Alexander Weatherson

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Mit Bestürzung hörten wir vom Tode unseres Freundes, Mentors und unersetzlichen Musikwissenschaftlers Alex Weatherson. Operalounge-Lesern ist er ja ein Bekannter wegen seiner vielen Artikel und Kommentaren namentlich im Donizetti- und Belcanto-Repertoire. Mir selbst ist er stets ein liebevoller Freund gewesen, ein auch widersprüchlicher und hochspannender Gesprächspartner, ein Felsen an Wissen. Die Trauer über den auch persönlichen Verlust bleibt. Geerd Heinsen

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Alex´ enger Mitarbeiter bei der englischen Donizetti Society, deren Gründer, Movens und Felsen Alex Weatherson war, Fulvio Lo Presti, hat uns den folgenden Text geschickt: 1973 gründete eine kleine Gruppe von Enthusiasten und Gelehrten in London die Donizetti Society. Weder Alexander Weatherson noch der Schriftsteller, der einige Jahre später beitrat, waren damals Mitglieder, während sich die Gesellschaft allmählich ausbreitete und im Einklang mit der immer ehrgeizigeren weltweiten Wiederbelebung der untergegangenen Donizetti-Produktion, der Donizetti-Renaissance, immer weniger ausschließlich britische Konnotationen annahm. Weatherson war ein eifriger Mitstreiter der Gesellschaft und wurde ihr mutiger Präsident, den er bis zum Schluss behielt. Er verlieh der Gesellschaft ein hohes internationales Profil, auch dank seiner Kontakte und seiner fruchtbaren und freundschaftlichen Beziehungen zu den wichtigsten Musikwissenschaftlern, Kritikern, Dirigenten, Sängern und verschiedenen Persönlichkeiten, darunter Montserrat Caballè, Alberto Zedda, William Ashbrook, Patric Schmid, Leyla Gencer, Philip Gossett, Joan Sutherland, Franca Cella, Sergio Segalini und Piero Mioli.
Geboren am 6. Oktober 1927 in Mansfield (Nottinghamshire) als Sohn eines schottischen Arztes, den er nicht kannte, und einer französischen Adeligen, die aus einem Zweig der Familie Rohan stammte, lebte er auch in Frankreich und Portugal und lernte Charles De Gaulle in dessen Londoner Wohnung kennen.
Nach seinen beruflichen Erfahrungen als Krankenhausarzt und Psychologe, seiner künstlerischen Tätigkeit als bald etablierter Maler und seiner Karriere als Hochschullehrer – er erzählte mir von der Zeit, als er als Dekan der Fakultät Frau Thatcher, die damalige Bildungsministerin, in seinem Büro empfing – kam Weatherson zur Musikwissenschaft als vollwertige und endgültige Berufung mit einem heftigen und beharrlichen Engagement und einer beneidenswerten Kompetenz. In erster Linie widmete er Donizetti größte Aufmerksamkeit, unter anderem mit einem beachtlichen Werk an Aufsätzen und unzähligen Rezensionen. Umfassende Schriften, in denen der scharfe Blick und der Humor eines Menschen von großer Kultur, aber mit den Füßen im Alltag, eines Donizettianers, der wie kaum ein anderer den Geist und den Elan des Bergamasken verinnerlicht hat, zum Ausdruck kommen. Er überwachte die Herausgabe der verschiedenen Zeitschriften der Donizetti-Gesellschaft, die 2002 ihre siebte Ausgabe erreichte, und redigierte jahrzehntelang, bis zum Sommer 2022, fast den gesamten Newsletter, dessen Reihe mit der Ausgabe 146 zu Ende ging. Diese Rundbriefe enthielten auf den rund 30 Seiten jeder Ausgabe eigene und fremde Texte von überzeugendem Inhalt und großem Interesse. Neben dem gedruckten Nachlass werden seine Veröffentlichungen auch auf seiner Website veröffentlicht.
Die Besonderheit von Weathersons Engagement liegt jedoch in dem durchdringenden und kritischen Überblick, in dem er die Persönlichkeit und das Werk Donizettis in das Panorama des Melodramas des 19. Jahrhunderts einordnet, das er bietet und das von Rossini bis Verdi reicht, unter den verschiedensten Figuren der bevölkerungsreichen Sixtina der italienischen Oper: Simone Mayr, Carlo Coccia, Saverio Mercadante, die Brüder Luigi und Federico Ricci, Nicola Vaccai, Giuseppe Lillo, Alessandro Nini, sowie Giacomo Meyerbeer für die italienische Seite, jeder mit seiner eigenen Individualität nicht voreilig betrachtet, ganz zu schweigen von anderen. Einen besonderen Platz in Weathersons Herz hat jedoch bis zu seinem letzten Atemzug der Katanier Giovanni Pacini eingenommen, der in seiner Heimatstadt leider viel zu sehr misshandelt und verunglimpft wurde. Über Pacini kann man den sorgfältigen Essay von Weatherson nicht ignorieren, der unter seinem Namen ins Netz gestellt wurde.
Zum Abschied von Alex, der am 7. Februar in London gestorben ist, leihe ich mir die Worte von Horatio, Hamlets Freund: „Gute Nacht, süßer Prinz“./ Fulvio Stefano Lo Presti/12/2/2024/DeepL