Warum keine dvd?

 

Zwar nicht so schnell wie das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, aber doch zeitnah und in schöner Regelmäßigkeit erscheint wenige Monate nach der Uraufführung in der Deutschen Oper Berlin beim CD-Label Oehms Classics die entsprechende CD, seien es Scartazzinis Edward II. oder Reimanns L’Invisible und nun Detlev Glanerts Oceane. Alle drei Opern waren große Publikumserfolge nicht zuletzt wegen der sensiblen Regie, die man ihnen angedeihen ließ und die sich positiv von den Holzhackermethoden unterschied, mit denen populäre Werke wie Carmen oder generell Verdi-Opern und ihr Publikum malträtiert wurden. Aus diesem Grund ist es schade, dass dem Käufer die durchweg interessante und einfühlsame Optik vorenthalten wird, die Musik allein es schwer haben wird, die Gunst eines großen Kreises  von Interessenten zu erringen. Glanerts Musik hat durchaus ihre Reize, weiß einfühlsam Naturstimmungen einzufangen, alte Tänze zum Ausgangspunkt psychologisch durchdachter Szenen zu machen, Instrumentengruppen zu feinen Charakterisierungen von Personen einzusetzen und ist nie durch Dissonanzen oder extreme Lautstärke das Ohr beleidigend. Das alles weiß jedoch erst derjenige zu schätzen, dem auch die Optik zugänglich ist, die die Musik zusätzlich aufwertet  (dazu auch die Rezension der Berliner Aufführung in operalounge.de)

Eigentlich sollte die Uraufführung bereits ein Jahr früher stattfinden, jedoch wurde Reimanns Werk vorgezogen, was insofern logisch erschien, als nun zum Fontane-Jahr ein Stoff des Berliner Dichters herangezogen wurde. Zwar gibt es gelegentlich im Werk Fontanes dem Element Wasser zugehörige Wesen, nie aber als Mittelpunkt, und so ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass  seine Oceane unvollendet blieb im Unterschied zu den Romanen, in denen die realitätsbewussten, sich den gesellschaftlichen Gegebenheiten fügenden Frauengestalten wie in Irrungen, Wirrungen, Stine oder Frau Jenny Treibel im Mittelpunkt stehen. Oceane hat auch keine Züge einer Undine oder Rusalka, die zu viel lieben, sondern ihre Besonderheit ist eher, dass sie nicht zur Liebe fähig ist, deshalb die Verlobung mit Martin von Dircksen platzen lässt und ins Meer zurückzukehren scheint.   Verschreckt haben dürfte sie auch die Reaktion der spießigen Hotelgesellschaft, insbesondere die Intoleranz des Pastors Baltzer,  auf ihren wilden Tanz beim Abschiedsball zum Ende der Badesaison und wohl auch des heruntergekommenen Hotels, das der Schauplatz der Handlung ist. So wie sie sich zu Beginn der zweiaktigen Oper mit wahrhaftem Sirenengesang eingeführt hat, verabschiedet sie sich auch mit einem Brief an Martin, den dieser als sich entfernenden Gesang  vernimmt.

Donald Runnicles, der sich auch Reimanns Oper angenommen hatte, lässt das Orchester der Deutschen Oper im geheimnisvoll Gleisnerischen des Vorspiels schwelgen, den Naturstimmungen der Intermezzi Ausdruck verleihen, stellt die Rhythmen von Walzer, Polka oder Galopp in den Dienst der jeweiligen Situation und weiß den Sängern den notwendigen akustischen Raum zu Entfaltung zu garantieren. Der Chor meistert seine schwierige Aufgabe, einstudiert von Jeremy Bines, souverän. Glanert hat für die Sänger dankbare Rollen komponiert. Doris Soffel ist die dem finanziellen Ruin entgegensehende Hotelbesitzerin und singt mit im besten Sinne reifer, farbiger, geschmeidiger Stimme, besonders berührend in den Erinnerungen an vergangene, bessere Zeiten. Wie von der Kanzel predigt und doziert mit autoritär klingendem Bass Albert Pesendorfer den intoleranten Pastor. Mit markantem Bariton setzt sich Christof Pohl für den ungetreuen Freund Felgentreu ein, während Nicole Haslett mit schriller Soubrettenstimme recht nervig als Kristina in der Extremlage unterwegs sein muss. Stephen Bronk aus dem Ensemble der Deutschen Oper ist der den Niedergang des Hotels beklagende Kellner Georg. Nikolai Schukoff singt mit tenoraler Emphase einen Martin, der viel sympathischer wirkt, als es ihm wohl eigentlich, da war vom rücksichtslosen Kapitalisten die Rede, zugedacht war. Dass man Maria Bengtsson in der Partie nicht sehen kann, ist wirklich ein Verlust, denn so schön sie singt, so attraktiv war sie auch anzusehen und dadurch natürlich der Gesamteindruck ein viel komplexerer. Auch in der laufenden Spielzeit gab es wieder eine Uraufführung, die unbedingt, wenn überhaupt, als DVD erscheinen sollte. Ingrid Wanja