Polnisches kompakt

 

Aus Romantik und später: Wenn man an polnische Musik der Romantik und aus der Zeit danach denkt, fallen einem natürlich auf dem Gebiet der Klaviermusik Frédéric Chopin und für die Oper Stanislaw Moniuszko ein. Dass es in dieser Zeit außer den beiden exemplarisch Genannten eine ganze Reihe bedeutender polnischer Komponisten gab, verdrängt man leicht, zumal sich die meisten von ihnen nicht über ihr Heimatland hinaus durchzusetzen vermochten. Nun gibt es mehrere CDs aus Polen, mit denen die Werke solcher Komponisten näher gebracht werden.

Folge 1 (Oper): So hat das polnische Label DUX  ältere Aufnahmen hauptsächlich aus Opern von Stanislaw Moniuszko (1819-1872) herausgebracht. Fast ausschließlich polnische Künstler sind am Werk, wenn man von der französischen Pianistin Véronique Briel, die  einen hübschen Walzer präsentiert, und der russischen Sängerin Tatiana Borodina absieht, die Halkas Arie Wenn die Sonne aufgeht mit schön abgerundetem Sopran singt. Sie wird vom Breslauer Opernorchester unter Ewa Michnik begleitet, das bei weiteren Ausschnitten aus Halka auch den prägnanten Bariton Mariusz Godlewski, den etwas dröhnenden Bassisten Radoslaw Zukowski  und den klaren Tenor Oleh Lykhach unterstützt. Zwei Orchesterstücke aus der Breslauer Halka-Aufnahme von 2005, die Bergbauerntänze und die flotte Mazurka, runden die Eindrücke aus dieser Oper ab. Die Doppel-CD enthält auch aus dem Gespensterschloss, der weiteren berühmten Oper Moniuszkos, drei Arien, gesungen von Urszula Kryger, dem Bassisten Kazimierz Kowalski und dem international bekannten Wieslaw Ochman. Bei letzterem wird verschwiegen, von wann die Aufnahme mit der Polnischen Nationalphilharmonie unter Tadeusz Strugata stammt. Ebenfalls vertreten mit der Ouvertüre und drei Arien ist die Oper  Verbum mobile (Das Ehrenwort). Schließlich kann man Ausschnitte aus den Opern Flis (Der Flößer), Paria und Hrabina (Die Gräfin) sowie die Konzert-Ouvertüre Bajka (Das Märchen), drei Lieder, zwei Ausschnitte aus Messen und das lautmalerische Stück für Flöte und Klavier Das spinnende Mädchen hören, alles schöne Beispiele für die Vielseitigkeit des polnischen Nationalkomponisten (DUX 0908/0909, 2 CD).

 

Ignacy Feliks Dobrzyńskis „Monbar“ in der Aufnahme des polnischen Rundfunks Warschau unter Lukas Borowicz

Kleinere Stücke sind unter dem Titel Polish Symphonic Music of  the 19th Century zusammengefasst, die von der ausgezeichneten Sinfonia Varsovia unter Grzegorz Nowak interpretiert werden. Die Ouvertüre zur 1811 entstandenen Oper Dwie Chatkie (Zwei Hütten) komponierte Karol Kurpinski (1785-1857), künstlerischer Direktor der Oper in Warschau von 1825 bis 1842, der 1833 die Eröffnungsvorstellung im neuen Theatergebäude, dem Teatr Wielki, dirigierte und der dort zwei Jahre später eine Gesangsschule gründete. Die Ouvertüre noch ganz im klassischen Stil findet eine mehr als nur angemessene Ausdeutung.

