Anna Tomowa-Sintow zum 80.

Kaum eine andere Stimme hat mich – um Sonnleithners Satz abzuwandeln – so in „die Tiefe des  Herzens“ getroffen wie die von Anna Tomowa-Sintow (* 22. September 1941 in Stara Zagora). Ich werde nie ihre Arabella in Hamburg vergessen, wo ihre frauliche Erscheinung und die Innigkeit der Stimme mich verzauberten, die Bühne vergessen machten, die wunderbaren ätherischen Piano-Noten wie selbstverständlich hinnehmend. Diesen Zauber besaß sie auch privat: Ihr Charme, ihr Lächeln, ihre Augen besaßen etwas Strahlendes, Einmaliges, ebenso Liebevolles wie klug Erfassendes. Ich lernte sie bei Freunden nach einem ihrer ersten Konzerte in West-Berlin kennen und war sofort eingefangen von eben diesem Charme, hatte sie zuvor an der Lindenoper gehört, erlebte sie dann in London (Andrea Chénier und Fürst Igor), Salzburg (in dem denkwürdigen, eleganten Capriccio und im Don Giovanni post-Karajan) und anderen Orten. Für mich verbinden sich ihre besten Dokumente (die Bernd Hoppe nachstehend würdigt, auch wenn viele nun aus den Katalogen verschwunden sind) mit der Erinnerung an eben diese strahlende, charmante und bezaubernd aussehende Frau und Sängerin, der wir zu ihrem 80. gratulieren. G. H.

 

1972 bekam das Ensemble der Berliner Staatsoper bemerkenswerten Zuwachs durch das Engagement der jungen bulgarischen Sopranistin Anna Tomowa-Sintow. 1965 war sie aus ihrer Heimat in die damalige DDR gekommen und hatte am Opernhaus von Leipzig ihre Laufbahn begonnen. Nach kleineren Aufgaben, daneben aber schon der Abigaille in Verdis Nabucco, war die Titelrolle in Puccinis Madama Butterfly 1967 der Durchbruch. Damit gastierte sie im Januar 1971 auch an der Oper Unter den Linden, was zu ihrer Verpflichtung nach Berlin führte. War sie schon in Leipzig Mittelpunkt vieler Aufführungen gewesen, so entwickelte sie sich an der Staatsoper schnell zur führenden Sopranistin des Ensembles. Die Stützpfeiler ihres Repertoires waren Mozart, Verdi, Puccini und Strauss. In der Historie der Sängernation Bulgarien ist Anna Tomowa-Sintow ein einmaliges Phänomen. Keine andere Sopranistin hat es vermocht, ein derart vielseitiges und divergierendes Repertoire gleichermaßen kompetent zu interpretieren. Die Stimme wies von Beginn an ein einzigartiges, unverwechselbares Timbre auf, verfügte über eine glanzvolle, leuchtende Höhe, substanzreiche Mittellage und üppige Tiefe. Der Klang war leidenschaftlich, glutvoll und sinnlich, daneben waren ihm – dank mirakulös schwebender piani – aber auch innigste und zarteste Töne eigen.

Mit der Gräfin im Figaro war der Einstieg in Berlin 1972 mit hohen Erwartungen verbunden. Immerhin gab Theo Adam mit dieser Inszenierung sein Debüt als Regisseur und die Partie war in der deutschen Tradition mit einer Interpretation von instrumental geführten Stimmen besetzt. Wie würde eine Bulgarin diesem Anspruch gerecht werden? Ihr blutvoller, emotionsstarker Gesang mit sinnlichem Vibrato stieß dann auch auf kontroverse Urteile. Dennoch wurde die Partie zu einer ihrer international erfolgreichsten Rollen. Sie sang sie am Royal Opera House London, am Grand Théâtre de Genève, bei den Salzburger Festspielen und an der Wiener Staatsoper. Die beiden letzten Stationen markierten wichtige Etappen ihrer mehr als fünfzehnjährigen Zusammenarbeit mit Herbert von Karajan. Der Dirigent hatte sie 1973 für die Uraufführung von Orffs De temporum fine comoedia in Salzburg verpflichtet, danach auch für ein Konzert mit Bachs Magnificat in der Berliner Philharmonie. Fortan gehörte sie zu seinem festen künstlerischen Stamm. Nach wiederholten Auftritten als Contessa im Figaro in der legendären Ponnelle-Produktion bei den Salzburger Festspielen zählte der Figaro auch zu jener Trias, mit der Karajan 1977 seine Rückkehr an die Wiener Staatsoper und das Pult der Wiener Philharmoniker feierte. Tomowa gab damit ihr Debüt im renommierten Haus am Ring, das von nun an zu einer ihrer regelmäßigen Wirkungsstätte werden sollte. ORFEO veröffentlichte den Premierenmitschnitt vom 10. Mai 1977 und in der Wiener Besetzung nahm DECCA das Werk 1978 auch im Studio auf.

