Josephine Veasey

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Zu meinem großen Bedauern hörte ich vom Tod der bedeutenden britischen Mezzosopranistin Josephine Veasey im Alter von 91 am 22. Februar (2022), eine meiner Lieblingsstimmen und eine der wichtigsten britischen Nachkriegssängerinnen. Allein schon ihre Mitwirkung am Berlioz-Projekt von Colin Davis bei Philips und an Covent Garden in den Sechzigern/Siebzigern, wo sie jahrzehntelang in allen wichtigen Rollen ihres Fachs auftrat (so Suzuki neben Sena Jurinacs Butterfly), sichert ihr einen festen Platz in der Geschichte der Aufführungen Berlioz´ (unvergessen auch ihre Béatrice ebendort). Ihre noble Erscheinung, ihr wunderbarer, ausgeglichener Gesang, ihre wirklich bedeutende Gesangstechnik lassen sie für mich unvergesslich sein. Ich hatte das große Glück sie neben wenigen Auftritten in West-Berlin ab 1968 (und in Folge 1972 und 1976) als Didon in London zu erleben, dann in 1980 in Buxton als Königin Gertrude im dortigen Hamlet von Thomas, an der Seite ihrer ebenso beeindruckenden Kollegen Thomas Allen und der bezaubernden Sopranistin Christine Barbaux, ein Abend, der mir bis heute unvergesslich ist. Josephine Veasey war auch eine bedeutende Fricka bei Herbert von Karajan in dessen Salzburger Ring 1967 pp, eine nachhaltige Adalgisa in der Norma von Orange neben Caballé und Vickers (1974, man erinnert sich an das fliegende Gewand der Caballé im spannenden Video). Sie war eine flexible Sängerin und war alternierend Cassandra und Didon von Berlioz eben an Covent Garden. Wie alle Mezzos ihrer Zeit stand sie dort im Schatten von Janet Baker (wie Helen Watts einmal etwas bitter bemerkte), und die letzten Jahre an Covent Garden waren sicher keine leichten. Sie zog sich auf das Unterrichten zurück und machte sich einen Namen als bedeutende Lehrerin, wie mir ihre Kollegin und Schülerin Ann Evans berichtete. In Erinnerung bleibt mir eben diese ausgeglichene, pastos timbrierte, noble Stimme, ein wenig an Yvonne Minton erinnernd und vielleicht das eleganteste, was England an Mezzos hervorgebracht hat. Mich hat sie seit dem ersten Hören durch mein Leben begleitet (Foto Isoldes Liebestod). G. H.

 

Nachstehend ein Auszug aus dem unersetzlichen Kompendium  „Großes Sänmgerlexikon“ von Kutsch-Riermens:  Veasey, Josephine, Mezzosopran, * 10.7.1930 Peckham (Sussex); ihre Stimme wurde durch Audrey Langford in London ausgebildet. Sie kam dann an die Covent Garden Oper London, wo sie zunächst 1948-50 im Chor und kleinere Partien sang. 1950-51 war sie bei der Opera for All tätig. 1954 hatte sie an der Covent Garden Oper einen sensationellen Erfolg als Cherubino in »Figaros Hochzeit«. Sie gehörte seitdem zu den prominentesten Sängerinnen der Covent Garden Oper, an der sie bis 1982 60 Partien in 780 Vorstellungen vortrug; zu ihren Glanzrollen zählten die Carmen, der Octavian im »Rosenkavalier«, die Amneris in »Aida«, die Azucena im »Troubadour«, die Brangäne im »Tristan« und die Alt-und Mezzosopran-Partien im Ring-Zyklus von R. Wagner. Bei den Festspielen von Glyndebourne erschien sie erstmals 1957 als Zulma in Rossinis »Italiana in Algeri«, 1958-59 als Cherubino, 1964 als Clarice in Rossinis »Pietra del Paragone«, 1965 als Octavian im Rosenkavalier, 1969 als Charlotte im »Werther« ebenso erfolgreich trat sie auch beim Edinburgh Festival auf. Bei Gastspielen an der Staatsoper von Wien, an der Oper von Köln und bei den Osterfestspielen von Salzburg (Fricka unter Herbert von Karajan) hatte sie wichtige internationale Erfolge. 1971-72 gastierte sie an der Hamburger Staatsoper, 1971 an der DeutschenOper Berlin. An der Mailänder Scala sang sie Wagner-Partien, an der Grand Opéra Paris die Dido in »Les Troyens« von Berlioz, 1973 die Kundry im »Parsifal«. 1968 kam es zu ihrem Debüt an der Metropolitan Oper New York (Fricka im Nibelungenring unter H. von Karajan). Auch in Nordamerika hatte sie eine bedeutende Karriere, 1975 gastierte sie an der Oper von Dallas als Brangäne. 1976 wirkte sie an der Covent Garden Oper in der Uraufführung von H.W. Henzes »We come to the River« mit. 1982 sang sie als Abschiedspartie an der Covent Garden Oper die Herodias in »Salome«. Sie wurde dann Gesangsmeisterin an der English National Opera London, seit 1983 wirkte sie an der Royal Academy of Music London als Pädagogin. Zu ihren Schülern gehörten Sänger wie Sally Burgess, Phyllis Cannon, Vivian Thierney, Mary Hegaty, Helen Field, Felicity Palmer, Ethna Robinson, Anthony Mee und Peter Sidham. Neben ihrem Wirken auf der Bühne war sie eine geschätzte Konzert- und Oratoriensängerin. 1970 wurde sie zum Commander of the British Empire ernannt.

Schallplatten auf Philips (Dido in »Les Troyens« von Berlioz, »La dammation de Faust« von dem gleichen Meister, »Dido and Aeneas« von Purcell), auf Decca (Agnese in »Beatrice di Tenda« von Bellini, »A Midsummer Night’s Dream« von Benjamin Britten, Geneviève in »Pelléas et Mélisande« von Debussy, »Salome« von Richard Strauss), MRF (»Pénélope« von Fauré, »Hamlet« von A. Thomas) und auf DGG (Alt- Partien im Ring-Zyklus aus Salzburg, Verdi-Requiem).

[Nachtrag] Veasey, Josephine; aus den vielen Partien, die sie an der Covent Garden Oper London übernahm, sind noch die Rosina im »Barbier von Sevilla«, die Marina im »Boris Godunow«, die Magdalene in den »Meistersingern«, die Emilia in Verdis »Othello«, die Cassandre wie die Didon in »Les Troyens« von Berlioz und die Eboli in Verdis »Don Carlos« hervorzuheben. 1980 gastierte sie an der Oper von Boston als Königin im »Hamlet« von A. Thomas, an der San Francisco Opera bereits 1974 als Eboli. – Lit: A. Blyth: Josephine Veasey (in »Opera«, 1969).

[Lexikon: Veasey, Josephine. Kutsch/Riemens: Sängerlexikon, S. 24903 (vgl. Sängerlex. Bd. 5, S. 3578; Sängerlex. Bd. 6, S. 634) (c) Verlag K.G. Saur] Foto: Josephine Veasey als Didon in Les Troyens/ Berlioz/ Foto Philips/Covent Garden