Ignaz Felix Dobrzynski (1807-1867, in operralounge.de gibts es eine Besperechung seines Monbar), der gemeinsam mit Frédéric Chopin bei Jozef Elsner studierte, ist mit der spritzigen Ouvertüre zu seiner einzigen Oper Monbar oder die Freibeuter vertreten, Wladyslaw Zelenski (1837-1921) mit der temperamentvollen Konzertouvertüre In der Tatra. Schließlich erklingen Step (Die Steppe) des Dirigenten der Warschauer Musikgesellschaft und Konservatoriumslehrers Zygmunt Noskowski (1846-1909) und natürlich Moniuszko mit der Konzertouvertüre Bajka (Das Märchen). (ACCORD ACD 019). Gerhard Eckels

 

Wenn Moniuszko der Vater der polnischen Oper ist, dann gehört Kurpiński neben Joseph bzw. Józef Elsner wohl der Großvätergeneration an. Eine Generation älter als Moniuszko (1785-1857), leitete er 1824-42 die Warschauer Oper und dirigierte 1833 mit dem Barbiere di Siviglia die Eröffnungsvorstellung des Teatr Wielki. Dazu gründete er eine Gesangsschule und setzte mit seinen rund 26 Opern die von Elsner begründete Tradition von Opern in polnischer Sprache fort, darunter Jadwiga, Königin von Polen, Das Schloss von Czorsztyn und Bojomir und Wanda. Kurpiński wurde von seinem Vater, einem Organisten, ausgebildet, übernahm bereits mit 12 Jahren die Organistenstelle in Rawicz und spielte 1800 bis 1808 Geige im Orchester des Grafen Polanowski in Moszków in der Nähe von Lemberg, wo er nach der Auflösung des Orchesters zwei Jahre lebte. In Lemberg lernte er auch die Oper kennen. Ab 1810 wirkte er neben Józef Elsner dreißig Jahre als Dirigent am Nationaltheater in Warschau, dessen Direktor und musikalischer Leiter er nach Elsners Weggang 1824 wurde.

Er führte Mozart, Weber, Auber, Rossini, Donizetti, Bellini und Meyerbeer auf, und 1811 die erste seiner Opern. Der 1815 im alten Gebäude des Nationaltheaters am Krasiński-Platz uraufgeführte Einakter Alexander und Apelles behandelt eine Episode aus der griechischen Antike um Alexander den Großen, den Hofmaler Apelles und Alexanders erste Geliebte, die schöne Pankasta aus Larissa. Alexander gibt bei Apelles ein Porträt der Pankasta in Auftrag. Maler und Model verlieben sich. Großmütig entsagt Alexander seiner Liebe zu Pankasta. Den Text ließ sich Kurpiński von Adam Dmuszewski nach der gleichnamigen, gerade herausgekommenen Komödie von Alexandre-Jean-Joseph de la Ville de Mirmont schreiben. In 22 Nummern inklusive einer Ouvertüre und einem Finale, reinen Textpassagen, Melodramen, kleinen Arien, einem Terzett und Duett handelt Kurpiński das Drei-Personen Stück im Stile Rossinis und der Wiener Klassik und – nicht nur in Apelles‘ Alla polacca-Arie – mit schwungvollen polnischen Reminiszenz ab, was in dieser Mischung aus Sprache, glanzvollen Instrumentalpassagen und elegantem Gesang reizvolle Effekte ermöglicht, aber nicht Schule machte  Nach fast 200 Jahren gelangte die aparte Nettigkeit Aleksander i Apelles, deren Text und Musik unabhängig voneinander von dem Musikwissenschaftler Wojtek Czempli aufgespürt wurden, im Herbst 2017 im historischen Boguslawski-Theater in Kalisz wieder zur Aufführung. Das Sinfonieorchester der Kalisz Philharmonie hat mit dem reich ausgeschmückten Orchesterpart fast mehr zu tun als die Solisten Tatiana Hempel als Pankasta, der Tenor Tomasz Krzysica in der anspruchsvollen Partie des Apelles und der Bass Robert Gierlach als Alexander (Polskie Radio PRCD 2178); der wackere Männerchor aus Sarnów hat sich seine ganze Kraft für das Finale aufgehoben.   Rolf Fath

 

