Martin Essinger

 

Mit großem und Bedauern und einer gewissen Erschütterung hörte ich vom Todes des Journalisten und Dramaturgen Martin Essinger, einem lieben Freund aus jenen alten Tagen, als wir mit unserem maroden Mercedes durch Italien reisten und bei ihm und seinem Schweizer Freund in Bergamo (citta alta!) Station machten, auf dem Wege nach Triest, Pesaro oder Rom. Seine außerordentliche Bescheidenheit und seine Freundlichkeit kommen wir wieder ins Gedächtnis, wenn ich auf sein Foto mit seinem zögernden Lächeln vor mir blicke. Martin war ein unendlich kluger Mann, zurückhaltend und vielleicht auch ein wenig zu schüchtern, um stets fest seine Meinung zu sagen. Seine unerhörte Bildung war ein Fels jeder Unterhaltung, seine Genauigkeit und seine vorsichtige Neugier amüsierten mich gelegentlich. Martin war ein milder Mann der leisen Worte, ein besonders lieber und herzlicher. Wir hatten uns aus den Augen verloren, lange Jahre nichts mehr voneinander gehört. Eine gemeinsame, fürsorgende Freundin hielt mich auf dem Laufenden und berichtete von seinem Leiden, seinem physischen und mentalen Niedergang. Die Nachricht von seinem Tod am 9. Oktober (2020) brachte ihn mir wieder vor Augen: ein reizender, hochliebenswerter Mann. Ruhe aus, Martin. G. H.

 

 Martin W. Essinger, 1953 geboren in Reichenbach/Odenwald, arbeitete bis 1979 als Industriekaufmann bei CIBA GEIGY. Abitur am Abend­gymnasium Mannheim, Studium in Heidelberg. Während dieser Anstellung als Buchhalter: Abendgymnasium in Mannheim mit Abitur-Abschluss. Studium Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg. Eigenfinanzierung des Studiums durch Arbeit am Stadttheater als Programmheftverkäufer, Logenschließer, Pförtner, Statist, Regie- und, sowie als Nachtportier in einem Hotel. Während der Studienzeit Regie-Hospitanzen am Nationaltheater Mannheim bei Ruth Berg­haus und bei Harry Kupfer. Hochschulabschluss (Thema der Promotion: Wackenroders Einfluss auf die Musikanschauung der Romantik). Zweitstudium Musikwissenschaft und Philosophie. Beginn einer Habillitation zum Thema Die Hosenrolle in der Operngeschichte. Nach Tätigkeit als Musikdra­maturg in Kassel und Freiburg Wiederaufnahme der Habilitation.

Seit 1987 Musik- und Kunstkritiker für Tageszeitun­gen (u. a. Die Welt und Mannheimer Morgen) und Opernzeitschriften (u. a. Opernwelt, der alte Orpheus, Crescendo, Opernglas und Neue Zeitschrift für Musik). Veröffentlichungen vor allem zur italienischen Oper der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Charles Gounod. CD-Booklets. Mitarbeit an großen Reihenwerken (u, a. das Neue MGG). Von 1991 bis 1993 Musikdramaturg am Staats­theater Kassel, anschließend in gleicher Position in Freiburg, Bielefeld und zuletzt in Bonn.  Dazu war er auch als Buchautor Tätig, so der Märchenroman Pauline und die Albtraumhexe. Nach langer und schwerer Krankheit verstarb er im Oktober 2020 ebenfalls in Bonn. OBA