Neben der Contessa war die Donna Anna im Don Giovanni die international erfolgreichste Mozart-Partie der Tomowa. Sie hatte sie schon an der Oper Leipzig interpretiert und danach auch an der Berliner Staatsoper, bevor sie damit ihre Debüts an den drei wichtigsten Opernhäusern der USA gab: 1974 in San Francisco, 1978 an der New Yorker Met, 1979 an der Lyric Opera of Chicago. Bei den Salzburger Festspielen war sie – im Abstand von fast zehn Jahren –  zweimal in dieser exponierten Rolle zu erleben: 1977 in der Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle unter Karl Böhm und 1986 in der von Michael Hampe unter von Karajan. Beide Produktionen liegen als CD-Ausgaben vor – erstere bei DG mit Sherill Milnes in der Titelpartie, letztere gleichfalls bei DG mit Samuel Ramey als Titelheld (auch als DVD).

Im Vergleich dazu hatte sie bei der Fiordiligi in Così fan tutte weniger Gelegenheit, sie auf internationalen Bühnen vorzustellen, doch sang sie die Partie immerhin 1975 bei ihrem Londoner Debüt an der Covent Garden Opera. Und in Berlin war die entzückende Inszenierung im Apollo-Saal der Staatsoper jahrelang ein Juwel im Repertoire, überaus beliebt bei den stetig wachsenden Verehrern der Sängerin, die ihr nicht selten ein Da capo der „Felsen“-Arie abverlangten.

Tomowas erste Begegnung mit dem Werk von Richard Strauss fand schon in ihrer Leipziger Zeit statt, wo mit Paul Schmitz ein Dirigent wirkte, der mit dem Komponisten freundschaftlich verbunden war und noch mit ihm gearbeitet hatte. Es war ein Glück für die junge Sängerin, mit ihm die Arabella einstudieren zu können. Die Partie wurde dann auch an der Staatsoper einer ihrer größten Erfolge – mit strömender Fülle und blühendem Melos hinreißend gesungen, mit wienerischer Aura und slawischer Melancholie unvergleichlich verkörpert.  Sie gab die Rolle auch an der Oper Köln, am Opernhaus Zürich und an der Bayerischen Staatsoper München sowie bei deren Gastspiel in Japan. Die Titelrolle in Ariadne auf Naxos ist offiziell von der DG eingespielt worden, nachdem sie damit an der Berliner Staatsoper debütiert und sie auch in Zürich, Buenos Aires, London und Wien gesungen hatte. Der Auftritt bei den Salzburger Festspielen 1982 unter Wolfgang Sawallisch wurde von ORFEO auf CD festgehalten. Unvergessen ist ein Gastspiel der Wiener Staatsoper 1979 in Prag, noch unter Karl Böhm und mit Edita Gruberova als Zerbinetta, die nach ihrem Weggang aus der Tschechoslowakei erstmals wieder in Prag auftrat und von ihren Landsleuten triumphal als Heimkehrerin gefeiert wurde. Dass sich Tomowa daneben mit ihrer erhabenen Interpretation der Titelpartie behaupten konnte, war sicher auch ein Grund für die Schallplattenverpflichtung mit dem Wiener Ensemble 1986 unter James Levine.

