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Mit großer Trauer erfuhren wir vom Tode Gottfried Cervenkas, und mit Dank an die FREUNDE DER MUSIK GAETANO DONIZETTIS in Wien bringen wir den folgenden Nachruf des eminenten Wiener Musikwissenschaftlers und Weggefährten Clemens Höslinger, der im Journal der österreichischen Donizetti-Gesellschaft erscheint. Wir von operalounge.de schließen uns in unserem Bedauern über den Tod dieses so kenntnisreichen und liebenswürdigen Opern-Fachmanns in Betroffenheit an und werden Gottfried Cervenka und seine ebenso unterhaltsamen wie hochinformativen ORF-Sendungen zu historischen Sängern vermissen. G. H.
Ein lieber und liebenswürdiger Freund ist verstorben, viel zu früh verstorben, ein guter, hilfsbereiter Mensch voll Offenheit und Ehrlichkeit. Wie lange wir uns kannten? Dreißig, vierzig Jahre oder noch länger? Gottfried war immer da, wo es Schallplatten gab, schon damals beim legendären („legendär“ – eines von Gottfrieds Lieblingswörtern) Roland Teuchtler, in dessen „Fundgrube“ (Schottengasse 3a) sich Wiens Schallplatten-Enthusiasten zusammenfanden. Die Arrivierten ebenso wie die Novizen. Wie Teuchtler wurde auch er Schallplattenhändler und Sammler von Tonaufnahmen berühmter Sänger von einst und heute. Wobei das „Einst“ bei ihm im Vordergrunde stand. Seine Sammlung von CDs, Schallplatten, Tonbändern, Privataufnahmen wuchs ins Uferlose. Wenn man ihn in seinem Heim besuchte, erst in Wien, zuletzt in Mödling, dann dröhnte das ganze Haus von Opernmusik und Operngesang. Das war sein irdisches Paradies: Opernmusik und die Stimmen von einst, zum Teil auch von jetzt.
Durch das „Historische Opernkonzert“ kamen wir einander näher. Ich habe Gottfried Cervenka damals an den Österreichischen Rundfunk empfohlen, wir machten durch Jahre abwechselnd die Sendungen. Seit 1996 übernahm Gottfried die Sendung allein und wurde für lange Zeit – exakt bis zu seinem Todestag am 15. Dezember 2015 – der populärste Opern-Moderator im Österreichischen Rundfunk. Die Cervenka-Sendung hatte ihr treues Publikum, sie hatte auch ihr eigenes Profil. Man hörte dort ausgesprochene Raritäten, die er mit unglaublichem Spürsinn da und dort aufgetrieben hatte. Ein wichtiges Element war auch seine Sprechstimme, die er sich fachmännisch schulen ließ und die so angenehm vertraulich klang.
Gottfried war kein „Kenner“ im akademischen Sinn, er wollte das auch gar nicht sein, auch kein Spezialist für Gesangskunst- und technik, er war durch und durch Amateur, also Liebhaber. Vielleicht war seine Wirkung deshalb so groß, weil jeder in ihm einen Liebenden erkennen musste. Er war wie ein großes Kind, das mit Bewunderung und Staunen an seinen Gesangs-Idolen hing. Seine Texte hielten sich von jeder intellektuellen Affektiertheit frei, den Gebrauch abstruser Fremdwörter, die Zitate von Modephilosophen und sonstige Klügeleien – das alles war ihm fern, das überließ er gerne seinen Fachkollegen aus Deutschland. Da das Musikpublikum allerorten in erster Linie aus Normalverbrauchern – und dies im besten Sinn des Wortes – besteht, war er der richtige Dolmetsch für sein klanghistorisches Spezialfach. So war er auch ein Feind von Inszenierungs-Kapriolen auf der Opernbühne, weil er darin eine Verhöhnung seiner geliebten und geheiligten Kunstsphäre sah. In letzter Zeit sah man ihn daher nur selten als Opernbesucher. In gewissem Sinn war er ein Volksbildner, denn was er aus seinem privaten Fundus hervorholte – das ORF-Archiv verwendete er nur selten – hatte großen Informationswert. So war es richtig, dass ihm im Jahr 2008 der Professortitel verliehen wurde. Gottfried bereitete sich stets gründlich auf die Sendungen vor, er besaß eine profunde Handbibliothek, und es ist ihm – im Gegensatz zu anderen Moderationen – fast nie ein Lapsus passiert. Auch für Humor hatte er viel übrig und präsentierte am Faschingsdienstag alljährlich eine Auswahl komischer, auch unfreiwillig komischer Aufnahmen.
Gottfried Cervenka (29. August 1947 – 15. Dezember 2015) war ein Anbeter, ein immerzu Begeisterter, man kannte ihn gar nicht anders als enthusiastisch für diese oder jene Stimme, er war unersättlich, konnte gar nicht genug hören und hörend genießen. Es stimmt zwar, dass Gottfried am 15. Dezember 2015 verstorben ist, doch es wäre ein schöner Gedanke, dass er in ein Belcanto-Jenseits eingegangen ist. In ein Jenseits voll der herrlichsten Opernmelodien und der prachtvollsten Gesangsstimmen. Clemens Höslinger
Foto oben: so präsentierte sich Gottfried Cervenka seinen Fans auf seiner Facebookseite