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Verdi-Fans und besonders Freunde der französischen Oper wird das Herz schneller geschlagen haben, als sie die Ankündigung eines Macbeth in der Pariser Fassung (von 1865 für das Théatre Lyrique Impérial) nun beim Verdi Festival Parma 2020 hörten. Diese ist von Dynamik mitgeschnitten und veröffentlicht worden. Der Jubelkelch beinhaltet allerdings kleine Wermutstropfen, denn nicht alle italienischen Mitwirkenden sind im Französischen zu Hause…. Wie man auch beim Trouvere in der Dynamic-Einspielung aus Parma feststellen konnte. Dieser Macbeth bleibt auf weite Strecken eine italienische Affaire.
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Aber Ludovic Tézier sorgt in der Titelrolle des Macbeth für das richtige idiomatische Ambiente und singt fabelhaft wie stets, unglaublich wortdeutlich, vielleicht ein wenig weich im Timbre, was aber der Rolle gerecht wird. Schon seinetwegen lohnt sich die Anschaffung: Seine Szene mit den Hexen im 3. Akt und vor allem auch seine letzte Arie sind ein weiterer Beweis für seine wunderbare Stimme und seine Gestaltung, sonor, absolut wortverständlich und einen plastischen Charakter erschaffend. Ich muss gestehen, dass ich seine Teile der Aufnahme mehrfach hintereinander gehört habe und nicht genug davon bekommen konnte! Hier steht ein Künstler auf dem Zenith seines Könnens.
Die in letzter Minute eingesprungene und außerordentlich tapfere Silvia Dalla Benedetta macht einen jener kleinen Wermutsanteile nella tazza del delizio aus, ist doch die Stimme recht unruhig und auch scharf unter Druck, und man versteht nicht all zuviel vom französischen Text Nuitiers (dem Tüchtigen, der auch Wagners Tannhhäuser für die Opéra verarbeitete). Aber der gewisperte Brief im 1. Akt zeigt, dass sie beim Sprechen des Französischen hervorragend mächtig ist. Und sie steigert sich namentlich im zweiten Akt sehr. Die Nachtwandlerszene hat man schon eindrucksvoller gehört, trotz der Bemühung zur Gestaltung. Banquo und Macduff bleiben im italienischen Mittelfeld. Und einen Macduff stellt man sich strammer vor als Giorgio Berrugi. den er mit recht trockenem Timbre abliefert. Riccardo Zanellato macht als Banquo gute Figur, aber mehr gibt die Rolle ja auch nicht her. Francesco Leone fällt mir mit seinen drei Worten als Medico angenehm auf.
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Wir von operalounge.de halten jedoch diese erste Aufnahme (und Aufführung!) unter einem schwungvollen Roberto Abbado am Pult des Filarmonico Arturo Toscanini und des schlagkräftigen Teatro Regio di Parma (und des flotten Chores der Hexen und Höflinge am Ende des 1. Aktes!) für eine überaus wichtige Neueinspielung und eine mehr als ersehnte Ergänzung für den Kanon des französischen Verdi. Und sie ist unglaublicherweise wirklich eine Erstaufführung in moderner Zeit – denn selbst die beim französischen Rundfunk von 1972 ausgestrahlte Macbeth-Fassung mit Robert Massard und Michelle LeBris wurde in Italienisch gesungen. Soweit der Franzosen und ihr nationales Erbe …
Nachstehend folgt zum allgemeinen Verständnis der Artikel von Giuseppe Martini aus dem Beiheft der Dynamic-Aufnahme mit freundlicher Genehmigung des Teatro Regio di Parma in unserer eigenen Übersetzung von Daniel Hauser. G. H.
