Noch eine Bariton-Partie: Längst auf dem Weg in die Hölle wähnt der Zuschauer Macbeth, als dieser, die Hand auf die reichlich blutende Wunde gepresst, noch einmal auf die Bühne wankt und die Arie singt, die Verdi in seiner Bearbeitung der Oper zugunsten des Salve-Chors gestrichen hatte. Nichts umkommen lassen, was irgendwie singbar ist, will offensichtlich Plácido Domingo, plant auch bereits eine Aufnahme aller Bariton-Arien Verdis und kann es sich natürlich als Intendant der Oper von Los Angeles leisten, derartige dem Stück nicht dienliche Änderungen vorzunehmen.
Die Inszenierung von Darko Tresnjak ebensort ist eine sehr ordentliche mit einem Chor halb aus Hexen, halb aus Teufelinnen, geschwänzt und rotgeflügelt, die letztere auch eifrig die Wände hoch- und runterkletternd allgegenwärtig sind und so den Eindruck entstehen lassen, Macbeth und Lady könnten gar nicht anders handeln, als sie es boshaft und verwerflich tun. Die Bühne von Colin McGurk zeigt eine sich in einigen Details verändernde Säulenhalle mit einer Empore, von der herab die Hexen ihre Prophezeiungen verkünden. Die Kostüme von Suttirat Anne Larlarb sind historisch und geographisch festlegbar, für das unedle Paar sehr prächtig, die Erscheinungen zeigen sich mit riesigen Köpfen auf dünnen Beinchen eher lächerlich als bedrohlich. Eine hübsche Idee ist es, aus dem Vertriebenenchor ein kleines verstörtes Mädchen und sein Schicksal besonders hervorzuheben.
Man muss es Domingo hoch anrechnen, dass er sich nicht mit mittelmäßigen Kollegen umgibt, um etwa zu kaschieren, dass er selbst nicht mehr als ein mittelmäßiger Sänger im neuen, dem Baritonrepertoire, ist. Kein Zufall dürfte es allerdings sein, dass die Stimmen aller Solisten etwas oberhalb ihres Faches angesiedelt sind, das dem Tenorbariton (den gab es in der Musikgeschichte einmal) Domingo ein Bassbariton als Banquo und ein sehr hellstimmiger Tenor als Macduff zur Seite gestellt sind. Joshua Guerrero kräht die Arie des um sein Familienglück gebrachten Macduff mit unbedarfter Nicht-Verdi-Stimme, Ildebrando D’Arcangelo hat eine sehr schöne, geschmeidige, aber halt nicht abgrundtief schwarze Stimme für den Banquo.
Eigenartigerweise machen die beiden Highlights der Oper, die Wahnsinnsszene der Lady und Pietà, rispetto, amore keinen besonderen Eindruck, auch wenn das Publikum die Baritonarie begeistert feiert. Dazu ist die Phrasierung Domingos zu wenig generös, das Legato nicht ausgeprägt genug, tritt das Bewältigen zu sehr gegenüber dem Gestalten in den Vordergrund. Ekaterina Semenchuk ist eine vorzügliche Lady mit einer Stimme, wie sie sich Verdi gewünscht hatte, mit schneidender Höhe und dunkel verhangener, sehr präsenter Mittellage. Sie mogelt nicht bei den kleinen Notenwerten und gestaltet singend, wenn sie die Stimme bei der Wiederholung des Brindisi verändert, lässt außerdem der Dama keine Chance, sich im ersten Finale in den Vordergrund zu singen. Wahrscheinlich liegt es an der Regie, dass ihre Schlussszene verhältnismäßig unspektakulär ausfällt.
Der Chor unter Grant Gershon singt phantastisch die Hexen, weniger eindrucksvoll das Patria oppressa, wo man sich eine reichere Agogik gewünscht hätte, Dirigent James Conlon ist ein Kapellmeister, wie ihn eine Verdi-Oper braucht (Sony blu-ray 88985403589). Ingrid Wanja