Am 11. Juli 1937 im ägyptischen Alexandrien (nach anderen Angaben in Al-Fayyum) geboren, begann Jeannette Pilou, die eigentlich Joanna Pilós hieß, griechischer Abstammung war und später auch die italienische Staatsbürgerschaft besaß, ihre Gesangsausbildung zunächst in Ägypten, bevor sie diese in Italien fortsetzte. Nach einer kurzen Zwischenstation am Teatro Smeraldo in Mailand erfolgte ihr Debüt an der dortigen Scala bereits 1960 als Violetta in Verdis La traviata. Von da an ging es steil bergauf und binnen kurzer Zeit konnte die Pilou eine internationale Karriere mit einer weiten Bandbreite vom lyrischen bis zum dramatischen Sopran in italienischen und französischen Opern von Gluck bis Debussy und Puccini vorweisen. Ausnahmsweise war sie auch in deutschsprachigen Werken zu erleben (von Einems Der Prozess). Besonders an der Wiener Staatsoper und an der Metropolitan Opera in New York war sie über viele Jahre in zahllosen Rollen beschäftigt. Nach ihrem Wiener Debüt im Jahre 1965 als Mimì in Puccinis La bohème blieb sie dem Haus am Ring bis 1979 in Rollen wie Cio-Cio-San in Madama Butterfly, Liù in Turandot, Susanna in Le nozze di Figaro, Mélisande in Pelléas et Mélisande, Marguerite in Faust und Micaëla in Carmen verbunden. An der Met debütierte sie 1967 als Juliette in Gounods Roméo et Juliette und sang dort ein ähnliches Repertoire bis 1986 (letzte Vorstellung als Nedda in Pagliacci von Leoncavallo). Bei den Festspielen von Aix-en-Provence, Wiesbaden, Verona, Wexford und Salzburg war sie gern gesehener Gast. Auch der Moderne gegenüber aufgeschlossen, sang sie 1973 die Hauptrolle in der Uraufführung von Renzo Rossellinis La reine morte in Monte Carlo. Einen weiteren Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bildeten die Griechische Nationaloper sowieso das Athener Festival, wo man sie ab 1969 erleben konnte. Noch 1998 verkörperte sie dort die Hauptrolle in der griechischen Erstaufführung von Debussys Pelléas et Mélisande. Gastspiele führten sie durch ganz Europa sowie nach Nord- und Südamerika. Ob Covent Garden in London, Opéra Garnier in Paris, La Monnaie in Brüssel, Lyric Opera in Chicago oder Teatro Colón in Buenos Aires, überall war die Pilou heimisch. Zur Förderung des sängerischen Nachwuchses gehörte sie zur den Gründungsmitgliedern der Stiftung Maria Callas Stipendium. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, war sie unter anderem Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres sowie Preisträgerin des Puccini-Preises. Am 27. April 2020 ist Jeannette Pilou im Alter von 83 Jahren in Athen verstorben. Daniel Hauser