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Hulkar Sabirova (die Hélène in den neuen Vêpres siciliennes im März/April 2022) ist der Deutschen Oper Berlin seit dem Beginn ihrer Karriere verbunden. Die aus Usbekistan stammende deutsche Sopranistin startete dort ihre Laufbahn als Stipendiatin und war anschließend für drei Jahre Ensemblemitglied des Hauses. Schnell wurde sie dort in Rollen wie der Königin der Nacht in der Zauberflöte, bald auch in der Titelpartie von Lucia di Lammermoor und im Sopranpart in szenischen Aufführungen des Verdi-Requiem bekannt. Zuletzt feierte sie große Erfolge etwa als Rosalinde in der Fledermaus und Madama Cortese im Viaggio a Reims feiern. Auch abseits der Deutschen Oper macht die dramatische Koloratursopranistin eine beachtliche Karriere, etwa an Opernhäusern und Festivals wie dem Teatro Real in Madrid, der Staatsoper Hamburg, der Semperoper Dresden, der Arena di Verona und dem Savonlinna Opera Festival. Ab dem 20. März 2022 ist die Sängerin in der Neuinszenierung von Verdis Oper Les vêpres siciliennes an der Deutschen Oper Berlin zu erleben und gibt mit der Hélène ein wichtiges Rollendebüt. Mit Helmut Brinkmann hat die Sopranistin über diese Rolle an der Deutschen Oper, ihren Werdegang und ihr Stimmfach als Dramatischer Koloratursopran gesprochen.
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Auf Ihrer Webseite werden Sie als dramatischer Koloratursopran bezeichnet. Wie definieren Sie dieses Stimmfach und was sind die stimmlichen Anforderungen an eine dramatische Koloratursopranistin? Ein Dramatischer Koloratursopran ist eine „lange“ Stimme, mit großer Beweglichkeit und guter Höhe, aber auch mit Durchschlagskraft in der Mittellage und einer eher warmen Stimmfarbe.
Auch die Hélène in den Vêpres siciliennes kann als dramatische Koloraturpartie bezeichnet werden. Nach mehreren Stunden Musik und zwei Arien hat die Sängerin dieser Rolle im letzten Akt die wohl schwierigste Arie und das berühmteste Stück der Oper zu singen, den Bolero. Was sind die Anforderungen dieser Rolle und wie würden Sie den Charakter der Hélène beschreiben? Hélène ist eine sehr lange Partie, die große Ausdauer verlangt und die Fähigkeit, sowohl dramatisch, als auch zart zu singen. Und Koloraturen sind auch dabei. Also, eine super vielfältige und herausfordernde Partie. Sie ist eine Frau, die zwischen Liebe und Krieg hin und her pendelt. Also eine sehr hin- und hergerissene Frau. Daher finde ich die Rolle darstellerisch sehr interessant, da in ihr so viele unterschiedliche Emotionen und Gefühle vorhanden sind.
Sie verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper und Sie haben Ihre Karriere eigentlich von dort aus gestartet. Wie würden Sie Ihre Verbindung zu diesem Haus beschreiben? Ich hatte großes Glück meine ersten Schritte als Sängerin gleich an der Deutschen Oper zu machen. Ich liebe dieses Haus, seit 12 Jahren arbeite ich regelmäßig hier, habe viele Freunde und liebe Kollegen. Daher bin ich glücklich darüber, eine wunderschöne und herausfordernde Partie wie Hélène hier singen zu dürfen, sozusagen zu Hause. Das macht besonders viel Freude.
