Die Musik zum Leuchten bringen

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In wenigen Jahren hat sich der Italiener Vincenzo Milletarì als einer der gefragtesten Dirigenten der jüngeren Generation etabliert. Erst etwas über 30 dirigiert er seit einigen Jahren besonders viel in Skandinavien, hat aber auch schon international große Erfolge feiern können. Etwa im Jahr 2020 bei seinem Debüt beim Macerata Opera Festival mit Il trovatore, damals als jüngster Dirigent in der Geschichte des Festivals. Oder letztes Jahr mit einer vielbeachteten Produktion von Donizettis Frühwerk L’aio nell’imbarazzo beim Festival Donizetti Opera und dieses Jahr bei seinem Frankreich-Debüt in Tours mit Donizettis Deux hommes et une femme. Nun gibt er in einer Operngala mit Carmela Remigio und Freddie De Tommaso sein Debüt beim Kissinger Sommer. Mit Beat Schmid hat er unter anderem über eben jenes Konzert gesprochen, über seine Zeit als Schüler Riccardo Mutis, seinen Werdegang.

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Ich bin in Süditalien geboren und aufgewachsen. Dort habe ich begonnen, Klarinette und Komposition zu studieren. Mit 18 Jahren zog ich zunächst nach Mailand und dann nach Deutschland, wo ich Dirigieren studierte. Abgeschlossen habe ich mein Studium dann in Kopenhagen an der Royal Academy of Music.

Vincenzo Milletarì/ Foto Marco Borelli

Wie ist es, bei einer lebenden Legende wie Riccardo Muti zu studieren? Ich war noch recht jung und ich wünschte, ich könnte jetzt, mit mehr Erfahrung nochmals sein Schüler sein. Natürlich war es atemberaubend. Sein Genie, seine handwerklichen Fähigkeiten als Musiker, sein Wissen als Interpret sind etwas Einzigartiges. Was er mir gelehrt hat, wird mir immer fest in Erinnerung bleiben. Ich schätze mich wirklich glücklich, diese Gelegenheit gehabt zu haben.

Haben Sie eine größere Affinität zur Instrumentalmusik oder zur Oper? Ich wuchs mit einer seltsamen Mischung aus Jazz und zeitgenössischer Musik post Darmstädter Schule auf und verliebte mich dann in die großen Meister des symphonischen Repertoires. Jetzt fühle ich mich im Orchestergraben eines Opernhauses sehr wohl, aber eine gute Woche mit Symphonien ist immer etwas Tolles.

Was sind die größten Herausforderungen beim Dirigieren von Symphonie- und Opernmusik? Auch wenn das eigenwillig klingen mag, besteht die größte Herausforderung darin, hinter der Musik zu verschwinden, die Musik und den Komponisten zum Leuchten zu bringen. Und wenn das passiert, man während des Konzerts spürt, wie das Orchester regelrecht fliegt ist das für mich das größte Glück.

Sie eröffnen den Kissinger Sommer mit einer italienischen Operngala. Wie wird das Programm aufgebaut sein? Das Programm wird eine Reise durch Werke der größten Komponisten des italienischen Repertoires sein, natürlich mit einer kleinen Ausnahme (Tschaikowski). Die erste Hälfte des Programms ist dem Belcanto und dem Verismo-Repertoire gewidmet und die zweite Hälfte Shakespeare und Italien. Deshalb werden wir Macbeth und Otello von Verdi spielen und die Stücke mit einer großartigen Ouvertüre von Tschaikowski über Romeo und Julia einleiten.

Haben Sie auch Oper in Deutschland dirigiert? Bisher nicht. Ich wurde in den letzten Jahren einige Male eingeladen, konnte aber aufgrund anderer Engagements nicht. Ich habe allerdings bereits ein Konzert in Nürnberg dirigiert, und nun bin ich in Bad Kissingen und freue mich auf das Konzert hier. Und ich denke, dass in Zukunft mehr in Deutschland kommen wird.

Vincenzo Milletarì/ Foto Marco Borelli

Sagen sie doch mal Sie Ihren(n) Lieblingsopernkomponist(en) und warum. Natürlich Verdi, der menschlichste aller italienischer Komponisten. Mit seiner Musik erzählte er ein ganzes Jahrhundert, von seinen sozialen, politischen und persönlichen Kämpfen. Wir verdanken Verdi die Vereinigung Italiens und einen großen Teil der Identität unseres Landes.

Sie haben sowohl Opera seria, als auch Opera buffa dirigiert: Was sind die Herausforderungen beider Genres und haben Sie eine Vorliebe? Die opera buffa ist meiner Meinung nach viel schwieriger als die opera seria. Die buffa erfordert viel Arbeit und Vorbereitungen während der szenischen Proben mit dem Regisseur, um das richtige Timing zwischen Schauspiel und Musik zu finden, ganz zu schweigen davon, wie heikel die Arbeit an den Rezitativen ist. Opera seria, insbesondere im romantischen Repertoire, ist näher an der symphonischen Musik. Das Orchester erzählt gemeinsam mit der Bühne eine Geschichte, die Farben sind reicher und kräftiger

Und zum Schluss Ihre anstehenden Engagements? Abgesehen von der Operngala in Bad Kissingen dirigiere ich im Sommer meine erste Tosca in Aarhus. Nächste Spielzeit kommt dann La Cenerentola in Oslo, Suor Angelica in Mailand, Rigoletto in Prag, eine Neuproduktion des Barbiere di Siviglia in Stockholm und Konzerte mit dem Bergen Philharmonic Orchestra.  Das Interview führte Beat Schmid (Foto oben: Marco Borelli)