Gottlob Frick

Auf einer Jugendreise geriert ich in Berlin mehr zufällig in eine Aufführung der Götterdämmerung in der Staatsoper Unter den Linden. Den Hagen sang Gottlob Frick. Seine Hoiho-Rufe zu Beginn der Mannen-Szene ließen den großen Saal regelrecht erbeben. So etwas hatte ich bis dahin noch nie gehört in meinem Leben und würde es nie mehr vergessen. Der Name des Sängers aber sagte mir damals nichts, obwohl ich schon für Wagner entflammt war. Das sollte sich bald ändern. Ich sammelte seine Platten, wurde diese Stimme nicht mehr los. Egal in welcher Rolle. Und deren gibt es viele. Seine unverwechselbare Stimme, die aus hundert anderen auf Anhieb herauszuhören ist, wurde für mich zu einem Inbegriff dafür, was Sänger ausdrücken können. Frick ist mir nie über geworden. Den Hagen höre ich immer noch am liebsten von ihm – ob im Studio im gerühmten Ring des Nibelungen unter Solti bei Decca oder live in Bayreuth: Gänsehaut immer noch garantiert. Vor zwanzig Jahren ist er gestorben. Sein künstlerisches Erbe wird von der Gottlob-Frick-Gesellschaft in Ölbronn bewahrt, wo es auch eine Gedenkstätte gibt. Deren Präsident Hans A. Hey erinnert für Operalounge.de an den Sänger. Rüdiger Winter

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Gottlob Frick als König Philipp in Verdis „Don Carlos“ / Foto: GFG

„Das Timbre der Stimme von Gottlob Frick einmal gehört, verliert man nicht aus dem Ohr“: Mit dieser Aussage in seinem Standardwerk „Die großen Sänger“ trifft der deutsche Doyen der Gesangsexperten, Jürgen Kesting den Nagel auf den Kopf. Gottlob Frick, dessen Todestag sich am 18. August 2014 zum 20. Mal jährt, gilt als Inkarnation des schwarzen Basses. Er ist der deutsche Universalbassist, der durch die Vielzahl seiner hinterlassenen Tondokumente und die Unverwechselbarkeit seiner volltönenden, mit außergewöhnlicher Schönheit und fließendem Melos des Gesanges strömenden Stimme bis heute eine Popularität genießt, wie sie wahrscheinlich von keinem anderen deutschen Bassisten erreicht wird. Der international renommierte Kritiker John B. Steane begründete die Aufnahme von Gottlob Frick in seine Liste der 100 bedeutendsten Sänger in „The Great Tradition“ unter anderem mit folgender Charakterisierung: „Was den Wagnerischen basso profondo betrifft, so konnte die neuere Zeit – gemeint sind die 40er – 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts – nur auf einen Namen setzen – Gottlob Frick ein Turm der Stärke im stärksten Ensemble und einer der größten Bassisten überhaupt. Seine Stimme ist trotz des machtvollen Volumens stetig, geschmeidig und schön. Fricks zweieinhalb Oktaven-Bass ist bewundernswert durchgebildet und bleibt in seinem ganzen Umfang voll präzise. Sein Gefühl für Rhythmus ist stark und er kann sowohl Legato als auch Staccato vorbildlich singen, ohne seine Zuhörer um den satten Stimmklang zu betrügen.“

Frick als Boris

In einem Opernquerschnitt als Boris Godunow in der gleichnamigen Oper von Mussorgsky

Gottlob Frick wurde 1906 in Ölbronn als 13. und jüngstes Kind einer Försterfamilie geboren. Sein Gesangstalent entdeckten Kenner beim Singen nach einer Treibjagd. Bereits beim Vorsingen wurde er an die Staatsoper Stuttgart engagiert. 1934 erhielt er den ersten Solistenvertrag in Coburg. Es folgten Engagements in Freiburg und Königsberg. Dort hörte ihn Karl Böhm und verpflichtete ihn an die Dresdner Staatsoper. Über 10 Jahre gehörte Frick dem ruhmreichen Ensemble der Semper-Oper an. 1950 wechselte er an die Deutsche Oper Berlin. Von dort aus begann die glanzvolle nationale und internationale Karriere des Bassisten, die ihn an alle bedeutenden Opernhäuser und Festspielplätze der Welt führte. Allein an der Wiener Staatsoper sang er rund 500 Vorstellungen. In seiner 58 Jahre langen Sängerlaufbahn hat er nahezu all die Könige, die Priester, die Geister, die Finsterlinge des Bassfaches eindrucksvoll verkörpert. Durch den ihm angeborenen Mutterwitz war er auch ein Meister des Heiter-Komischen. Er sang und spielte die heiteren Bühnengestalten der Spieloper so kontrastreich und intensiv, dass all die Trunkenbolde, Plumpsäcke und Schwerenöter vor dem geistigen Auge des Hörers geradezu suggestiv sichtbar werden. Auch als Oratorien- und Konzertsänger hatte Frick große Erfolge.