Wenn man sich Ihren Werdegang anschaut fällt auf, dass Sie Ihr Repertoire sehr organisch entwickeln. Die Rollenentwicklung könnte man eigentlich als exemplarisch für einen dramatischen Koloratursopran bezeichnen: Erst die Königin der Nacht und Konstanze, dann nach und nach schwerere Partien. Vor ein paar Jahren haben Sie wohl die Partie für dramatischen Koloratursopran schlechthin gesungen, Norma. Wie geht man eine solche Rolle an, die ja von so vielen großen Sopranistinnen der letzten Jahrhunderte interpretiert wurde. Norma ist eine Art „Qualitätsprüfung“ für jede Sängerin, die sich da rantraut. Ich hatte großen Spaß diese Partie zu singen, aber noch mehr freue ich mich auf die nächsten Norma-Produktionen, da diese Partie mit der Zeit reift und ich denke, dass ich sie jetzt anders gestalten würde als vor ein paar Jahren. Norma ist musikalisch und emotional eine sehr vielfältige und inspirierende Partie.
Um bei Verdi zu bleiben: Folgen nach der Hélène in den Vêpres siciliennes weitere dramatische Koloraturpartien aus seiner Feder? Die Leonora im Trovatore haben Sie ja bereits gesungen, aber es gibt noch so viele Sopranpartien des frühen Verdi, die Ihnen wunderbar liegen dürften. Ich denke da etwa an die Hélène aus Jérusalem, die Giovanna d’Arco oder Amalia in I masnadieri. Traumpartien aus Werken, die leider sehr selten aufgeführt werden. Aber wer weiß, ich lasse mich überraschen. Falls ein Hause darüber nachdenkt, ich bin bereit! (sie lacht)
Wenn wir über dramatische Koloraturpartien Verdis sprechen, dürfen die schwereren Rollen natürlich nicht fehlen. Wird irgendwann auch einmal eine Odabella/Attila, eine Abigaille/Nabucco oder eine Lady Macbeth kommen? Ich finde diese Opern sollte man singen, wenn man das wirklich gut singen kann. Ich würde mich sehr freuen, wenn meine Stimme sich dahin entwickeln könnte und ich auch diese Partien eines Tages singen werde!
Um bei Verdi zu bleiben freue ich mich auf die Neuinszenierung von Verdis Requiem szenisch in der Schweiz, was ich auch hier an der Deutschen Oper gemacht habe. Regelmäßig singe ich auch die Rosalinde in der Fledermaus, demnächst unter anderem an drei großen Opernhäusern in Deutschland sowie in Österreich. Ein Stück, in dem ich erfreulicherweise am Ende nicht sterbe.
Sie wurden in Usbekistan geboren und sind dort aufgewachsen. Wie war Ihr Werdegang genau und wie sind Sie zur Musik und zum Gesang gekommen? Ich habe als Kind schon immer gern gesungen und Musik gehört. Meine Mutter hat das gefördert und mich für die Staatliche Musikschule für musikalisch begabte Kinder angemeldet, wo ich nach Aufnahmeprüfungen angenommen wurde.
Es war mir klar, dass ich Gesang studieren möchte. Auf eigene Initiative habe ich über die deutsche Botschaft in Usbekistan die Adressen von den Musikhochschulen in Deutschland bekommen. Ich habe Demo-Aufnahmen dort hingeschickt und wurde so zur Aufnahmeprüfung nach Mannheim eingeladen.
Ich habe in Taschkent einen Deutschkurs am Goetheinstitut besucht, was mir eine gute Basis gegeben hat. Als ich nach Deutschland kam, feilte ich an meinen Sprachkenntnissen, indem ich ausschließlich deutsch gesprochen und gelesen habe. Ich lerne sehr gerne Fremdsprachen, da mir das jedes Mal eine neue Welt öffnet.
Sind Sie oft in Ihrer Heimat und haben Sie noch Familie dort? Wie würden Sie die Lebensverhältnisse der Menschen dort beschreiben? Meine Mutter lebt in Usbekistan. Ich war leider seit mehreren Jahren nicht mehr dort. Die Lebensverhältnisse sind ganz anders als die in Westeuropa. Aber ich hoffe, dass dieses Land, das eine so reiche Kultur und Geschichte hat auch eines Tages eine höhere Lebensqualität haben wird. Das wünsche ich mir von ganzem Herzen! (alle Fotos Bettina Stöß)