Rosanna Carteri

 

Kaum eine Opernsängrin der italienischen Nachkriegsepoche erschien  reizvoller und attraktiver als Roisanna Carteri. Filme und Viele optische Dokumente halten ihren Charme und ihre bezaubernde Präsenz fest, die von Zeitgenossen immer wieder gerühmt und in der Presse hervorgehoben wurde. Ihre Violetta (auch als Film zu sehen) betört mit Anmutigkeit und Stil, von der bestsitzenden, enorm gut fokussierten, wenngleich nicht sehr großen Sopranstimme einer gewissen Silbrigkeit ganz zu schweigen. Es war diese gutsitzende Stimme, die ihr eine Reichweite an Rollen ermöglichte, die man auf den ersten Blick nicht erwartet hätte, sogar eine Desdemona war möglich und bezaubert einmal mehr. Darin ist ihrer zeitgleichen Kollegin Margherita Rinaldi sehr ähnlich. Beide hatten dieses italienische Geheimnis einer „ben´appoggiata“ und eben sicheren Sopranstimme großer Möglichkeiten. Ich habe Rosanna Carteri stets bewundert (auch einmal bei Sänger-Freunden in Rom erlebt, bezaubernd!) und schließe mich dem nachstehenden Nachruf von Ingrid Wanja an. Eine bedeutende Persönlichkeit hat die italienische Gesangsszene verlassen. G. H.

 

Im Alter von fast 90 Jahren verstarb am 25. Oktober 2020 an ihrem Alterssitz in Monte Carlo der italienische Sopran Rosanna Carteri, berühmt nicht nur wegen ihrer schönen lyrischen Stimme, ihres blendenden Aussehens, ihres frühen Karrierebeginns mit achtzehn Jahren, sondern auch wegen ihres frühen Karriereendes mit nur 36 Jahren. Darüber ist viel gerätselt worden, in Renzo Allegris Buch Il Prezzo del Successo erläutert die Carteri, welchen Preis sie für ihre rasante Karriere zahlte: eine Fehlgeburt, nachdem sie bereits eine Tochter zur Welt gebracht hatte. Damals hatte sie sich geschworen, ihre Karriere zu beenden, wenn sie noch einmal schwanger werden würde. An dieses Versprechen hat sie sich gehalten, kündigte alle Verträge, bezahlte alle Konventionalstrafen, als sie erste Zeichen einer erneuten Schwangerschaft bemerkte, und blieb auch nach der Geburt ihres Sohnes zu Hause. Nur für drei Vorstellungen trat sie ein Jahr später noch einmal auf, fünf Jahre später gab es noch einige Wohltätigkeitsveranstaltungen mit ihr. Danach widmete sie sich ganz ihrem Familienleben, nachdem sie, umworben von vielen ihrer Kollegen, bewusst einen theaterfremden Unternehmer, einen Fleischgroßhändler, geheiratet hatte.

Dabei hatte die Familie, in der sie groß wurde, besonders die Mutter, von der Geburt des Kindes Rosanna an darauf hingearbeitet, dass sie einmal Sängerin werden sollte, auch weil die Mutter zwar in Gesang ausgebildet worden war, sich aber nie als Künstlerin verwirklichen konnte. Bereits die Dreijährige wurde für eine Aida in die Arena von Verona, ihr Geburtsort, geschleppt, die Fünfzehnjährige gab ihr erstes Konzert an der Seite von Aureliano Pertile, der sie als „ l’aurora“, während er „il tramonto“ sei, ankündigte. 1948, mit achtzehn Jahren, gewann Rosanna Carteri den Concorso der RAI, die sich damals noch viel um Opern und ihre Sänger kümmerte, mit der Elsa aus Lohengrin debütierte sie in Rom in den Thermen des Caracalla, um Renata Tebaldi Proben in Verona zu ermöglichen. Diese war neben Maria Callas der absolute Sopranstar der Fünfziger und Sechziger, blieb freundlich gegenüber der aufstrebenden jungen Rosanna, während die Callas desto kratzbündiger ihr gegenüber wurde, je mehr ihr Stern am Opernhimmel zu glänzen begann.

Wichtige Etappen in der Karriere von Rosanna Carteri waren ihr Scala-Debüt 1951 mit Piccinnis La buona figliola, ein Jahr später sang sie ihre erste  Desdemona in Salzburg unter Wilhelm Furtwängler. Es folgte beim Maggio Musicale Fiorentino die erste europäische Natascha in „Krieg und Frieden, 1954 ihr USA-Debüt, 1958 und 59 die Liù in der Arena di Verona. 1960 sang sie an Covent Garden gemeinsam mit Jussi Björling in La Bohéme.

Rosanna Carteri war auch eine angesehene Konzertsängerin, sang in Rom unter Bruno Walter im Brahms-Requiem. Auch für Uraufführungen war sie sich nicht zu schade. Sie setzte sich für Pizzettis Ifigenia ein, für Werke von Castro, Mannino, Rossellini, Castelnuovo-Tedesco und 1962 in Paris für Gilbert Bécauds L‘opéra

Nicht nur Furtwängler, sondern auch Toscanini spielte eine Rolle in der Karriere von Rosanna Carteri. Er ermutigte sie dazu, sich nicht von Querelen mit der Claque an der Scala einschüchtern zu lassen, die sich wegen Zwistigkeiten mit ihren Partnern Leonard Warren und  Giuseppe di Stefano recht unfein, so mit dem Werfen von Tomaten, bemerkbar machte.

Die brillanten Erfolge auf der Bühne konnten jedoch nichts an ihrem Entschluss ändern, für die Familie auf die Karriere zu verzichten. Sie war eine der wenigen Sägerinnen, die nicht meinten, sie hätten ihre Karriere für die Familie geopfert, sondern die sagte:” “Mi ero sacrificata per la musica”. Die Familie hingegen war ihre wahre Berufung. Ingrid Wanja

 

  1. Ekkehard Pluta

    Ein sehr würdiger und gut informierter Nachruf.
    Wer die Sängerin, die trotz ihrer kurzen Karriere eine stattliche Diskographie hinterlassen hat, auch als singende Schauspielerin erleben will, kann im Netz fündig werden. Vier komplette Fernsehproduktionen und ein Live-Mitschnitt aus Neapel sind mir bekannt.
    Neben der von G.H. erwähnten „Traviata“ (mit Nicola Filacuridi und Carlo Tagliabue) sind das ein „Otello“ (mit del Monaco und Renato Capecchi) und ein „Falstaff“ (mit Giuseppe Taddei und Anna Moffo), den es auch als DVD gibt. Wenig bekannt dürfte „Le nozze di Figaro“ sein (in Herbert Grafs Inszenierung spielen Marcella Pobbe, Heinz Rehfuß, Nicola Rossi-Lemeni und der junge Luigi Alva als Basilio, mit Arie).
    Sehr empfehlenswert ist auch „La Rondine“ aus Neapel, wo Gino Sinimberghi als Prunier der Diva ihre Arie in unvergleichlicher Weise „zuspielt“. Diese kleine Szene muß man gesehen haben!

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