1971 nach einer umjubelten Aufführung von Wagners Götterdämmerung mit Frick als Hagen in München erklärte der Sänger völlig unerwartet, dass dies sein letzter Wagnerabend gewesen sei. Zum Glück gelang es, ihn noch für gelegentliche Gastspiele hauptsächlich in Wien, München und Stuttgart zu gewinnen. Fricks allerletztes, öffentliches Auftreten fand am 26. Januar 1985 in Heilbronn statt. Frick war während seiner Karriere auf den Bühnen der großen Opernhäuser zuhause, seine Heimat war für den bodenständigen, bescheiden gebliebenen Gemütsmenschen jedoch zeitlebens sein geliebter Geburtsort Ölbronn.

Dorthin – in sein am Waldrand gelegenes Haus – zog er sich zurück, um zu jagen, zu entspannen und den großen Freundes- und Verehrerkreis in dieser geruhsamen Idylle zu empfangen. Besonders häufig besuchte der Tenor Fritz Wunderlich seinen väterlichen Freund. Aus dieser Heimat- und Naturverbundenheit erklärt sich wahrscheinlich auch seine besondere Liebe zum Volkslied. Die warmherzige Persönlichkeit des Sängers wird in seinen Volksliedinterpretationen am ursprünglichsten erlebbar. Frick gestaltet die romantischen Weisen mit ungekünstelter Natürlichkeit und einer Echtheit des Empfindens, die anrührt und ergreift. Am 18. August 1994 ist der König der deutschen Bässe in Begleitung einer riesigen Trauergemeinde auf dem Dorffriedhof seiner Heimatgemeinde zur letzten Ruhe gebettet worden.

Kaum ein anderer Bassist erhielt zu Lebzeiten und postum so zahlreiche Ehrungen wie Gottlob Frick. Dem dreifachen Kammersänger wurden Orden bis hin zum Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Ölbronn ehrte seinen großen Sohn und Ehrenbürger mit einem Gottlob-Frick-Weg. In Mühlacker wurde der Konzertsaal im „Mühlehof“ nach dem Sänger benannt. Die Stadt Heilbronn widmete seinem Gedenken einen Platz im Herzen der Stadt. 1995 wurde die Gottlob-Frick-Gesellschaft gegründet. Die wichtigsten Ziele der Gesellschaft sind: Das Andenken an Gottlob Frick und andere Sängerlegenden zu erhalten, junge, hochbegabte Sänger zu fördern und die Begegnung der Generationen zu ermöglichen.

1997 konnte im Rathaus in Ölbronn eine Gedächtnisstätte eingeweiht werden. Hier wurde eine imposante Retrospektive in Bild und Ton, sowie eine Sammlung von Erinnerungsstücken zusammengestellt. Höhepunkt des Wirkens der Gesellschaft ist ein jährliches Künstlertreffen mit Festakt, Festkonzert, Verleihung der Gottlob-Frick- Medaillen und Empfang. An kaum einem anderen Ort versammelt sich eine so große Zahl von Gästen aus dem künstlerischen Bereich, darunter weltberühmte Sängerinnen und Sänger, wie im Operndörfle Ölbronn. Eine weltweite Einmaligkeit ist das originelle Gästebuch, in dem die Händeabdrücke berühmter Künstlerpersönlichkeiten verewigt sind. Die Ausstellung ist ein Who is Who der jüngeren Operngeschichte und reicht von Theo Adam bis Georg Zeppenfeld.

Ein Sängerportrait: Das Foto oben entstammt der Schallplatte von Eurodisc, die noch antiquarisch zu finden ist

Das Foto oben ist der Schallplatte von Eurodisc entnommen, die nur noch antiquarisch zu finden ist

In München findet am 14. September 2014 und in Wien am 12. November 2014 eine Veranstaltung zum Gedenken an den 20. Todestag von Gottlob Frick statt. Wodurch erklärt sich die weiter wirkende Popularität von Gottlob Frick? Selbst der Musikfreund, der ihn nicht mehr persönlich erlebte, spürt in den Tondokumenten: Hier singt ein in sich ruhender Mensch mit der ganzen Ausdrucksskala des begnadeten, gereiften Künstlers. Das Herz, die Seele, inneres Erfülltsein sind es, die in dieser Stimme mitschwingen. Fricks Botschaft, die sich durch seine Sangeskunst mitteilt, wird verstanden über Generationen hinweg – auch noch 20 Jahre nach seinem Tod. Hans A. Hey 

  1. Wagner

    Der Rezension kann ich mich nur anschließen – Gottlob Frick = Gänshaut pur, als Hagen, als Caspar, als Boris Godunow. Ein Stern am Opernhimmel, der ewig leuchten wird, ein Sänger, der unvergessen bleibt!

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  2. Engelbert Fill

    Das Datum ist nicht von Bedeutung – große Musiker sind immer aktuell. Ich habe Gottlob Frick im Zeiraum 1962 – 1971 oft in der Wiener Staatsoper gehört und bei mir stand er in der Gunst ganz
    vorne. Heute kann man über das Internet seine Glücksbringer suchen und auch finden.

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  3. Henning Beil

    Ich habe diesen wunderbaren Bassisten zunächst durch die Platte kennen- und liebengelernt. Sein Hagen hat mich von Anfang an fasziniert. Dann hatte ich das grosse Glück, ihn einmal als Hagen in der Berliner Staatsoper hören zu können. Ich war begeistert. Frick ist fûr mich der Inbegriff des schwarzen Basses, ideal für Hagen, Hunding, aber eben auch für die leider so sträflich vernachlässigte deutsche Spieloper. Es ist schön, dass man intensiv seiner gedenkt.

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