Mieczysław Karłowicz/ Wikipedia

Folge 2 (Sinfonisches): Mieczyslaw Karlowicz (1876-1909) studierte zunächst an der Warschauer Musikakademie Violine und Komposition, seit 1895 dann in Berlin, wo seine ersten Werke entstanden. In den Jahren 1895/96 komponierte er 22 sinfonische Lieder und auch eine Serenade für Streichorchester, die von den Berliner Philharmonikern unter seinem Lehrer Heinrich Urban uraufgeführt wurde. 1901 kehrte er nach Warschau zurück, beendete sein Studium und gründete zwei Jahre später ein Streichorchester. Wie so viele Künstler damals zog Karłowicz 1906 nach Zakopane in der hohen Tatra, wo er neben der Musik seine zweite Leidenschaft entdeckte, das Bergsteigen und Skifahren. Hier ließen sich die Literaten des Jungen Polen nieder; auch fand sich dort die gleichnamige Gruppe junger polnischer Komponisten ein, die sich 1905 in Berlin gegründet hatte und deren namhaftester Vertreter Karol Szymanowski war. 1909 kam Mieczysław Karłowicz bei einem Lawinenunglück ums Leben. Seine einzige  Sinfonie mit dem Titel Rebirth (Wiedergeburt) entstand 1902 und wurde unter Leitung des Komponisten im März 1903 in Berlin uraufgeführt. Bei DUX  ist eine Aufnahme des Werks in der Interpretation des Stettiner Philharmonischen Orchesters erschienen. Wie Gustav Mahler in seiner Auferstehungssinfonie, die im folgenden Jahr Premiere hatte, schildert auch Karlowicz mit farbenreicher Orchestrierung den inneren Kampf gegen das Schicksal. Dem norwegischen Dirigenten Rune Bergmann gelingt es, den grüblerischen, manchmal geradezu unheilschwangeren Charakter der Sinfonie zu erfassen und mit dem souveränen Orchester umzusetzen. Die Sinfonie endet mit einer strahlenden Choralmelodie, ohne jedoch in falsches Pathos zu geraten (DUX 1477).

 

Über Polen hinaus ist Mieczyslaw Karlowicz besonders durch seine sinfonischen Dichtungen bekannt geworden, von denen Returning Waves op. 9, das Triptychon Eternal Songs op.10 , das um Liebe und Tod, Sehnsucht und Ewigkeit kreist, sowie die Bühnenmusik (Sinfonischer Prolog und Intermezzo) zu Bianca da Molena op.6 (Weißes Täubchen) auf einer in der PWM-Edition erschienenen CD enthalten sind. Auch hier erweist sich die Stettiner Philharmonie als in allen Gruppen versiertes Sinfonieorchester, das unter dem inspirierenden Rune Bergmann die typischen, geheimnisvoll abgedunkelten Bläser- und Streicher-Mischungen, befreiende Aufschwünge und im Gegensatz dazu helle Klänge ebenso überzeugend erklingen lässt wie melancholische Gedanken des Verzichts und der inneren Einkehr. Dabei wird durchweg deutlich, wie sehr Karlowicz sich an die Harmonik von Richard Wagner zu Zeiten des Tristan angelehnt hat und wie er das Orchester im Stile von Richard Strauss und teilweise auch von Peter Tschaikowsky behandelt hat (PWM mit Filharmonia Sczecin).

 

Paderewkis „Manru“: Theaterzettel für die Uraufführung an der Met 1901/Org.

