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Selten habe ich eine Neuaufnahme mit soviel Enthusiasmus begrüßt wie José de Nebras dramatische Buffa Venus y Adonis (1729 Madrid) bei Aparté (AP 373), wo schon Komponistenname und Operntitel uns geographisch ansiedeln. Zeitlich ist dies spanische Übergangszeit zwischen Barock (da war die iberische Halbinsel immer ein bisschen hinterher) und Prä-Gluck, noch dem Barocken sehr verpflichtet, aber doch schon mit franco-italienischem Schwung des Kommenden.
Gesungen wird ganz prächtig, und das ist für einen Stimmen- und Opernfan vielleicht noch wichtiger als musikhistorische Bedeutsamkeiten. Das Damenduo Paola Valentina Molinari und Natalie Pérez in den Titelrollen sind einfach prachtvoll, sattstimmig und rundherum eine Wucht, dazu kommen ihre Kollegen Jone Martínez und Ana Vieira Leite; begleitet und geführt von Alberto Miguélez Rouco und seiner Truppe Los Elementos: fetzig, fabelhaft, Freude machend.
Dem stimmt auch Kollege Matthias Käther vom radio 3 zu: „An Raritäten mangelt auf dem Klassikmarkt wahrhaftig nicht. Dass aber ein hierzulande völlig unbekannter Komponist auch versierte Hörer erstaunt und beglückt, das passiert selten. Dies ist so ein Fall – da möchte man nach jedem Satz ein Ausrufezeichen setzen. Welche Sinnlichkeit! Was für hinreißende melodische Einfälle! Wie originell komponiert von der Ouvertüre bis zum Schlusschor!
Nebra war ein zentraler Opernkomponist Spaniens; dieses Frühwerk von 1729, das raffiniert italienische und spanische Traditionen, Buffa- und Seria-Einflüsse miteinander verquirlt, soll erst der Anfang einer Reihe von Gesamtaufnahmen sein, die das Ensemble Los Elementos in den nächsten Jahren einspielen will.“ ( radio3 am (21. 03. 2025).
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Wobei man ehrlicher Weise sagen muss, dass dies nicht die erste Begegnung mit dem Komponisten Nebra ist. Luis Antonio Gonzales dirigierte bei Alpha Nebras Dramma intitulata, ebenfalls bei Alpha kam unter seiner Leitung die Oper Amor valante de Amor (1728); und Alberto Miguélez Rouco spielte bei Glossa Donde hay violencia, no hay culpa (Zarzuela in 2 Akten, Madrid 1744) sowie bei Aparté Vendado es Amor,no es Ciego (Zarzuela,Madrid,1744) ein, bezeichnender Weise alle auf französischen Labels. Und sicherlich gibt es weiteres.
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Los Elementos/LE/TVE
Der Dirigent Alberto Miguélez Rouco, der die Oper rekonstruierte, hat im Beiheft zur Aufnahme bei Aparté einen hochinteressanten Artikel zu seiner Arbeit an Venus y Addonis und zum Werk selbst geschrieben, den wir hier mit Dank an den Autor in unserer eigenen Übersetzung widergeben. G. H.
Warum José de Nebra? José Melchor Baltasar Gaspar de Nebra Blasco (Calatayud, 6. Januar 1702 – Madrid, 11. Juli 1768) ist einer der bedeutendsten Komponisten des Spanien des 18. Jahrhunderts. Mit einem umfangreichen theatralischen und geistlichen Werkkatalog war er vielleicht der einzige spanische Komponist, der mit den italienischen Musikern im musikalischen Panorama des Madrider Hofes während der zentralen Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts mithalten konnte. Nach seiner musikalischen Ausbildung in Calatayud und Cuenca kam er 1717 nach Madrid, wurde 1719 zum Organisten der Descalzas Reales ernannt und 1722 zum Musiker des Herzogs von Osuna
Nach der Krönung von Ludwig I. im Jahr 1724 den Posten des ersten Organisten in der Königlichen Kapelle von Madrid. Als dieser starb, blieb er als Interimsorganist und begann seine erfolgreiche Karriere in den öffentlichen Theatern von Madrid, die ihm sowohl in Spanien als auch in den amerikanischen Kolonien enormen Ruhm einbrachte.
