Nach 75 Jahren ist das wunderschöne Theater von Rimini, das während des Krieges zerstört worden war, wieder eröffnet worden. Das vom Architekten Luigi Poletti, einem sehr wichtigen Exponenten des Purismo classico, entworfene Gebäude wurde im Sommer 1857 mit dem Trovatore eingeweiht. Einen Monat später hingegen wurde die von Verdi für Rimini komponierte Oper Araldo aufgeführt. Jahrelang gab es Spielzeiten in der Karnevalszeit und im Sommer (bereits im 19. Jahrhundert kamen Touristen aus ganz Europa nach Rimini, um im Meer zu baden), aber 1943 unterbrach das Theater seine Tätigkeit, weil am 28. Dezember das Haus bei einem Bombenangriff der Engländer zerstört wurde. Rimini stellte nämlich einen strategisch wichtigen Punkt dar: Hier war der Endpunkt der strategischen Gotenstellung.
In den vergangenen Jahren nahm man sich ein Beispiel an Dresden und der Semperoper (In Rimini gab es eine Fotoausstellung, die den Wiederaufbau des deutschen Theaters dokumentierte.) und diskutierte über den Wiederaufbau des Originals, denn zum Glück waren die Entwürfe von Poletti erhalten geblieben. Nach unendlich langen Diskussionen (natürlich gab es auch Meinungen, die sich für einen modernen Bau aussprachen) ist nun endlich der Wiederaufbau beendet und das Theater am 28. Oktober 2018 den Bürgern zurückgegeben worden mit Cecilia Bartoli als Cenerentola von Rossini. Die eigentliche und wirkliche Wiedereröffnung fand jedoch mit Verdis Simon Boccanegra statt ( 10. und 11. Dezember 2018), der dem Orchester, dem Chor und den Solisten des Mariinsky-Theaters von St. Petersburg und ihrem Dirigenten Valery Gergiev, der der Stadt Rimini sehr verbunden ist, anvertraut war.
Die Inszenierung von Andrea De Rosa mit den Kostümen von Alessandro Lai, die suggestive Beleuchtung und die Videoaufnahmen von Pasquale Mari setzte auf dunkle Farben- von den Bühnenbildern bis zu den Kostümen- im Einklang mit der düsteren Atmosphäre einer Oper, in der die tiefen Stimmen vorherrschen. In Wahrheit war das Eingreifen der Regie auf ein Minimum beschränkt: die einzige, dazu noch angreifbare Idee war die, Maria (die tote Tochter von Jacopo Fiesco) in einen Geist zu verwandeln, der ab und zu erscheint und, das vor allem, sie bei ihrem Tod einen Schrei ausstoßen zu lassen, der sicherlich nicht in der Partitur verzeichnet ist. Den Chor während des Epilogs in der Sterbeszene auf die Bühne zu bringen, wo er doch wie ein Echo von fern klingen soll, ist auch keine glückliche Lösung, noch weniger die Tatsache, dass der Dirigent dem zugestimmt hatte. Andererseits legte Gergiev einen besonderen Wert auf den Klang: Er setzte die vorzüglichen Solisten des Orchesters ins rechte Licht (Man denke nur an die sichere Intonation der Hörner.), andererseits machte er den Eindruck, dass die verinnerlichten Szenen ihm recht fremd sind: der Dirigent schien wenig Gespür für die schmerzlichen Spannungen und die Konflikte einer Handlung zu haben, in der die politischen Ereignisse sich mit denen der rein menschlichen ineinander verflechten, und nicht einmal für die barbarischen Aspekte, die an die Intrigen der Macht geknüpft sind. Und es bleibt auch der Eindruck, dass gewisse Punktierungen und andere kleine Eingriffe in die Partitur (der Sopran, der sich am Schluss des zweiten Akts mit dem Tenor und dem Bariton vereinigt), der Vorstellung von einem „Gesang auf italienische Art“ geschuldet sind, auch in der Optik des russischen Dirigenten, mehr dem leichten Effekt verpflichtet als einer tatsächlichen musikalischen Dramaturgie folgend.
Eine solche Auslegung, konzentriert auf Äußerlichkeiten und charakterisiert durch eine gewisse Banalität, produziert unvermeidbare Wirkungen auch auf die Sänger, besonders auf deren Phrasierung. Der Protagonist des ersten Abends, Vladislav Sulimsky, ein Bariton mit dunkler Stimme, viel Körper und Farbe, wenn auch ohne eine Vielfalt von Akzenten, hat einen von der Einsamkeit gepeinigten Machtmenschen Simon, weniger einen von innerer Unruhe geplagten Vater und Utopisten gegeben. Sehr lobenswert der zweite Bariton mit eher lyrischer Stimme, Roman Burdenko, der in der Premiere ein effektvoller Paolo Albiani war und in der Wiederholung die Rolle des Boccanegra übernommen hat und weniger vokal machtvoll als Sulimsky war, aber eine bemerkenswerte interpretatorische Einfühlsamkeit zeigte. Teilweise zu eintönig und teilweise zu aufgedreht der Paolo des zweiten Abends (Efim Zavalny).
Ein renommierter Sopran wie der von Tatjana Serjan – mit einer von Natur aus eher sauren Tosca-Stimme, inzwischen auch überbeansprucht- ist sicherlich nicht für die mädchenhafte Rolle der Amelia geeignet. Aber auch nicht Irina Churilova, die sie am folgenden Tag ersetzte, hat sich ausgezeichnet, auch wenn sie eine lyrische und damit geeignetere Stimme besitzt, denn diese ist blass und beschränkt im Volumen. In der Partie des Fiesco ist der Bass Mikhail Petrenko, von etwas rauem Gesang, ein eiskalter und grausamer Fiesco gewesen, während als Zweitbesetzung Stanislav Trofimov eine völlig durcheinander geratene Emission zeigte. Otar Jorjikia hat sich gut zwischen den lyrischen wie feurigen Anforderungen der Tenorpartie Gabriele Adorno hin- und herbewegt, gab der Figur Glut und jugendlichen Impetus, was man von dem Tenor der zweiten Besetzung, Najmiddin Mavlyanov, nicht sagen kann. Angenehm die Comprimari, angefangen mit dem dunklen Bass Gleb Peryazev, perfekt in der Rolle des Verschwörers Pietro, während der düstere Chor, von Andrei Petrenko vorbereitet, eine besondere Erwähnung verdient. Allen Mitwirkenden aber wird eine gute italienische Aussprache attestiert. Giulia Vannoni (Übersetzung Ingrid Wanja/ Foto oben: Rimini Piazza Cavour mit dem neuen Teatro Galli/