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Nun also der Text von Giuseppe Martini: Im März 1864 teilte Léon Carvalho, der Intendant des Pariser Théâtre Lyrique Impérial, Verdi mit, dass er eine französische Version von Macbeth inszenieren wolle; einen Titel, den der Komponist bereits 1847 kurz nach seiner Uraufführung im Pergola-Theater in Florenz für die Opéra übersetzen wollte, obwohl der Plan keine Gestalt annahm. Nachdem er Carvalhos Vorschlag erhalten und die sechzehn Jahre zuvor fertiggestellte Partitur ausgegraben hatte, erkannte Verdi sofort, dass viele Teile der Oper von 1847 weder mehr den Geschmack Mitte der 1860er Jahre trafen noch seine eigene musikalische Entwicklung widerspiegelten, nämlich Lady Macbeths Arie im zweiten Akt, einige Teile der Erscheinungsszene mit Macbeths Arie im dritten Akt und die ersten Szenen des vierten Aktes; sie mussten von Grund auf neu geschrieben werden, und um dem Geschmack des Pariser Publikums zu entsprechen, musste er das obligatorische Ballett einfügen und auf Carvalhos Wunsch Macbeths Schlussarie durch einen Chor ersetzen. Auf Verdis Warnung hin, dass er Zeit brauchen würde, antwortete Carvalho mit dem großzügigen Angebot einer Entschädigung und der Zusage, die Übersetzung des Librettos zu bezahlen. Von diesen Argumenten überzeugt, machte sich Verdi Anfang Dezember 1864 an die Arbeit und schickte am 3. Februar 1865 die fertige Partitur an Ricordi. Die neuen Teile des Librettos wurden Francesco Maria Piave anvertraut. Das Ballett wurde passenderweise im dritten Aufzug eingefügt (als Macbeth zu den Hexen geht): ein Ballabile in fünf Sätzen mit der Erscheinung von Hécate, beschlossen durch einen Sabbat vor Macbeths Ankunft und einen Tanz von Nymphen und Sylphen über dem besinnungslosen Macbeth, der nach den Prophezeiungen in Ohnmacht gefallen war.
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Der neue Macbeth, der am 21. April 1865 im Théâtre Lyrique – übrigens ohne Verdis Anwesenheit und mit mäßigem Erfolg – inszeniert wurde, war also eine musikalisch überarbeitete Oper nach dem italienischen Libretto von 1847, teilweise umgeschrieben und dann wieder exklusiv für die Pariser Aufführungen ins Französische übersetzt. Das Theaterleben der Oper setzte sich danach in der italienischen Neufassung fort, die 1874 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde und bis heute am häufigsten an den Opernhäusern der Welt vertreten ist. Im Vergleich zur Fassung von 1847 verzichtet die neue Fassung auf die traurige Intimität von Macbeths letzter Szene – er stirbt nun hinter den Kulissen – und verstärkt den trüben Farbton, der Verdis Wunsch entsprach, Shakespeares Realitätsnähe und Geschmack für das Phantastische zu vermitteln, das gleich zu Beginn seine Möglichkeit widerspiegelte, sich mit ungewöhnlichen Opernfiguren im Vergleich zu den Standards der italienischen Oper auseinanderzusetzen und ausdrucksstarke Lösungen anzustreben, die seinen Ambitionen von Innovation und Realismus näher kamen.
Daher Verdis Interesse an spektakulären Effekten und der Kraft von Worten und Gesten, auf die er sich auch 1865 konzentrierte und für die er kategorische Vorgaben machte. Neben der Inszenierung des Übernatürlichen war es Verdis Ziel, in Macbeth das obskure Durcheinander der menschlichen Seele zu vermitteln, indem er die Priorität bürgerlicher Werte und die Bedrohung durch die Zerbrechlichkeit der Psyche aufzeigte, ein Ziel, das nur durch eine brutale Wirkung zu erreichen war; dies kam im Jahre 1865 aufgrund der ästhetischen Parameter der Zeit unerwartet und wurde erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollständig gewürdigt.