Mit der Thronbesteigung von Ferdinand VI. im Jahr 1746 gab Nebra allmählich die Komposition von Theatermusik auf, um sich der Bereitstellung von geistlicher Musik für die Königliche Kapelle zu widmen, insbesondere nachdem er zum Vizemeister der Kapelle von 1751 bis zu seinem Tod im Jahr 1768 ernannt wurde. Sein zweifellos herausragendstes Werk dieser Zeit ist das Requiem für Königin Bárbara de Braganza (1758), das sich großer Beliebtheit erfreute und bei allen königlichen Beerdigungen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein aufgeführt wurde.
Interessanterweise galt Nebra in der spanischen Musikwissenschaft lange Zeit als entschiedener Verteidiger der spanischen Musiktradition gegen die „italienische Invasion“ von Farinelli, Corselli, Scarlatti und Conforto, die den Hof beherrschten. Es genügt jedoch, einen einfachen Blick auf Nebras Musik zu werfen, um den italienischen Einfluss zu erkennen, wenn auch mit einer hervorragenden Integration der spanischer Folklore und des spanischen Geschmacks, sowohl in seinen Opern und Zarzuelas als auch in seinen religiösen Kompositionen.

Teatro del Principe Alfonso in Madrid/Wiklipedia
Wir haben es also mit einem der vielseitigsten und renommiertesten spanischen Musiker seiner Zeit zu tun, dessen Name heute selbst in Spanien fast unbekannt ist. Deshalb war es von Anfang an mein Hauptziel mit Los Elementos, sein umfangreiches Werk bekannt zu machen, angefangen bei seinem gesamten Bühnenwerk, das grundlegend für das Verständnis des musikalischen Panoramas des spanischen Barocks sind. Mit dieser allerersten Präsentation von Venus y Adonis möchten wir weiterhin unseren Beitrag dazu leisten, Nebra durch eines seiner wichtigsten Werke, das sich so sehr von späteren Zarzuelas unterscheidet, wieder zu altem Glanz zu verhelfen sowie den überschwänglichen hispanischen Barock, von dem es noch unzählige Schätze zu entdecken gibt, zu würdigen.
Venus und Adonis (Venus y Adonis) ist ein pastorales Melodram, das eine der bekanntesten Geschichten aus der antiken Mythologie erzählt. In der Version des Librettisten José de Cañizares ist die Göttin wütend darüber, dass Adonis‘ Schönheit ihrer eigenen trotzt, und macht sich daran, ihn zu töten. Sie bittet ihren Geliebten, den Gott Mars, zu handeln, und dieser ruft mit Hilfe der Göttin Kybele einen monströsen Eber, der den Hirten töten soll. Venus trifft jedoch zufällig auf den jungen Mann, und sie verlieben sich unsterblich ineinander. Als er von der Existenz des riesigen Ebers erfährt, beschließt er, ihn zu töten, trotz der Bitten der Göttin, die alles versucht, um ihn aufzuhalten. Adonis stirbt in den Armen von Venus, nachdem er von dem Tier gerammt wurde, woraufhin die Göttin beschließt, ihn zu verewigen, indem sie ihn in eine Blume verwandelt.