Der vor allem im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts weltweit berühmte Pianist und polnische Freiheitskämpfer Ignacy Jan Paderewski (1860-1941) hat neben seiner Oper Manru und vielen Klavierwerken auch eine Sinfonie komponiert, die den Untertitel Polonia trägt. Im letzten Satz ist die polnische Nationalhymne Noch ist Polen nicht verloren verarbeitet, möglicherweise als versteckte Ankündigung der politischen Aktivitäten Paderewskis nach der Bostoner Uraufführung 1909. Dem ausgedehnten dreisätzigen Werk liegen keine strengen sinfonischen Strukturen zugrunde, sondern es ist eher eine spätromantische sinfonische Dichtung, ohne ausdrücklich programmatisch zu sein. Sehr ungewöhnlich ist die Instrumentierung: Zu der üblichen sinfonischen Orchesterbesetzung kommen drei äußerst selten eingesetzte Sarrusophone (saxophonähnliche Blasinstrumente), ein Tambourin de Basque, ein Donnerblech und eine Orgel. Die Sinfonie beginnt mit einem besinnlichen Adagio, das in ein rastloses Allegro vivace übergeht; melancholisch tiefe Blechbläserakkorde leiten die Reprise ein, die zu einer Coda führt, in der die Orgel einen kurzen Solo-Auftritt hat. Das kürzere, lyrisch dahin strömende Andante con moto leitet ins Finale über, das indirekten Bezug auf polnische Volkstraditionen nimmt. Bruchstücke des verschleierten Hauptthemas, der polnischen Nationalhymne, sind erkennbar, obwohl es anders als im Original nicht im Dreiertakt des Mazurka-Stils, sondern im Zweiertakt erklingt. Die Wirkung des Themas sollte letztlich für das polnische Publikum trostreich sein; es musste aber angesichts der andauernden nationalen Unterdrückung verschleiert sein. Die vorliegende Einspielung durch die Sinfonia Varsovia unter Jerzy Maksymiuk überzeugt durch eine differenzierte, die unterschiedlichen Stimmungen der Sinfonie ausdrucksvoll nachzeichnende Interpretation (POLSKIE RADIO SA).

 

Der polnische Komponist Roman Palester (1907-1989) erhielt ab dem siebenten Lebensjahr Klavierunterricht, ab 1919 in Krakau und Lemberg. Ab 1925 studierte er Philosophie an der Warschauer Universität und parallel am Konservatorium Komposition. 1930 debütierte er mit der Uraufführung seiner Muzyka symfoniczna in Warschau; nach einigen Wettbewerbspreisen komponierte er zahlreiche Film-, Schauspiel- und Rundfunkmusiken. Seit 1936 war er im Vorstand des polnischen Komponistenverbandes tätig. Nach dem 2.Weltkrieg hatte er eine Professur an der Musikhochschule Krakau inne. Als der Verband 1947 den sozialistischen Realismus in der Musik proklamierte, verließ Palester Polen und lebte zunächst in Paris und von 1952 bis 1972 in München, dann wieder in Paris. Während in Polen sein Name in den Medien nicht genannt werden durfte und der Komponistenverband seine Mitgliedschaft löschte, hatte Palester mit seinen Kompositionen internationale Erfolge. Seit Ende der 1970er Jahre wurde er rehabilitiert, indem der Komponistenverband seinen Ausschluss annullierte. Dennoch besuchte Palester Polen nur noch einmal 1983 zur Erstaufführung seines Hymnus pro gratiarum actione. Palester komponierte vor allem für das Konzertpodium, oft für kleinere Besetzungen bis hin zur Kammermusik. Bei ANAKLASIS sind unter dem zusammenfassenden Titel Concertinos erschienen, die zwischen 1938 und 1955 entstanden sind. Dabei handelt es sich um die Concertinos für Saxophon und Streicher (1938/47), Klavier und Orchester (1942) sowie für Cembalo und ein Kammerensemble (1955); schließlich enthält die CD die von Palester selbst als „Concertino“ bezeichnete Serenade für zwei Flöten und Streicher (1946), Alle diese leicht aufzunehmenden, neoklassischen Werke geben den Solisten gute Gelegenheit, ihre Virtuosität zu beweisen. So imponiert Alina Mleczko, erste Frau mit Diplom in der Saxophon-Klasse an der Warschauer Universität, mit gekonnter Beherrschung „ihres“ Instruments, was ebenso für die britische Pianistin Clare Hammond gilt. Das großartige Flötisten-Ehepaar Agata Kielar-Dlugocz und Lukasz Dlugosz gefällt in der Serenade, wie auch der polnische Cembalist Maciej Skrzeczkowski in „seinem“ Concerto.  Sicher beherrscht das polnische Jugendorchester Sinfonia Juventus unter Lukasz Borowicz den Orchesterpart und unterstützt damit zuverlässig die Solisten (ANAKLASIS ANA 003).

