Am ersten April 2021 starb Giorgio Gatti und wer sein nach vierzig Karrierejahren erschienenes Buch Giorgio Gatti si racconta, „mille grazie, miei signori gelesen und sich nun daran erinnert hat, den stimmt es traurig, dass sich augenscheinlich sein größter Wunsch, seine beiden Enkelkinder in das Musikleben einführen zu können, nicht mehr erfüllt hat.
Der Bariton war in seinen früheren Karrierejahren ein angesehener Buffo, in seinen späteren einer der wichtigsten Comprimarii, wovon nicht nur seine Mitwirkung in allen drei Filmen der Reihe Tosca nei luoghi e nelle ore di Tosca, La Traviata à Paris und Rigoletto a Mantova unter Zubin Mehta Zeugnis ablegt. Das Buch, das bei Zecchino Editore erschienen ist, stellt die exakt 27 Personen vor, die für Leben und Karriere von Giorgio Gatti wichtig waren, es ist chronologisch gegliedert und reicht von der Geburt des späteren Sängers im toskanischen Poggio a Caiano bis zu seinem Rückzug von der Bühne. Eingeführt wird der Leser von Stephen Hastings, der ein Menottizitat, das dieser dem Sänger widmete, dem von Emanuela Dolci betreuten Buch voranstellt.
Zwar sang Gatti niemals den Rigoletto, obwohl sein Vater diesen schicksalsträchtigen Namen trug, es reichte im gleichnamigen Film nur zum Conte di Ceprano, aber die vielen Fotos mit Widmungen der großen Stars, seien es Dirigenten oder Kollegen, beweisen, wie angesehen nicht nur der Bariton war, sondern wie sehr auch seine Gattin, eine Pianistin, geschätzt wurde, die sogar durch ihre Bereitschaft zum Einspringen eine Aufführung von Alfredo Kraus als Hoffmann rettete und mit der er eine Tournee unter dem Motto „L’Arte del Buffo“ unternahm.
Der Weg zum Ruhm führte durch die damals üblichen Stationen Kirchenchor, sehr bald alldort als Solist, die Opfer, die die Familie für die Ausbildung bringt, das Stipendium, für Gatti am Conservatorio Santa Cecilia in Rom, die Begegnung mit Vincenzo Guerrieri, der als erster von der Tenorlaufbahn ab- und zur Baritonlaufbahn rät. Im immer noch wundergläubigen Italien darf eine Begegnung mit Padre Pio und die damit verbundene Heilung nicht fehlen, und auch bei Gatti taucht Mario Del Monaco als Wohltäter und damit Engagementsverschaffer auf. Gatti gewinnt die üblichen Concorsi, lernt durch Luciano Bettarini die italienische Buffa kennen und lieben, nimmt gemeinsam mit Magda Olivero Canzonen von Nino Porto auf und ist der Enrico im Lucia-di-Lammermoor-Film von Franca Valeri. Lange und intensiv ist die Zusammenarbeit mit Gian Carlo Menotti, die über Il telefono, zu Il console zu L’ultimo selvaggio und La santa di Bleecker Street führte, ja sogar zu einer kleinen Rolle im Parsifal von 1987. Mit Carmelo Bene in der Titelpartie führt er Schumanns Manfred auf, an der Seite von Giuseppe Taddei ist er in Lucca Belcore, in Israel ist er in der „Bohéme“ von Zubin Mehta mit Andrea Bocelli als Rodolfo sowohl Benoit als Alcindoro.
Neid scheint nie eine Eigenschaft von Giorgio Gaatti gewesen zu sein, denn die ganz Großen werden von ihm nur mit den schmeichelhaftesten Attributen bedacht, so Domingo, dem er professionalità, umiltà und serietà bescheinigt. Auch an der ganz leichten Muse geht Gatti nicht vorbei, und Paolo Ferrari wertet seine Partie in Victor Victoria mit einem Auftrittslied auf. Bis zuletzt ist der Bariton bereit dazu zu lernen, so von Marco Bellocchio, der von ihm verlangt, auch dann in der Rolle zu bleiben, wenn er gerade nicht singt.
Die beiden letzten Kapitel widmete Gatti seinen beiden Enkelkindern, in denen er eine Sängerin und einen Dirigenten heranwachsen sah. Das ist ihm nun, da er nur 72 Jahre alt wurde, nicht vergönnt gewesen. (ISBN 978 88 6540 128 6). Ingrid Wanja