Alle diese Erfolge überragt jener mit der Marschallin im Rosenkavalier. Nach dem Debüt an der Berliner Staatsoper und einem Auftritt in Wien erkor sie Karajan 1983 zur Heldin in seiner Inszenierung bei den Salzburger Festspielen. Tomowa war in diesem Sommer die Königin an der Salzach, euphorisch gefeiert und von den Medien umworben. Die Einspielung auf CD bei der DG und ein Aufführungsmitschnitt auf DVD dokumentieren dieses Ereignis. Die Sängerin stellte ihr berührendes Porträt einer erfahrenen und um die Dinge des Lebens wissenden Frau auch an der New Yorker Met und in London vor. Die Aufführung in Covent Garden wurde auf dem Eigenlabel des Opernhauses veröffentlicht. Mit dem Rollendebüt als Gräfin im Capriccio konnte sie 1985 in Salzburg an ihren Erfolg mit der Marschallin anknüpfen. In der Neuinszenierung von Johannes Schaaf bezauberte sie mit mondäner Erscheinung und unwiderstehlichem Charme, glamourös gewandet mit weißer Robe und Kappe von Andreas Reinhardt. ORFEO hat den Mitschnitt der Premiere auf CD veröffentlicht.

In der Spätphase ihrer Karriere gab es noch Ausflüge in das betont dramatische Fach mit der Salome in Barcelona und der Ägyptischen Helena in Paris und Athen 1993, doch fanden diese Auftritte keine Wiederholung. Mit der Kaiserin in Die Frau ohne Schatten gelang der Sängerin noch ein bedeutendes Porträt, bedingt durch die menschliche, berührende Dimension, welche sie der Figur gab, und die stimmliche Intensität in den Monologen. Vor allem in London 1992 wurde sie dafür in der spektakulären, von David Hockney ausgestatteten Inszenierung gefeiert.

Nicht vergessen werden darf Tomowas sehr persönliche Interpretation der Vier letzten Lieder. Nach Auftritten an der Mailänder Scala (unter Wolfgang Sawallisch). bei den Salzburger Festspielen (unter Karl Böhm) und in der Berliner Philharmonie (unter Herbert von Karajan) wurde diese gekrönt von der Einspielung unter von Karajan bei der DG, gekoppelt mit dem Schlussmonolog der Gräfin aus Capriccio und dem Strauss-Lied „Die heiligen drei Könige“. Lieder dieses Komponisten fanden sich auch in den Programmen der Liederabende (neben solchen von Brahms und Tschaikowsky), die Tomowa vielerorts gegeben hat. Noch vielfältiger war ihr Konzertrepertoire, das sich von Bach (Magnificat, Matthäus-Passion) über Haydn (Schöpfung) und Mozart (Requiem, Krönungsmesse) bis zu Beethoven (9. Sinfonie, Missa solemnis) und Bruckner (Te Deum) spannte. All diese Werke hat sie unter von Karajan gesungen und zumeist auch aufgenommen.

Neben Strauss gab es in der Karriere auch Begegnungen mit dem Werk Richard Wagners. Vor allem als Elsa im Lohengrin wurde sie immer wieder verpflichtet – in Berlin, Brüssel, London, Mailand und New York. Karajan besetzte sie in seiner Neuproduktion bei den Salzburger Osterfestspielen 1975 und nahm diese 1981 für EMI auf. Als Elisabeth im Tannhäuser debütierte sie an der Berliner Staatsoper und wirkte danach 1982 in der Neuinszenierung des Werkes an der Wiener Staatsoper mit. Mit der Interpretation der Titelrolle in Korngolds Das Wunder der Heliane bei DECCAs Einspielung im Rahmen der Reihe „Entartete Musik“ 1993 erweiterte sie ihr deutsches Repertoire noch um eine veritable Rarität.

Einen mindestens ebenso breiten Raum wie das deutsche nahm das italienische Repertoire in der Arbeit der Sängerin ein. Den Beginn markierte, wie bereits erwähnt, die Butterfly in Leipzig. 1985 hatte sie Gelegenheit, die Partie an der Lyric Opera of Chicago zu wiederholen, was von Lyric Distribution auf CD festgehalten wurde. 1987 produzierte die bulgarische Firma BALKANTON in Sofia eine Gesamtaufnahme der Oper mit Giacomo Aragall als Pinkerton, die CAPRICCIO 1990 für eine CD-Ausgabe übernahm. Aber Tomowa sang in Leipzig auch schon die Violetta in La traviata, die sie später an der New Yorker Met (1987) und an der Lyric Opera of Chicago (1988) vorstellte. 1987 nahm BALKANTON das Werk für die Platte auf, wiederum prominent besetzt mit Aragall als Alfredo, die leider nicht den Weg auf die CD fand, als LP aber ein begehrtes Sammlerstück darstellt. Sogar die Leonora im Trovatore findet sich schon in Tomowas Leipziger Chronik, 1987 sollte die Partie zu einem ihrer größten Triumphe in Chicago werden – überwältigend in der Italianità, im stimmlichen Farbspektrum und dem mitreißenden dramatischen Aplomb. Bedauerlich, dass es von dieser Sternstunde der italienischen Oper kein offizielles Dokument gibt, doch existiert immerhin ein Privatmitschnitt unter Sammlern.