 

Mieczyslaw Weinberg/ Wikipedia

Der sowjetische Komponist polnisch-jüdischer Herkunft Mieczyslaw Weinberg (1919-1986) ist in den letzten Jahren vor allem durch seine KZ-Oper Die Passagierin erneut bekannt geworden. Sein umfangreiches Oeuvre umfasst sechs Opern, 20 Sinfonien, 17 Streichquartette, reichlich Kammermusik und vieles mehr. Eine bei WARNER CLASSICS erschienene CD enthält Kompositionen, die in den späten 1950er-Jahren entstanden sind, das Violinkonzert op. 67 und die 4. Sinfonie op. 61. Die Interpreten sind Ilya Gringolts und die Warschauer Philharmonie unter Jacek Kaspszyk.  In den aufgenommenen Werken wird der eigene, persönliche Kompositionsstil Weinbergs deutlich, mit dem er sich von seinem Mentor und Freund Schostakowitsch emanzipiert hat. Es gibt Anklänge an Spätromantisches, und gegenüber der von Schostakowitsch vielfach verwendeten Motorik kommt bei Weinberg die Melodik mehr zu ihrem Recht, wobei die Tonalität durchgehend erhalten bleibt. Der russische Geiger beherrscht die kontrastreichen Rhythmen und bleibt dabei feinfühlig für die vielen geradezu träumerischen Momente des viersätzigen Konzerts. Hier beim Violinkonzert und besonders mit der 4. Sinfonie zeigt die Warschauer Philharmonie ihr hohes Können in allen Instrumenten-Gruppen; ihr Chefdirigent sorgt  mit zupackendem Dirigat für eine rundum überzeugende Interpretation der kontrastreichen Musik (FILHARMONIA NARODOWA WARNER CLASSICS 08256 4 62248 3 8).  Gerhard Eckels

 

Folge 3 (Kammermusik für Violine und Klavier). Slawomir Tomasik und Edward Wolanin haben auf einer bei FFV Records erschienenen CD sämtliche Werke für Violine und Klavier von Józef Elsner (1769-1854) eingespielt.  Der polnische Dirigent und Komponist deutscher Herkunft erhielt zunächst in der Klosterschule der Dominikaner, danach im jesuitischen St.-Matthias-Gymnasium Breslau musikalischen Unterricht, was auch zu ersten Kompositionen führte. Ab 1788 studierte Elsner an der Breslauer Universität zunächst Theologie, später Medizin. Ein Jahr später begab er sich nach Wien mit der Absicht, sein Medizinstudium fortzusetzen, das er jedoch bald aufgab. Begeistert vom regen kulturellen Leben Wiens entschied er sich schließlich, zur Musik zurückzukehren. So nahm er im Herbst 1791 eine Stelle als Geiger im Theaterorchester von Brünn an, wo er sich auch als Dirigent versuchte. Im Frühling 1792 ging er als 2. Kapellmeister nach Lemberg, wo  zwei seiner auf deutsche Texte komponierte Opern uraufgeführt wurden. Nach sieben Jahren in Lemberg wurde Elsner musikalischer Direktor und Dirigent am Warschauer Nationaltheater, ein Amt, das er 25 Jahre lang ausübte. Während dieser Zeit brachte er zahlreiche eigene Opern auf die Bühne, oft mit Stoffen aus der polnischen Geschichte. Intensiv wirkte Elsner im Bereich der Musikausbildung, indem er in den Jahren 1821–31 von ihm selbst gegründete Musikschulen verschiedener Stufen leitete; dort bildete er viele polnische Komponisten aus, darunter auch Frédéric Chopin und Stanislaw Moniuszko.

Elsners umfangreiches Oeuvre umfasst 45 Opern, an die 190 geistliche Werke und Kantaten, eine Reihe von Solo- und Chorliedern sowie neben sinfonischer Musik auch Kammermusik.

Die vorliegende CD enthält mit den drei Violinsonaten op.10 und zwei Polonaisen alle Werke Elsners für Violine und Klavier, die sich erhalten haben; mindestens eine weitere Polonaise und ein Chaconne in G-Dur sind verschollen. Die freundlichen Stücke im nachklassischen Stil, in denen Elsner bereits vor seiner Warschauer Zeit mit den Sonaten-Formen seiner Zeit experimentierte, werden von den beiden ausgezeichneten Künstlern so klar und ausgesprochen transparent musiziert, dass das Zuhören und damit Kennenlernen dieser so selten zu erlebenden Werke einfach Spaß macht (FFV Records FFV 06).

