und Nationalhelden Ignacy Jan Paderewski von Walter Damrosch, der bereits das Amerika-Debüt des Pianisten in der Carnegie Hall begleitet hatte, an der Met gespielt wurde. Mit dabei Marcella Sembrich und Louise Homer. Nicht schlecht. So würde man das gerne hören. Allerdings ist die von Madciej Figas knallig und zupackend dirigierte Aufführung aus Bydgoczcz, dem ehemaligen Bromberg, anlässlich des 50jährigen Bestehens der Opera Nova 2006 entstanden, allerbestens. Manru ist auch in Paderewski Heimat nicht eben häufig auf den Spielplänen zu finden, was vielleicht an dem kosmopolitischen Flair des Werkes liegt. Uraufgeführt 1901 in Dresden unter Ernst von Schuch mit der später als Elektra berühmt gewordenen Annie Krull als Ulana, dann in Lemberg gespielt, fand die Oper erst ab den 1960er Jahren in Polen regelmäßig Aufmerksamkeit. Allerdings enthält Manru auch hinreichend musikalische Hinweise, volkstümlich tänzerische Rhythmen und ein virtuoses zigeunerisches Violinsolo, zu dem Schauplatz, die Hohe Tatra, wo die Liebesgeschichte zwischen dem Dorfmädchens Ulana und dem Zigeuner Manru spielt. Ulana wurde von ihre Mutter verlassen, Manru von den Zigeunern verstoßen. Am Konflikt zerbrechen beide. Manru lässt Ulana im Stich, wird zum Führer der Zigeuner und gibt sich einer anderen hin. Ulana ertränkt sich, Manru wird von dem heimlich in Ulana verliebten Heilkünstler Urok ermordet. Das ist (polnischer) Verismo pur. Ein Höhepunkt ist ein ekstatisches, durch einen Liebestrank gesteigertes Duett der Hauptfiguren, das in seiner leicht perversen Überdrehtheit an Schreker oder Zemlinsky denken lässt. Wioletta Chodowicz singt das Dorfmädchen Ulana mit einem farbigen, facettenreichen, durchsetzungsstarken Sopran. Ihr Einsatz trägt den ersten Akt. Der Manru wird von Janusz Ratajcak mit einem anfangs fahlen, dann zunehmend trompetenhaft durchdringenden Tenor gesungen, der in der strapaziösen ariosen Deklamation immer noch jung klingt, obwohl er dem Ensemble zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits 18 Jahre angehörte. Der Urok von Leszek Skrla bleibt gewöhnlich. R. F.

 

Ignacy Jan Paderewski: Manru mit Janusz Ratajcak (Manru), Violetta Chodowicz (Ulana), Barbara Krahel (Jadwiga), Monika Ledzion (Aza), Jacek Greszta (Oros), Leszek Skrla (Urok), Lukasz Golinski (Jagu) u.a.; Chor und Orchestre der Opera Nova in Bydgoszcy; Leitung: Maciej Figas; 2 CD Dux 0793/0794