In der Nacht des 18. März 2014 ist der bekannte Tenor Ottavio Garaventa in Savignone in den Genueser Bergen im Alter von 80 Jahren nach schwerer Krankheit gestorben. Eine ehrenvolle Erinnerung gebührt ihm unter anderem deswegen, weil es Sänger wie ihn heutzutage nicht mehr gibt. Garaventa, ein geborener Opernsänger, Schüler von Rosetta Noli und auch „a sa lala“, um es in bestem Genuesisch zu sagen, hat vierzig Jahre lang die italienischen Bühnen frequentiert, und zwanzig Jahre davon war er international ein sicherer Garant für das Gelingen einer Vorstellung ohne unangenehme Überraschungen in einem reichen Repertoire. Debütiert hatte er als lyrischer Tenor ( und als solcher trat er als Massenets Des Grieux an der Scala 1969 auf), mit den Jahren erarbeitete er sich schrittweise ein dramatischeres Repertoire. Außer Des Grieux sang er viele Donizetti-Rollen, darunter Edgardo, die bis in die achtziger Jahre einem Tenor keine Probleme bereiteten und die heute nur mit Einschränkungen gesungen werden können. Poliuto in der Wiederaufnahme in Venedig der Matyrs und dann Verdi folgten, zuerst der lyrische Alfredo, dann auch dramatische Rollen wie Radames, Zuvor hatte er auch 1970 in Rossinis Armida in Venedig mit Christina Deutekom gesungen und Partien von Bellini wie den Tebaldo in I Capuleti e i Montecchi. Die Stimme war nicht außergewöhnlich schön, aber solide, wie die Leichtigkeit, mit der Edgardo und Poliuto bewältigt wurden, beweist. In letzterem Fall war die Zusammenarbeit mit Leyla Gencer nicht leicht; dann gegen Ende der Karriere gab es noch einmal eine Aufnahme der Oper, ebenfalls mit Gencer und mit Bruson, eine seiner besten überhaupt. Er zeichnete sich nicht durch eine Persönlichkeit mit Starallüren aus, sondern durch eine ehrliche Verkörperung der Bühnenfigur. Garaventa war en „normaler“ Sänger, der für die heutigen ein Modell an professioneller Ehrlichkeit abgeben sollte – sei es gegenüber dem Publikum, der Musik und gegenüber sich selbst, Charakterzüge die unwiederbringlich verloren gegangen sind.
Er wurde am 26.1. 1934 in Genua geboren, wuchs in einer Familie aus dem Volk auf, die sich ganz der Musik gewidmet hatte, der Großvater mütterlicherseits war ein bekannter Tenor volkstümlicher Musik, die Tante Rosetta Noli ein erstrangiger Sopran in den Fünfzigern. 1959 debütierte er als Neunzehnjähriger nach einer kurzen Periode des Studiums mit dem Mastro Magenta als Bariton in Lucia, aber trotz der unüberhörbaren Qualitäten der Stimme wollte die Karriere nicht durchstarten.
Er unterbrach die Laufbahn als Sänger und fand Arbeit als Kranführer im Hafen von Genua. Nach seiner Eheschließung und der Geburt einer Tochter nahm er wegen gesundheitlicher Probleme bei der schweren Arbeit die Gesangsstudien wieder auf, und im Jahre 1963 debütierte er als Turiddu in Cavalleria in Cinncinati. 1964 gewann er als Tenor den Wettbewerb Voci Verdiane in Busseto, und den As.Li.Co und debütierte in Italien am Teatro Nuovo in Mailand, mehr als zehn Jahre nach seinem ersten Auftritt. Von da an begann eine ruhmreiche Karriere.
Er trat an den größten Theatern der Welt auf, so in Neapel, Wien, an der Scala, in Tokio, Rom, London.der Arena di Verona, Washington, Aix. An der Scala hat er in berühmten Produktionen gesungen, so in der Bohème mit Prêtre und Kleiber, in Maria Stuarda, nach 136 Jahren wieder zum ersten Mal an der Scala, in Simon Boccanegra, Messa da Requiem und in Macbeth mit Claudio Abbado. Außerdem sang er in Butterfly, Luisa Miller, Tosca, Linda di Chamounix. Arabella, Maria di Rohan und Beethovens Neunter.
Er verfügte über ein Repertoire von 113 Partien, vor allem Donizetti und Verdi, als lyrischer und als Spintotenor, sang aber auch Puccini und veristische Rollen. Er wirkte bei der Uraufführung von Il Gattopardo von Angelo Musco in Palermo mit und hat in Florenz in Verdis Falstaff in der Regie von Eduaro De Filippo mitgewirkt. Garaventa widmete sich auch seltenen Opern wie I Lituani von Ponchielli für die RAI, Il Diluvio Universale von Donizetti in Genua und Florenz. 1981 erhielt er in Florenz den Titel Accademico delle Muse.
Für einige Jahre war der Tenor Direttore Artistico des Festivals Internazionale die Savignone und hat mit der Tochter Maria einen Verein gegründet, der junge Musiker unterstützt. Garaventa war auch ein guter Maler mit Ausstellungen in Italien und im Ausland. Aufnahmen gibt es von ihm vor allen in selten gespielten Opern.
Ingo Kern