Denke ich an die Lehr- und Wanderjahre meiner Opernerfahrungen nimmt Barry McDaniel einen der ganz ersten Plätze in der ersten Reihe ein. Er ist für mich nicht wegzudenken in den vielen Mozartaufführungen neben Pilar Lorengar, „Biggi“ Fassbaender oder eher noch Patricia Johnson, im fast ewigen Tandem mit Donald Grobe (gelegentlich Luigi Alva), Dietrich Fischer Dieskau (oder Gerd Feldhoff bzw. Manfred Röhrl) und natürlich fast immer Lisa Otto (wenn Erika Köth nicht kam). Seine unvergessliche Mitwirkung in Henzes „Jungem Lord“ (neben dem betörend aussehenden Loren Driscoll) und seine vielen, vielen anderen Rollenverkörperungen, seine launigen Lieder- und Operettenauftritte, seine unendlich vielen Radio-Aufnahmen beim SFB und anderen Anstalten lassen Barry McDaniel für mich die leibgewordene Verkörperung des Bühnenerlebens selbst sein, für die Deutsche Oper Berlin zumindest. Nachstehend der offizielle Nachruf seines Berliner Stammhauses, aber im Gedächtnis bleibt er mir als eleganter, unendlich idiomatischer Sänger (absolut fehlerfreies Deutsch, was bei Amerikanern jener Jahre nicht unbedingt das Normale war), der jeden Abend zeigte, wie spontan sich Musik mitteilte, der seine Rollen zu ganz eigenem und unverwechselbarem Leben erfüllte und dessen weiche, lyrische Stimme von unglaublichem, unverwechselbarem Wohlklang war. Es gibt von der Met einen Pelleas mit ihm, der zu meinen absoluten Idealaufnahmen dieser Oper zählt, aber eben in Berlin lernte ich mit und durch ihn, was Oper sein kann: direkte Kommunikation mitten ins Herz. Wie kann ich ihn je vergessen? G. H.
Aus dem Kreis der Sänger, die in den sechziger Jahren dem Ensemble der Deutschen Oper Berlin zu Weltruhm verhalfen, ist er nicht wegzudenken: der Bariton Barry McDaniel (18. Oktober 1930 – 18. Juni 2018), der hier, nicht einmal 32-jährig, am 24. Juni 1962 sein Bühnendebüt als junger Dichter Olivier in Richard Strauss‘ CAPRICCIO feierte: Eine Rolle, die dem US-Amerikaner aus Kansas quasi auf den Leib geschrieben war. Denn die Sensibilität der Textinterpretation, das subtile Spiel mit Farb- und Bedeutungsnuancen standen von Anbeginn an im Zentrum seiner künstlerischen Laufbahn als Opern-, Konzert- und vor allem als Liedinterpret. Diese Leidenschaft für Schumann, Schubert und Carl Loewe, aber auch für Debussy und Ravel machte Barry McDaniel zu einem „artists‘ artist“, einem Sänger für diejenigen, die genau hinzuhören gewillt waren, umso mehr, als seiner dezidiert lyrischen Stimme die dramatischeren Ausdrucksregionen der großen Oper weitgehend verschlossen blieben. Gleichwohl war die stilistische Bandbreite, die McDaniel in den 37 Jahren zeigte, die er im Ensemble der Deutschen Oper Berlin verbleiben sollte, beeindruckend und reichte von Barockopern wie Cavallis LA CALISTO über die großen Mozartpartien seines Fachs bis hin zu Uraufführungen wie Aribert Reimanns MELUSINE oder Hans Werner Henzes DER JUNGE LORD. Ab Mitte der achtziger Jahre reduzierte Barry McDaniel aus gesundheitlichen Gründen seine Auftritte, blieb seinem Stammhaus aber bis 1999 in Rollen wie Melot (TRISTAN UND ISOLDE), erster Gefangener (FIDELIO) und Alcindoro (LA BOHEME) weiter verbunden. Als 2012 eine Aufnahme mit frühen Liedaufnahmen des Sängers erschien, wurde noch einmal bewusst, welch eigenständige Künstlerpersönlichkeit hier, im Berlin der Nachkriegszeit, gewirkt hatte: Eine späte Würdigung für den Bariton, der nun, am 18. Juni 2018, nach langer Krankheit in Berlin verstorben ist. Die Deutsche Oper Berlin trauert um einen herausragenden Künstler und hoch verehrten Kollegen. (Quelle: Pressestelle Deutsche Oper Berlin/ Foto oben: Barry McDaniel/Kranichfoto)