Zu den größten und erfolgreichsten italienischen Rollen der Sängerin zählt die Aida. Nach dem Debüt 1974 in Berlin war ihre Mitwirkung in der Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper München 1979 unter Riccardo Muti mit Plácido Domingo und Brigitte Fassbaender ein Gipfelpunkt ihrer Karriere. Nach der Veröffentlichung auf privaten Labels (Legendary Recordings) hatte sich ORFEO dankenswerterweise 2002 zu einer offiziellen Herausgabe entschlossen, um dieses singuläre Verdi-Dokument zu bewahren.

Bei Freunden in West-Berlin: Anna Tomowa-Sintow und Gatte Avram Sintow mit Tochter Silvana und Geerd Heinsen/ Foto Steinhäusser

Bedeutende Interpretationen gelangen der Sängerin bei den Sopranpartien des mittleren Verdi. Das Leonora-Debüt in der Forza del destino fand bereits 1976 in San Francisco statt, 1980 sang sie die Partie an der Wiener Staatsoper neben José Carreras, was durch einen Mitschnitt auf Legendary Recordings belegt ist, 1981 an der Pariser Oper mit einer TV-Übertragung. Mit der Elisabetta in Don Carlo debütierte sie gleichfalls in San Francisco (1979), sie sang sie 1990 auch an der Hamburger Staatsoper. Die erste Amelia im Ballo in maschera fand 1980 an der Oper Köln statt, 1984 folgte eine Produktion am Grand Théâtre de Genève an der Seite von Luciano Pavarotti, wovon eine Fernsehübertragung erhalten blieb. Ein offizielles Bilddokument auf DVD existiert von ihrer Amelia im Simon Boccanegra 1984 aus der New Yorker Met neben Sherrill Milnes unter James Levine.

Die Desdemona in Verdis Otello begleitete die Sängerin seit Beginn ihrer Karriere in Leipzig. An der Berliner Staatsoper war sie nach der Figaro-Gräfin ihre zweite Premierenpartie in der umstrittenen Inszenierung von Harry Kupfer. In der Folge war Tomowa mehrfach die Partnerin von Plácido Domingo – an der Wiener Staatsoper 1987 (von ORFEO auf CD herausgegeben), bei den Bregenzer Festspielen und beim Gastspiel der Mailänder Scala in Tokyo 1981 unter Carlos Kleiber, wovon ein CD-Mitschnitt bei ARTISTS erschien.

Die Fans der Sängerin bedauern noch heute, dass es nicht zu einer Ernani-Produktion mit Anna Tomowa-Sintow gekommen ist. Die Arie der Elvira „Ernani involami“ gehörte jahrelang zu ihren cavalli di battaglia. Zweimal findet sich die Nummer auf ihren Recitals – bei dem akklamierten Verdi-LP-Album auf BALKANTON 1976 (später von FORLANE auf CD veröffentlicht)  und bei den Berühmten Opernarien von ORFEO 1983. Im selben Jahr machte sie damit bei der Gala zur Hundertjahrfeier der New Yorker Met Furore. Karajan sah diesen umjubelten Auftritt im Fernsehen und verpflichtete sie daraufhin für die DG-Plattenaufnahme des Verdi-Requiem mit Agnes Baltsa, José Carreras und José van Dam. Ein weiteres Glanzstück ist die „Pace“-Arie der Leonora aus der Forza, die sich schon auf Tomowas Debütalbum von 1974 bei ETERNA findet und dann auch im bulgarischen Verdi-Recital enthalten ist. Die ORFEO-Platte präsentiert zudem einige Titel, welche in Tomowas Karriere am Rande blieben – Agathes „Und ob die Wolke“ aus dem Freischütz, Daphnes Verwandlung aus der Strauss-Oper oder die Romanze der Adriana Lecouvreur „Io son l’umile ancella“. Eine andere Verismo-Partie – die Maddalena in Giordanos Andrea Chénier – ist dagegen in zwei exzeptionellen Produktionen vertreten: 1982 an der Mailänder Scala mit José Carreras unter Riccardo Chailly und drei Jahre später an der Royal Opera London mit Plácido Domingo, letztere auf DVD verfügbar und Dokument einer ihrer reifsten und aufregendsten Darstellungen im italienischen Repertoire.

