Als die Sopranistin Hilde (eigentlich Hildegard) Zadek am 15. Dezember 1917 in Bromberg, damals preußische Provinz Posen, geboren wurde, regierte noch der Kaiser. Und seit ihrem Bühnenabschied 1971 (als Gerhilde in der Walküre an der Wiener Staatsoper) ist auch bereits nahezu ein halbes Jahrhundert vergangen. Nun ist Hilde Zadek am 21. Februar 2019 im hohen Alter von 101 Jahren in Karlsruhe verstorben. Kindheit und Jugend verbrachte sie in Stettin, musste 1935 als Jüdin emigrieren und ging nach Palästina, wo sie am Konservatorium von Jerusalem eine Musik- und Gesangsausbildung absolvierte. Auch ihre Eltern und ihre beiden jüngeren Schwestern hatten das Glück, dem nationalsozialistischen Terror 1939 im letzten Augenblick zu entkommen. Gleich nach Kriegsende ging Zadek zurück nach Zürich und wurde durch den damaligen Wiener Staatsoperndirektor Franz Salmhofer entdeckt.
Quasi ungeprobt erfolgte am 3. Februar 1947 am Haus am Ring ihr professionelles Debüt in der Titelrolle von Aida, was zum großen Erfolg wurde und ihre Bindung zur Wiener Staatsoper bekräftigte. Insgesamt sang sie im darauffolgenden Vierteljahrhundert nicht weniger als 39 Rollen an 37 verschiedenen Opernhäusern, darunter diejenigen in München, Berlin, Paris, London, Amsterdam, Lissabon, Moskau, New York und San Francisco. Zudem gastierte sie bei den Festspielen von Salzburg, Edinburgh, Glyndebourne sowie beim Holland Festival. Sie trat ferner als Lied- und Konzertsängerin auf und war sich auch für die Operette keineswegs zu schade (Zellers Vogelhändler). Zadeks enormes Repertoire reichte von Gluck (Alceste, Iphigenie) über Mozart (Donna Elvira, Vitellia, Erste Dame), Beethoven (Leonore), Verdi (Aida, Elisabetta, Desdemona, Flora Bervoix, Leonora, Amelia), Wagner (Senta, Eva, Elsa, Sieglinde, Gerhilde, Dritte Norn) Strauss (Marschallin, Ariadne, Arabella, Salome, Chrysothemis), Giordano (Maddalena di Coigny) und Puccini (Tosca) bis hin zu Schostakowitsch (Katerina Ismailowa), Korngold (Marietta in Die tote Stadt), von Einem (Julie in Dantons Tod) und Menotti (Magda Sorel in Der Konsul). Die meisten dieser Partien sang Hilde Zadek auch an ihrem Wiener Stammhaus.
Nach ihrem Abschied von der Bühne hatte sie die 1964 übernommene Leitung der Gesangsabteilung am Konservatorium der Stadt Wien noch bis 1978 inne und war auch danach als Gesangspädagogin tätig, wo sie Meisterkurse auch in Karlsruhe und Jerusalem, in der Schweiz und in Italien abhielt. Ihr zu Ehren wurden bereits 1997 die Hildegard Zadek Stiftung und im Jahr darauf der Internationale Hilde-Zadek-Gesangswettbewerb ins Leben gerufen. Schon 1951 zur Österreichischen Kammersängerin ernannt, folgten zahlreiche weitere Auszeichnungen, darunter das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (1965), die Ehrenmitgliedschaft der Wiener Staatsoper (1977), die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold (1978) und das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (2012). Den Professorentitel erhielt Zadek 1971 von der Musikakademie der Stadt Wien, die Ehrendoktorwürde der Hochschule für Musik in Karlsruhe 2007 anlässlich ihres 90. Geburtstages. Ihre Diskographie ist vielfältig und berücksichtigt insbesondere ihre Glanzzeit in den 1950er und frühen 1960er Jahren. Ihr Stammhaus, die Wiener Staatsoper, widmete ihr einen Nachruf, dem wir das Foto entnahmen. Daniel Hauser