Venus und Adonis/Peter Paul Rubens/Wikipedia
Nachdem wir die Zarzuelas Vendado es Amor, no es ciego und Donde hay violencia no hay culpa, beide aus dem Jahr 1744, wiederhergestellt hatten, beschlossen wir, an seiner Oper (oder seinem melodramma) Venus y Adonis zu arbeiten, die 1729 als zweiter Teil von Las tres comedias en una. Es handelt sich um eine der beiden erhaltenen Opern aus seiner Jugend, bevor die italienischen Musiker, die Königin Isabella von Farnese Jahre später mitbrachte, einreisten. Im selben Jahr schrieb Nebra die Zarzuela Las proezas de Esplandián, die Autos sacramentales La semilla y la cizaña, La redención del cautivo und mehrere Komödien. Las tres comedias en una wurde von der Kompanie San Miguel am 12. November 1729 im Teatro del Príncipe in Madrid uraufgeführt und lief fünf Tage lang. Es ist möglich, dass Venus y Adonis einen Monat später, am 12. Dezember, als eigenständiges Werk im Teatro de la Cruz wiederaufgeführt wurde. Die genauen Namen der Sänger bei der Premiere sind nicht bekannt, aber zu den Sängern, die in diesem Jahr Teil der Kompanie San Miguel waren, gehörten mehrere der talentiertesten Schauspielerinnen und Sängerinnen der damaligen Zeit, darunter Francisca de Castro, Petronila Jibaja und Paula de Olmedo.
Das musikalische Manuskript, das im Heiligtum von Loyola aufbewahrt wird, weist darauf hin, dass das Werk 1733 kopiert wurde, während im Libretto, das in der Biblioteca Nacional de España aufbewahrt wird, ein Eintrag besagt, dass es auch in Valencia aufgeführt wurde. Es ist möglich, dass die musikalische Kopie, die bis heute erhalten ist, diejenige ist, die bei der Aufführung in Valencia verwendet wurde. Tatsächlich war die erste Arie der Venus in einem Pasticcio, La Dorinda, enthalten, das Francesco Corradini 1736 in Valencia komponierte.
Diese Oper hat eine Einakterstruktur und besteht aus einer Reihe von Rezitativen, Arien, drei Duetten und zwei Chören im italienischen Stil mit deutlichen internationalen Einflüssen. Nebra, der den Publikumsgeschmack kennt, verweigert dem Publikum jedoch nicht eine Arie mit einem eindeutig spanischen Charakter: Die Arie „Cualquiera mozuela“, gesungen von der komischen Figur Celfa, ist eine hervorragende Kombination aus einem Fandango in Teil A (der an das spätere Tempestad, amigo von Vendado es Amor, no es ciego) und einem Zarabandeque in Teil B, einem beliebten Tanz afrikanischen Ursprungs, den Komponisten wie Santiago de Murcia in ihren Werken für Gitarre verwendeten. Zu den vier ernsten Charakteren gesellen sich zwei komische, ganz in der Tradition der spanischen Zarzuela des 17. Jahrhunderts.
Die spanischen Dramatiker José de Cañizares und José de Nebra selbst erforschten alle theatralischen Mittel der damaligen Zeit aus, was zu einer großen stilistischen und thematischen Vielfalt führte: Bravour-Arien, Träume, Jagd, Tod, Rache und sogar ein Duett von „Hühnern“, in dem die komischen Figuren das Publikum begeistert haben müssen. Die Verwendung des Chors in den Rezitativen ist von besonderem Interesse, eine Praxis, die zweifellos aus der literarischen Tradition von Calderón de la Barca und Lope de Vega, Autoren des Goldenen Zeitalters Spaniens, die einen enormen Beitrag zur Entwicklung der Zarzuela leisteten. In Venus y Adonis kommentieren die Nymphen und Hirten das Geschehen in der Art eines griechischen Chors, spielen aber auch eine aktive Rolle in der Handlung in der großen Szene, in der Mars die Göttin Kybele anruft: Es sind die Stimmen, die in einem großen Effektvollen Zug auf den Gott von außerhalb der Szene reagieren, bevor die Göttin die Bühne betritt. Adonis wird in der Szene nicht vom Eber angegriffen, aber sein Tod in den Armen von Venus und seine anschließende Verwandlung in eine Blume finden auf der Bühne statt, und dies ist zweifellos einer der bewegendsten Momente des Werkes. Alberto Miguélez Rouco,/DL