Entdeckungen

 

„Angenehme Melodei“ nennt sich eine neue CD bei der dhm, die mit den beiden Huldigungskantaten BWV 216a und 210a unbekannte Werke des Barockmeisters vorstellt (dhm 88985410522). In dieser Ersteinspielung musiziert die Deutsche Hofmusik unter der Leitung von Alexander Grychtolik, der den Versuch unternommen hat, die zwischen 1730 und 40 entstandenen Werke zu rekonstruieren (wie zuvor schon weitere verlorene Schöpfungen Bachs). Die beiden Kompositionen sind von heiterer Natur, beschwingtem Rhythmus und filigranem Gefüge. Entsprechend leichtfüßig und transparent werden sie vom Ensemble wiedergegeben. Die Kantate 216a, „Erwählte Pleißenstadt“, ist eine Huldigung an die Stadt Leipzig und deren reiche Kaufleute als ein Dialog zwischen den beiden Göttern Apoll und Merkur. Ersterer als Gott des Lichts und der Künste steht für den Glanz der Metropole, sein Bruder, der Götterbote, ist Schutzherr der Kaufleute der wirtschaftlich prosperierenden Handelsstadt. Die ausgedehnte Solokantate „Angenehme Melodei preist die göttliche Musik, welche mit Hilfe von Förderern ihre wundersame Wirkung entfalten kann. Die Komposition ist die Parodiefassung der bekannten Hochzeitskantate „O holder Tag, erwünschte Zeit“ (BWV 210), die wahrscheinlich anlässlich eines Besuches des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels am 12. Januar 1729 in Leipzig entstand.

Unterschiedlichen Eindruck hinterlassen die drei Solisten – die Sopranistin Katja Stuber, der Altus Franz Vitzhum und der Tenor Daniel Johannsen. Die beiden Herren bestreiten mit je einer Arie und zwei Duetten die sieben Sätze von BWV 216a. Die Stimmen mischen sich perfekt; die Interpreten singen flexibel mit leicht getippten Koloraturen und gerundet. Parodievorlage der Kantate ist die Hochzeitskantate „Vergnügte Pleißenstadt“ (BWV 216), aus der die Tenorarie „Angenehmes Pleiß-Athen“ stammt. Johannsen singt sie kultiviert und mit weicher Klanggebung. Der Altus findet für „Mit Lachen und Scherzen“ einen vergnügten Tonfall und behenden Fluss der Koloraturen. In „Heil und Segen“, das aus „Der zufriedene Aeolus stammt, vereinen sich die beiden Stimmen noch einmal zu einer  Huldigung an die Pleißenstadt.

Ganz der Sopranistin vorbehalten ist BWV 210a mit fast 30 Minuten Dauer. Der spitze, bohrende Ton von Katja Stuber ist gewöhnungsbedürftig, wird im Laufe des Vortrages gar quälend. Die langen Koloraturgirlanden bewältigt sie mit hörbarer Mühe und auch in den getragenen Teilen (wie der Arie „Ruhet hie, matte Sinne“) ist das Hören wegen des larmoyanten Klanges der Solistin nicht angenehmer. Auch die beiden letzten Soli, die sich ausdrücklich an die Gönner Leipzigs wenden, können in Stubers Interpretation den Titel der Komposition „Angenehme Melodei“ nicht einlösen. Bernd Hoppe