Iranische Opern von Behzad Abdi

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Trommeln und Hörner, Stimmgewirr, Schreie. Amir Touman und seine schwer bewaffneten mongolischen Krieger wüten beim Einfall im Iran gnadenlos und metzeln die unbewaffneten Menschen mit Speeren und Schwertern und mit äußerster Brutalität nieder. Überall bricht Feuer aus. Inmitten des Infernos gibt es keine Anzeichen von Gnade. Die trunkene Kavallerie reitet über die toten Körper. Derart plastisch beschreibt Behrouz Gharibpour in seinem Libretto für Behzad Abdi die erste Szene zur zweiaktigen Oper Rumi. Der 1973 in Teheran geborene Abdi hat für Film und Fernsehen komponiert. Rumi sei die erste iranische Nationaloper, heißt es auf der Einspielung (2 CD Naxos 8.660424-25), was sich schwer widerlegen lässt.

Behzad Abdi (b. 1973) is an Iranian composer. He studied the setar and Iranian traditional music with Masoud Shoari and Mohsen Nafar and Western classical music with Liudmila Yurina and Vadim Juravitsky at the Tchaikovsky Academy in Ukraine. Abdi is the first composer to write Iranian traditional opera fusing Iranian traditional and Western classical music. He is also a composer of film soundtracks and has won two awards at the Fajr International Iranian Film Festival, among others./ Wikipedia

Entstanden ist die Aufnahme im Dezember 2009 in Kiew, wo der Komponist mittlerweile lebt und offenbar eine größere Schar in klassisch persischer Musik ausgebildete Musiker um sich versammelt hat, die auch bei der Einspielung seiner folgenden Oper Hafez im Februar 2014 (2 CD Naxos 8.666426-27) im Haus des Rundfunks, wo Vladimir Sirenko erneut das National Symphony Orchestra der Ukraine und den Credo Chamber Choir leitete, Hauptrollen übernahmen. Um ein Monument der persischen Kultur handelt es sich bei dem Weisen und Dichter Rumi. Behzad Abdi gelingen faszinierende Klangbilder, in der sich instrumentale Stimmungen und die oftmals wie Klagesänge wirken Solostimmen zu 15 Szenen verflechten, in die die beiden, insgesamt 105-minütigen Akte untergegliedert sind. Um eine internationale Hörerschaft zu erreichen, habe er das System der traditionellen persischen Kunstmusik, dastgāh, mit westlichen klassischen Formen verbunden, so Abdi. Mit Hilfe der englischen Übersetzung von Gharibpours Text kann man einigermaßen den Stationen im Leben Rumis folgen, des im 13. Jahrhundert lebenden Sufi-Mystikers und Gelehrten, der als einer der bedeutendsten persischen Dichter gilt. Doch die Stationen und Orte scheinen nicht das Wesentliche zu sein, sondern Rumis Träume, sein Weg zur Erkenntnis und die Lehre von der Liebe als Hauptkraft des Universums, wie er sie in den Begegnungen und Gesprächen mit seinem Mentor, dem Mystiker und Derwisch Schams-e-Tabrizi, kurz Shams, formulierte, den er später in einer Gedichtsammlung verewigte. In Shams und Rumis Gespräch zu Beginn des zweiten Aktes spielen die Tenöre Homayoun Shajarian (Shams) und Mohammad Motamedi (Rumi) die Möglichkeiten des melismatischen Sprechgesangs der klassischen persischen Musik eindrucksvoll aus. Der bezwingende Ton wiederholt sich in ihrer zweiten Begegnung, deren mystischer Zug durch den anschließenden rituellen Shema unterstrichen wird, der eine Element der spirituellen Trancetänze ist. In der letzten Szene schlagen Rumi und seine Anhänger, denen der Geist des tanzenden Shams erschienen war, die mongolischen Feinde durch ihren Tanz in die Flucht – „As if the weapon of these people against the enemy is the message of love of the God and their power looks fiercely for the enemy“ –  und Rumi verkündet seine Botschaft „Let us gild this world of dirt with gold /Come! Let us be the early spring of Love!“.  Abdi gelingen geradezu plastische theatralisch Szenen, bei den er auch auf seine Erfahrungen als Filmkomponist zurückgreifen kann, die auch naive Hörer unmittelbar anzusprechen vermögen.

Das gleiche Erfolgsrezept wendete Abdi auch bei seiner nächsten Oper Hafez an. Wieder steht eine Symbolfigur der persischen Literatur im Mittelpunkt. Diesmal der Dichter Hafez, bei uns als Hafis und die Rezeption durch Goethe in seinem West-östlichen Divan bekannt. Wieder hat der Regisseur Gharibpour, der dafür Gedichte des Hafis verwendete und in Dialogform brachte, das Libretto geschrieben (unter www.naxos.com/Libretti leider nur auf persisch verfügbar). Wieder hat die Oper zwei Akte von jeweils gut 50 Minuten, ist in sieben bzw. sechs Szenen gegliedert, für die Abdi die gleichen Muster wie in Rumi benutzt, wobei Hafez farbiger und allein schon aufgrund des umfangreichen Personals – es werden mehr als 20 Figuren aufgelistet – abwechslungsreicher wirkt. Abdi und Gharibpour beschreiben das Leben des im 14. Jahrhundert lebenden Hafis (Mohammad Motamedi) angefangen von der Übergangszeit nach dem Tod von Sultan Abu Eshaq (Ali Momenian) und der Machtergreifung durch Sultan Mobarezedim (Babak Sabouri), der später durch seinen Sohn Schah Shoja (Mehdi Ernami) gestürzt wird, bis zum Abschied von Schiras und der Schlussszene, in der die Anhänger des Dichters um sein Grab tanzen. Wieder spielen Traumszenen und Erscheinungen, so der Traum, in dem Hafis neben anderen Dichter auch Rumi (Alireza Mehdizadeh) begegnet, und ausgedehnte rituelle Tänze eine zentrale Rolle. Teilweise mutet Hafez mit den Schreien, kreischenden Rufen, Reden und kleingliedrigen Wechselgesängen, die in die persischen Klänge hineinmontiert wurden und sie fast überlagern wie ein experimentelles Hörspiel an; unter den typischen Instrumenten werden in umfangreichen Abschnitten Nej, Kamantsche, Oud, Santur und Daf mit den Musikern Pasha Hanjani Danial Ajdari, Behnaz Behnamnia, Puya Saraei und Zakaria Yusefi solistisch ausgestellt. Obwohl Abdi zwei Szenen des Hafis ausdrücklich als Hafez‘ Aria I und Hafez‘ Aria II bezeichnet und es ausgedehnte Abschnitte melismatisch durchdringenden Solosingens gibt, lässt sich Hafez schwer neben westlichen Werken einordnen, andererseits wirkt die Musik keineswegs sperrig und unzugänglich, da Abdi eine exotisch sinnliche, aber auch wild zerklüftete Atmosphäre von besonderer Faszination kreierte (Abbildung oben: Hafis/Anselm Feuerbach/ Wikipedia).  Rolf Fath

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