Ist es eher schlimm oder erfreulich, dass so viele Menschen notwendig sind, um das Entstehen einer CD zu ermöglichen, wie die lange Liste derjenigen, denen Dank zu sagen ist, zu glauben nahe legt? Aber da auch der Name des unvergessenen Marcello Viotti darunter ist, kann man wohl eher davon ausgehen, es seien alle Förderer generell und nicht speziell die der Aufnahme aufgezählt. Sonst hätte man auch erwarten können, dass das Booklet etwas generöser ausfällt und den Text des recht unbekannten Il Tramonto von Ottorino Respighi dem ratlosen Hörer zur Verfügung stellt. So erfährt man lediglich, dass es sich um einen Stoff des englischen Poeten Shelley handelt, der das Schicksal eines sich innig liebenden Paares, das durch den Tod des Mannes voneinander getrennt wird, handelt. Der Track dauert immerhin eine gute Viertelstunde und lässt es lediglich zu, dass man aus dem Klang der Stimme entnimmt, was gerade geschieht.
Immerhin ist der Sopran von Maria Luigia Borsi einerseits von so hohem Wiedererkennungswert, wie man ihn kaum noch in der auch globalisierten Sängerwelt findet, und zugleich weiß sie jeder ihrer Figuren, selbst wenn sie im musikalischen Charakter recht eng beieinander liegen, soviel eigenständiges, unverwechselbares Profil zu verleihen, wie es ebenso selten ist. In dem zwischen Spätestromantik, Strauss und Debussy schlingernden Poem von großer auch orchestraler Wirkung bewegt sich die üppig timbrierte Stimme agogikreich und vor allem in einem die Stimmungen ausmalenden chiaro scuro. Sie öffnet sich in der Höhe sanft und verleiht dem Stück einen Hauch zärtlicher Melancholie.
Ähnlich umfangreich ist die Szene der Desdemona aus dem letzten Akt von Verdis Otello, in der sich Dirigent Yves Abel mit dem London Symphony Orchestra auch die Zeit für ein sensibel ausmusiziertes Vorspiel nimmt. Todestraurig erklingt das Rezitativ, von schöner Verhaltenheit ist die Canzone und angsterfüllt bereits das „buona notte“. Den Atem an hält der Hörer beim Übergang vom rituellen des Ave Maria zur Äußerung persönlicher Empfindung und staunt über den Variationsreichtum des „prega per me“.
Die meisten Tracks sind den Figuren Puccinis gewidmet, beginnend mit Butterflys „Un bel di vedremo“, für den die Mittellage angemessen präsent ist, das Piano sehr schön trägt, die Phrasierung sich empfindsam zeigt und nur ein klein bisschen la bambola anklingt. Eine ganz junge Mädchenstimme setzt die Sängerin für Liùs erste Arie ein, hält sie in einem schönen Schwebezustand des keuschen Tons, mit einem berührenden Crescendo am Schluss. Mimìs Arie aus dem dritten Akt der Bohéme weiß von viel dolcezza, kann in den Höhen schwelgen und singt ein zartes „senza rancor“. Wie hinter einem Schleier von Traurigkeit gedenkt Suor Angelica des bimbo senza mamma, zunächst scheint ihr Gesang ein Wiegenlied zu sein, die Arie verbindet dramatische Schmerzensäußerung mit fast schon überirdischer Zartheit. Aus La Rondine kommt Magda mit dem Sogno di Doretta zu Wort, klingt für die erfahrene Dame etwas zu unschuldig, weiß aber durch das zarte Gespinst hoher Töne zu erfreuen. Nicht fehlen darf die Zugaben-Arie aus Gianni Schicchi , die sehr ernst genommen wird, so dass man den Schelm, der hinter der Todesdrohung steht, etwas vermisst. Zuvor noch hatte sich La Wally voller Resignation aus der Heimat verabschiedet (Naxos 8.573412).
Ingrid Wanja