Einen engen Kreis hat sein privates Leben, einen die Welt umspannenden seine Karriere gezogen: Ivo Vinco, gestorben am 8. Juni 2014 und geboren am 8.11.1927 in Boscochiesanuova, oberhalb von Verona in den Monti Lessini. Dort liegt er im Familiengrab in dem kleinen Gebirgsort begraben. Jeden Sommer und immer an Weihnachten kehrte er aus seiner Wohnung in Verona dorthin zurück, traf sich mit den zahlreichen Familienangehörigen und den Künstlerfreunden, die ebenfalls ihren Sommersitz fern von der drückenden Schwüle der Stadt an der Etsch hatten. Noch bis zuletzt hielt er Lektionen für begabte junge Sänger und hielt Vorträge über die vielen Opern, in denen er während seiner langen Karriere aufgetreten war. Einer seiner erfolgreichsten Schüler ist sein Neffe Marco Vinco, als Mozart- und Rossinisänger mit bereits bedeutendem Namen.
Geboren wurde Ivo Vinco als Sohn eines Hotelbesitzers, besuchte das Liceo Musicale in Verona, weil früh seine ganz besondere musikalische Begabung erkannt worden war. Während der deutschen Besatzungszeit nach dem Übertritt Italiens zu den Alliierten wohnten deutsche Offiziere in dem Hotel, mit denen er in den Monti Lessini Ski fuhr. Als er seinen Vater durch einen von ihnen beleidigt sah, schmiedete er mit anderen jungen Leuten aus dem Ort Verschwörungspläne, die von den italienischen Faschisten entdeckt wurden, zu seiner Verhaftung und beinahe zu seiner Erschießung führten.
Nach dem Krieg wurde Ivo Vinco Schüler der Opernschule der Scala di Milano, wo er vor allem bei dem berühmten Gesangslehrer Ettore Campogalliani studierte. Er debütierte gleich im schweren Fach 1954 als Ramfis im Teatro Filarmonico di Verona, eine Partie, die er kurz danach auch in der Arena sang, abends mit dem Roller aus Bosco nach Verona und nach der Vorstellung wieder zurückfahrend. Die ersten Jahre der Karriere sahen ihn nicht in seinem späteren Kernrepertoire, nämlich Belcanto und zunehmend Verdi, sondern auch in im Nachhinein bizarr anmutenden Partien wie den Klingsor, den Eremiten im Freischütz oder Tomsky in Pique Dame. Für die Buffe Rossinis prädestinierte ihn nicht nur seine Stimme, sondern auch sein Talent zur Darstellung komischer Figuren, das er noch vor wenigen Jahren bei Konzerten unter Beweis stellte (oben als Baldassare in La Favorita an der Scala/Scala).
Eine steile, nie von Krisen beeinträchtigte Karriere führte Ivo Vinco an alle großen Opernhäuser der Welt, zu Scala-Eröffnungen und deren Gastspielen nach Moskau oder Japan, nach Nord- und Südamerika, oft gemeinsam mit seiner Gattin Fiorenza Cossotto. Jahrzehntelang sang er in der Arena di Verona Ramfis, Zaccaria, Timur, letzteren besonders gern mit Birgit Nilsson als Turandot. Joan Sutherland musste er als Sparafucile im Sack an der Met über eine Mauer werfen, wofür ein stämmiger Schwarzer als Hilfskraft engagiert wurde.
Ivo Vinco war Colline in der berühmten Karajan-Aufnahme von La Bohéme, auch als DVD erhältlich, in der Mirella Freni ihre erste Mimì an der Scala sang. Ebenfalls unter Karajan ist er auf CD neben Cossotto als Cherubino der Bartolo in Le Nozze di Figaro. Er sang in Don Carlo den Gran Inquisitore, und Barcelona erfüllte ihm seinen größten Wunsch, auch den Filippo singen zu dürfen. In der berühmten Vorstellung der Norma in Paris, der die Cossotto das Wohlwollen Franco Zeffirellis kostete, weil sie keine Rücksicht auf eine indisponierte Maria Callas nahm, war er Oroveso.
Der Bass pflegte einen bescheidenen Lebensstil, den seine Kollegen nicht selten belächelten. Aus seiner vor einigen Jahren geschiedenen Ehe mit Fiorenza Cossotto stammt ein Sohn, ein in Turin studierender Enkelsohn war sein ganzer Stolz. Im Alter und jenseits einer aktiven Karriere erfreute er sich der Verehrung seiner Mitbürger und vieler Auszeichnungen für eine lange Sängerkarriere, seine Arbeit als Gesangspädagoge und als häufiges Jury-Mitglied bei Gesangswettbewerben. Auch der italienische Staat honorierte sein Wirken für das Ansehen des Landes in aller Welt mit dem Titel das Cavaliere und des Commendatore. Ingrid Wanja