Cabaletta wie bei der Uraufführung

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Eine neue CD des österreichischen Baritons Rafael Fingerlos verheißt immer etwas Besonderes, etwas, was so nur er zu bieten hat. Mal war es der in Vergessenheit geratene Komponist Robert Fürstenthal, der 1920 in Wien geboren wurde, vor den Nationalsozialisten fliehen musste und sich in den USA als Wirtschafsprüfer durchschlug. („Stille und Nacht“, Oehms). Dann wieder überraschte er mit einem Lied von Alma Mahler auf seiner CD „Fremde Heimat“, die ebenfalls bei Oehms erschien. Eine ganze CD widmete er dem Liedschaffen von Max Bruch (cpo). In Booklets gibt er freimütig Einblicke in seine Gefühls- und Erlebniswelt, weil er seine Interpretationen mit eigenen Erfahrungen anreichern möchte. Schließlich überraschte das Publikum auch schon mal mit einem Vortrag in der Mundart seiner Heimat. Die jüngste Neuerscheinung bietet unter dem Titel „Mozart Made in Salzburg ausschließlich Kompositionen des berühmtesten Sohnes dieser Stadt. Sie ist bei Solo Musica erschienen (SM 377). Das Mozarteumorchester Salzburg wird von Leopold Hager geleitet.

Es empfiehlt sich, die originale Schutzfolie nicht vorschnell zu entfernen, damit der runde Aufkleber nicht verloren geht. Sein Text: „Weltersteinspielung der gesamten Wiener Fassung von 1789, Vedrò, mentrete io sodpirto‘.“ Die Cabaletta „Ah no, lasciarti in pace“ dieser Arie des Grafen aus dem dritten Akt von Le nozze di Figaro trägt Fingerlos in der Fassung vor, die Mozart für den Sänger der Wiener Uraufführung, Stefano Mandini, komponierte. Wie Fingerlos in seinem wieder sehr individuell gehaltenen Booklet-Text vermerkt, habe er „mit der so selten aufgeführten und extrem mozartisch-wagehalsigen und vierzehn hohe Gs umfassenden Cabaletta“ sogar einen lebenslangen Mozart-Kenner wie Hager überraschen können. Plötzlich kämen einem die fünf hohen Gs aus Rossinis Barbier-Auftrittsarie „Largo al factotum“ wie „ein Spaziergang vor“. Recht hat er. Doch auf mich als Hörer stellte sich diese Herausforderung als reinstes Vergnügen dar – weil sie leicht und ohne hörbare stimmliche Anstrengung gelingt. Als müsste es so und nicht anders sein. Leopold Hager riet den Sänger, auch Leporello und Figaro zu singen: „Das passt zu Ihnen als Typ – und als Conte, Guglielmo oder Giovanni kennt man Sie und ihre Stimme ohnehin von der Bühne“, wird er im Booklet zitiert. Und so sind denn auch die so genannte Registerarie – von Fingerlos regerecht aus dem Ärmel geschüttelt – sowie mit „Se vuol ballare Signor Contino“ und „Non più andrai, farfallone amoroso“ gleich zwei Figaro-Arien im Angebot. Es wäre hilfreich gewesen, in den Tracklisten auch die Rollenzuweisungen vorzunehmen. Wer die italienischen Texte und die Musik nicht genau im Kopf hat tappt etwas im Dunkeln.

Die Programmfolge der CD ist äußerst abwechslungsreich und wird zwischen den Arien mit Liedern wie Warnung und An Chloe aufgelockert. Mit knapp siebzig Minuten ist die Kapazität nicht voll ausgereizt, was aber nicht ins Gewicht fällt. Es gibt zudem Arien aus dem bereits erwähnten Cosi und aus der Zauberflöte die beiden Papageno-Glanznummern „Der Vogelfänger bin ich ja“ und „Ein Mädchen oder Weibchen“. Beglückende Trouvaillen seien für ihn als Sänger die so selten aufgeführte Arie des Allazim aus Zaide „Nur mutig mein Herz“ oder die charmante kleine Konzertarie „Un bacio di mano“ gewesen, die für Fingerlos „das ehrliche Gegenstück“ zur Giovanni-Cavatine „Deh vieni alla finestra“ darstelle, die auf der CD ebenfalls zu hören ist. Und die Zaide-Nummer? Die habe ihn in Form und Koloratur-Virtuosität fast an die Konstanze-Arie aus der Entführung aus dem Serail oder an Händelsche Bravourwerke erinnert. Genau hingehört, scheint dieser Vergleich nicht übertrieben. Das letzte Wort soll Rafael Fingerlos haben. Es handelt sich im das Postskriptum seines Booklet-Textes: „Wenn ich ein Problem habe und dann Mozart höre, denke ich mir oft: Es ist alles halb so schlimm. Vielleicht – oder hoffentlich – ergeht es Ihnen ähnlich!“ Rüdiger Winter

  1. Carlos Solare

    „Weltersteinspielung“ liest sich zwar immer gut auf CD -Covers, aber diese hohe Version der Almaviva-Arie hat bereits Fi-Di anno 1971 eingespielt. Sie befindet sich auch im Anhang der von Arnold Östman 1987 dirigierten Gesamtaufnahme von „Le nozze di Figaro“, die ebenfalls andere Arien enthält, die Mozart für die Wiener Aufführungsserie von 1789 nachkomponierte – das war übrigens nicht die Uraufführung, die hatte drei Jahre früher stattgefunden. Ob sich sich des Rätsels Lösung hinter der Formulierung „der gesamten … Fassung“ versteckt?

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