Festspiel-Erinnerungen von 2014

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Manchmal ist es ohne Bühne auch ganz schön. So bei den konzertanten Mozart-Aufführungen, welche die DG jeden Sommer im Festspielhaus Baden-Baden mitschneidet. Im Vorjahr gab’s Die Entführung aus dem SerailDas Beste aus drei Konzerten liegt nun auf CD vor (DG 00289 479 4064). Und man ist auch nicht richtig glücklich. Im Konzerts klang es schöner – oder einfach anders. Yannick Nézet-Séguin, um den sich – außer um Villazón – alles dreht, dirigiert das Singspiel auf altmodisch spritzige Weise, mit zügigen Tempi, gleich in der Ouvertüre spontan mitreißend, ebenso im Marsch Nr. 5a, er spielt die instrumentalen Soli und die Janitschareneinsprengsel delikat aus. Das Chamber Orchestra of Europe und das Vocalensemble Rastatt ziehen tüchtig mit. Diana Damrau dürfte die derzeit beste Konstanze sein, erinnert ein wenig an Gruberova, klang aber, wenn die Erinnerung nicht täuscht, im Konzert voller und runder, weniger stählern. Franz-Josef Selig hat den nötigen Stimmumfang für den Osmin, dessen Intervalle er gut meistert, er bleibt dabei seriös und zurückhalten, etwas leichtgewichtig, nicht prall und rund, wie man sich das wünscht. Anna Prohaska und Paul Schweinester runden das Ensemble ab, sie eine Edelsoubrette mit einem einfarbigen Sopran für die Blonde, er auch etwas neutral als Pedrillo, doch tapfer und stilsicher in „Frisch zum Kampfe“. Beide gehen in den Sprechpassagen, die beispielsweise Thomas Quasthoff als Bassa Selim genüsslich zelebriert, etwas unter. Der Schwachpunkt ist Rolando Villazón, der als Belmonte vieles sehr schön macht, mit geschmeidigem Legato und guten Bögen singt, beispielsweise „O wie ängstlich, o wie feurig“, in den Koloraturen aber häufig ungenau ist und nicht nur in den Sprechtexten ein Fremdkörper bleibt, weil er sehr pauschal und allgemein singt und sein lacrymoser Ton immer wieder fingiert und faserig wirkt, als würde er gleich wegkippen.

 

don giovanni mozart unitelHotellobbys sind besondere Orte. Wer liebt nicht das elegante Flair und die aufgeladene Atmosphäre eines Ersten Hauses. Das erste Haus am Platz ist das Hotel des Commendatore nicht. Für Sven-Eric Bechtolfs Salzburger Don Giovanni (Unitel Classics 2072734) hat Rolf Glittenberg 2014 ein 20er-Jahre-Interieur mit Art-Deco-Anmutung geschaffen, mit einer viel zu engen Mitteltreppe, die sich wenig elegant  nach recht und links zur oberen Etage zweigt, vorn einer Bar, von der alle kräftig Gebrauch machen, links einer Sitzgruppe. Obwohl in den drei Stunden viel passiert, ist es ein mäßig interessanter Ort, dessen einzige Attraktion der gut aussehende Typ im Schlangenledermantel und schwarzem Anzug mit Weste – doch im Gegensatz zum bäuerlichen Masetto – immer unkonventionell ohne Hemd ist, der mit schwarzer Kriegsbemalung auf die Pirsch geht. Mit bebenden Nasenlüstern tänzelt er wie ein Model, gefällt sich in der Verkleidung als Conferencier mit Zylinder oder holt seinen roten Anzug vom Zimmer: der Latin Lover par excellence, der Zerlina im Tanz zu ihrem Glück verhelfen will. Die Frauen im Hotel sind ihm verfallen. Donna Anna führt ihm sozusagen das Messer, mit dem ihr Vater getötet wird, weshalb sie vor der in der Mitte des Foyers auf einem Sockel aufgestellten Totenmaske bei „Crudele… Non mi dir“ unter um so stärkeren Schuldkomplexen leidet, nicht jedoch gegenüber ihrem Verlobten Don Ottavio, dem sie das corpus delicti, das rote Unterkleid, in dem sie Don Giovanni bekommen hatte, achtlos entgegenschleudert. Vieles ist vorhersehbar, wenngleich Bechtolf im Detail behutsam und vorsichtig gearbeitet hat, die slapstickhafte Verbundenheit von Don Giovanni und Leporello klar legt, der mit seiner Brille und dem treuherzigen Blick an Buster Keaton erinnert, alle Taten seines Herren getreulich fotografiert und sie dann in einem dicken Fotoalbum Elvira präsentiert, der es daraufhin übel wird – unklar ob wegen des vielen Alkohols oder vor Ekel. Das Problem ist auch nicht der Einheitstraum, der Friedhof und Hochzeitsfest unterbringen muss, denn das lässt sich, wie im gesamten zweiten Akt mit Verkleidung und Rollentausch, mit gedimmtem Licht, bei dem man sich um das ganze Ringsum nicht kümmern muss, problemlos bewerkstelligen. Das Problem ist die fehlende Linie und Aussage, wobei es nicht hilft, dass der Komtur schon zum Finale des ersten Aktes und während des Ständchens zugegen ist und zur Hollenfahrt mit einer Heerschar von Teufeln auftaucht,  Don Giovanni nicht zur Hölle fährt, sondern sich nach der Schlussmoral gleich dem nächsten Zimmermädchen an die Fersen heftet.

In der letzten Begegnung mit dem Commendatore entlädt sich auch Christoph Eschenbachs romantisch glutvolle, drängende und kraftvolle Sicht, die ansonsten relativ konventionell bleibt. Tomasz Konieczny, dessen Bass, nicht balsamisch genug für den Komtur ist, gestaltete diese letzte Begegnung mit der hier richtigen, wuchtig dröhnenden Grabesstimme, wobei er auf Ildebrando D‘ Arcangelos attraktiven Don Giovanni trifft, der hier aus dem Vollen schöpft, großstimmig, laut und drängend singt, während man zuvor doch Farben und Nuancen vermisste und von der gesanglichen Leistung des smarten Verführers wenig enflammiert war. Luca Pisaroni ist ein schelmischer, verschmitzter Leporello, ein Intellektuellentyp (macht’s die Brille?), von dem man nicht weiß, was man von ihm halten soll. Pisaroni singt das sehr gut, wie immer, fast ein bisschen zu schlank und nobel; vielleicht wäre er mal ein guter Don Giovanni. Auffallend Alessio Arduni, mit dem Zerlina eine jüngere Ausgabe des Don Giovanni als Masetto zum Altar führt und der das italienische Männer-Trio auf auffallende Weise komplett macht, ein kraftvoll saftiger, dunkler, wunderbar artikulierender Bariton, sicherlich bald der kommende Leporello und Figaro. Mit der reizenden Valentina Nafornita, die ihren Masetto bei „Vedrai, carino“ verführt, indem sie die Hüllen fallen lässt, was er ihr sofort gleichtut, gelingt Bechtolf eine erotisch knisternde Szene. Elvira, die schon zu Giovannis Mahl in Klostertracht erscheint, wird von Anett Fritsch mit auffahrend sehniger Leidenschaft gesungen, Lenneke Ruiten tut sich als Anna schwerer, und Andrew Staples, dem man leider die Perücke so faltenreich aufgeklebt hat, singt den Ottavio stilistisch gut, doch mit ungefälligem Timbre. Rolf Fath