Karan Armstrong

 

Es geschieht zuweilen, dass die Lebensbahn eines Menschen schon früh durch Einflüsse vorgeprägt wird, deren Bedeutung erst im Nachhinein wirklich deutlich wird. Für die junge Sopranistin Karan Armstrong (* 14. Dezember 1941 in Havre, Montana; † 28. September 2021 in Marbella, Spanien) sollten die deutschen Emigranten, die sie während ihrer Ausbildungsjahre in den USA kennenlernte, ein solcher wegbestimmender Einfluss sein: Ihre Lehrerin, die berühmte Lotte Lehmann, der Dirigent Fritz Zweig, der Regisseur und ehemalige Intendant der Deutschen Oper Berlin Carl Ebert, sie alle prägten für die junge Sängerin aus Montana das Bild der Opernstadt Berlin – lange bevor Karan Armstrong selbst zu einem Teil des Berliner Opernlebens werden sollte.
Wie nur wenige Sängerinnen hat Karan Armstrong über fast vier Jahrzehnte die Deutsche Oper Berlin mitbestimmt, war hier von ihrem Hausdebüt 1977 als Salome bis zu ihrem letzten Auftritt als Gutsherrin Larina in Tschaikowskijs EUGEN ONEGIN 2016 in über 400 Abenden und 24 verschiedenen Partien präsent. Dass es dazu kam, lag freilich nicht nur an dem Einfluss ihrer Mentoren, sondern an einer entscheidenden Begegnung: 1978, drei Jahre nach ihrem Europa-Debüt, lernte Karan Armstrong bei einer Inszenierung der SALOME in Stuttgart den Regisseur Götz Friedrich kennen, wurde drei Jahre später seine Ehefrau und folgte ihm nach Berlin und an die Deutsche Oper, an der Friedrich ab 1981 als Intendant amtierte. Fast zwei Jahrzehnte lang, bis zu Friedrichs Tod im Jahr 2000, konnte das Berliner Publikum so die Ergebnisse einer einzigartigen künstlerischen Symbiose erleben, denn mit ihrer Ausstrahlung und ihrer Fähigkeit, den großen Opernpartien ihres Fachs besondere psychologische Glaubwürdigkeit zu geben, war Armstrong die ideale Künstlerin für das Regietheater ihres Mannes. Qualitäten, die umso stärker hervortraten, weil sich das Repertoire Karan Armstrongs nicht nur auf Strauss und Wagner beschränkte, sondern auch Opern von Komponisten wie Berg, Korngold, Poulenc, Schostakowitsch und Kurt Weill umfasste. Ein Einsatz, der ihr in der Presse den Ehrentitel einer „Diva der Moderne“ einbrachte.

Der Tod ihres Mannes bedeutete für Karan Armstrong zwar eine schmerzliche Zäsur, markierte jedoch glücklicherweise nicht das Ende ihres Bühnenwirkens, das sie immer stärker auch um Lehrtätigkeiten und Initiativen zur Förderung junger Sänger und Sängerinnen erweiterte. Auch an die Deutsche Oper Berlin kehrte Karan Armstrong zurück und hat an der Entwicklung des Hauses immer wieder unterstützend teilgenommen.

Die Deutsche Oper Berlin trauert um eine große Sängerdarstellerin und wird Karan Armstrong ein bleibendes Angedenken bewahren (Kranichfoto). Quelle: Pressestelle Deutsche Oper Berlin