Das Libretto: Die zwischen 1864 und Anfang Februar 1865 von Francesco Maria Piave vorgenommene Überarbeitung des Librettos von 1847, die teils sein eigenes Werk war, teils (die letzten beiden Akte) Andrea Maffei verfasst hatte, betraf vor allem die Neufassung von Lady Macbeths Arie im ersten Akt („Trionfai“, ersetzt durch „La luce langue“), das Rezitativ und die Erscheinungsszene, das Duett im dritten Akt („Ora di morte“ anstelle von „Vada in fiamme“) und das letzte Finale, in dem ein Siegeslied Macbeths „Mal per me che m’appressai“ ersetzt. Die Änderungen erschienen Verdi notwendig, nachdem er die Oper nach so vielen Jahren noch einmal studiert hatte, und erfolgten auch auf Wunsch des Impresarios Carvalho, der ausdrücklich um einen Chor anstelle von Macbeths Tod gebeten hatte.
Piave arbeitete hauptsächlich in Venedig, aber im Jänner 1865 auch zweimal mit Verdi in Sant’Agata. In vielen Fällen waren Verdis Vorschläge sehr explizit, und für „La luce langue“ wurden die Verse sogar vollständig von ihm und Strepponi geschrieben. Die sprachlichen Grundlagen der Erstfassung jedenfalls blieben unangetastet: scharfe Verse, prägnante Worte, vielfältige Ausdruckslagen, hoch und tief, komisch und erhaben. Verdi hatte Piave gebeten, das Sprachregister für die Hexenchöre schon bei der ersten Fassung zu senken, deren Layout auf der Grundlage von Carlo Rusconis italienischer Übersetzung von Shakespeares Tragödie von 1838 erstellt worden war. Verdi arbeitete an dem neuen italienischen Libretto, als er seine musikalischen Stimmen neu schrieb und daraus die französische Übersetzung – die der Pariser Verlag Léon Escudier von Anfang an zugesagt hatte – angefertigt wurde. Eine italienische Oper ins Französische zu übersetzen war schon immer ein heikles Thema aufgrund der Klangfarben und der prosodischen Unterschiede zwischen den beiden Sprachen. Tatsächlich hatte Duprez‘ Übersetzung, die so sehr darauf bedacht war, wörtlich zu sein, einen anderen Rhythmus als die Musik; nachdem man dies erkannt und Verdis es missbilligt hatte, vertraute Escudier im Jänner die Arbeit Charles Nuittier und Alexandre Beaumont an, die bereits die Libretti der Zauberflöte und des Tannhäuser ins Französische übersetzt hatten; Mitte April war die Arbeit getan.
Tatsächlich ist die französische Übersetzung von Macbeth nicht immer wortwörtlich (sie es ist in der Schlafwandler-Szene, aber deutlich weniger im Finale oder im Chor, der den vierten Akt eröffnet), da sie dem Rhythmus des italienischen Originaltextes folgt (nach dem Verdi seine Musik modelliert hatte), und greift manchmal sogar auf Shakespeares Text zurück (der Beginn der Hexenszene im dritten Akt). Giuseppe Martini/ mit freundlicher Genehmigung des Teatro Regio di Parma/ Übersetzung Daniel Hauser/ Abbildung oben: „Die drei Hexen“ zu „Macbeth“ von Shakespeare, Gemälde von Johann Heinrich Füssli/ 1785/ Wellcome Collection, CC BY/ Wikipedia
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Giuseppe Verdi: Macbeth (1865 French version) / Ludovic Tezier, bar (Macbeth); Silvia Dalla Benetta, sop (Lady Macbeth); Riccardo Zanellato, bs (Banquo); Giorgio Berrugi, ten (Macduff); David Astorga, ten (Malcolm); Francesco Leone, bs (Doctor); Natalia Gavrilan, mezzo (Countess); Jacobo Ochoa, bs (Assassin/Servant/1st Ghost); Pietro Bolognini, ctr-ten (2nd Ghost); Pilar Mezzardi Corona, mezzo (3rd Ghost); Teatro Regio di Parma Chorus; Arturo Toscanini Philharmonic Orch.; Roberto Abbado, cond / Dynamic CDS7915.02
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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.