 

Ignacy Jan Paderewski (1860-1941) hat nicht viel für Violine und Klavier geschrieben; das Wenige ist bei FFV Records erschienen. Es sind die a-Moll-Violinsonate op.13 und einzelne kleinere Stücke, die sämtlich in den Anfangsjahren während des Studiums oder kurz danach entstanden sind, im informativen Beiheft auf Polnisch und Englisch mit Ausnahme der Violinsonate als Salon-Miniaturen bezeichnet. Teilweise sind es Transkriptionen von reinen Klavierkompositionen, so die von Paderewski selbst bearbeitete, virtuose Cracovienne aus den Polnischen Tänzen op. 9 sowie – von anderen bearbeitet – Mélody op.16 und aus einer Liedsammlung das lautmalerische The Birch Rustles in the Grove op.7 (Das Birkenrauschen im Hain). In der Interpretation von Slawomir Tomasik und dem Pianisten Robert Morawski kommt in den Miniaturen ebenso wie in der dreisätzigen Sonate der spätromantische Stil Paderewskis, versetzt mit gefälligen Lyrismen, wirkungsvoll zur Geltung. Schließlich enthält die CD aus dem unvollendet gebliebenen Violinkonzert G-Dur noch das Allegro, das erst 1991 rekonstruiert und in diesem Jahr erstmals im Warschauer Nationalmuseum aufgeführt wurde. Auch damals war es Slawomir Tomasik, begleitet von Edward Wolanin,  der jetzt auf der CD den mit komplizierter Melodieführung und geigerischen Finessen versehenen Violinpart bravourös beherrscht (FFV Records FFV 07).

 

Im Bereich der Kammermusik hat Mieczyslaw Weinberg (1919-1996) Vieles komponiert, dabei fast 30 Sonaten für Violine und Klavier. Daneben gibt es für dieselbe Besetzung kleinere Werke, von denen das polnische Label RECART drei in den Jahren 1948 bis 1952 entstandene Stücke herausgebracht hat, das Concerto op.42, die Sonatina op. 46 und die Rhapsodie über moldawische Themen op.47 Nr.3. Die jungen Solisten sind die Geigerin Ewelina Nowicka und die Pianistin Milena Antoniewicz, die die lohnenden, sehr unterschiedlichen Werke mit spürbar engagierter Energie ausdeuten. Das dreisätzige Concerto, dessen Manuskript erst nach Weinbergs Tod entdeckt wurde, besticht durch gut aufnehmbare Melodien und Harmonien und versetzt die Zuhörer nach den klugen Ausführungen der Geigerin Ewelina Nowicka im Beiheft „in einen jüdischen Ort voller mystischer Atmosphäre…“ Die ebenfalls dreisätzige Sonata wurde 1955 von Leonid Kogan und Andrei Mitnik in Moskau uraufgeführt. Die Künstlerinnen der Aufnahme treffen die unterschiedlichen Stimmungen im lyrischen Andante, im geheimnisvollen Lento und dem überaus virtuosen Allegro moderato aufs Beste. Von der Rhapsodie gibt es drei Fassungen, zwei für Violine und Orchester, von denen die erste 1949 uraufgeführt wurde und die zweite verloren gegangen ist. Die dritte, hier gespielte Version, nun für Violine und Klavier, hat David Oistrach 1953 im Moskauer Konservatorium erstmals aufgeführt. Über seine in Moldawien (früher Bessarabien) geborene Mutter hat Weinberg moldawische Volksmusik kennen gelernt, aus der er einige Themen übernommen und in der Rhapsodie verarbeitet hat. Den durchweg mitreißenden Schwung des vielschichtigen Stücks geben die beiden Instrumentalistinnen eindrucksvoll wieder (RECART 0006).  Gerhard Eckels

 

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