Davor gab es mehrere Puccini-Interpretationen, beginnend in Leipzig, wo sie in einer Rundfunkaufnahme als Lauretta in Gianni Schicchi mitgewirkt hatte, die 1971 von ETERNA auf Platte herausgebracht wurde und die Stimme in jugendlicher Blüte und Süße festgehalten hat. Ihre letzte Premiere in Leipzig vor dem Wechsel nach Berlin war die Titelrolle in der Joachim-Herz-Inszenierung von Manon Lescaut 1971, welche sie dann auch in einer Neuproduktion der Bayerischen Staatsoper München 1984 mit Plácido Domingo verkörperte. Gipfel ihrer Puccini-Interpretationen war aber zweifellos die Tosca. Nach dem Rollendebüt an der Berliner Staatsoper 1976 stellte sie ihr leidenschaftliches Porträt auch in Wien, München, London, New York und Salzburg vor. BALKANTON produzierte eine LP-Gesamtaufnahme mit Nicolai Gedda als Cavaradossi und Ingvar Wixell als Scarpia, die immer noch auf ihre auf ihre Veröffentlichung auf CD wartet. 1999 kam es zum Rollendebüt als Turandot am Gran Teatre del Liceu anlässlich der Wiedereröffnung des Opernhauses – ein einmaliger Ausflug in ungewohntes Terrain.

Zu ergänzen sind zwei russische Partien. Als Tatjana in Tschaikowskys Eugen Onegin absolvierte sie nach dem Studium in Sofia ihr Examen und sang sie dann an der Berliner Staatsoper (erneut in einer Inszenierung von Theo Adam) und in Wien. Wieder ist BALKANTON eine Schallplattenaufnahme zu danken (1988 mit Yuri Mazurok in der Titelpartie und Nicolai Gedda als Lenski), die SONY 1990 als CD-Ausgabe veröffentlichte. Die zweite Partie des russischen Repertoires ist die Jaroslawna in Borodins Fürst Igor, welche sie schon in ihrer Leipziger Zeit für den Rundfunk aufnahm (in deutscher Sprache) und dann 1990 an Londons Royal Opera szenisch vorstellte. Die Aufführung wurde im TV übertragen und liegt als DVD-Bilddokument vor. Leider kam es nie zur Lisa in Pique Dame, doch hat Tomowa deren große Arie „Bald ist es Mitternacht“ im Konzert gesungen. Bei Dmitri Tscherniakovs Neuinszenierung von Rimsky-Korsakows Zarenbraut im Schiller Theater 2013 unter Daniel Barenboim gab es mit der Domna Saburowa doch noch eine russische Partie, welche das unvermindert singuläre Timbre und die starke Präsenz der Sängerin bestätigte. Diese Koproduktion der Berliner Staatsoper mit der Mailänder Scala wurde von BelAir auf DVD dokumentiert.

Freunde der Sängerin und Liebhaber dieser Stimme bedauern jede Partie, die in der Karriere ausgeblieben ist. Doch es ist müßig, über die Gründe zu spekulieren, die manche Projekte verhindert haben. Anna Tomowa-Sintow lag auch viel daran, in Meisterklassen und Workshops ihre reichen Erfahrungen an die jüngere Generation weiterzugeben. Und es bleibt eine Fülle von Figuren, denen sie mit ihrer Stimme und Persönlichkeit ein unverwechselbares Profil verliehen hat und die man als Opernfreund nicht vergessen wird. Eine große Gemeinde von Verehrern und Liebhabern ihrer Stimme vereint sich zum Geburtstagsjubiläum der Künstlerin in Bewunderung und Dankbarkeit (Foto oben Anna Tomowa-Sintow als Arabella an der Berliner Staatsoper/Foto Sintow). Bernd Hoppe

  1. Kevin Clarke

    Ich habe sie auch oft in Berlin gehört (als Aida) und fand sie immer bewunderswert souverän, aber nicht sensationell. Bis ich mal einen schrecklichen Don Carlos mit ihr in Hamburg sah, der über Stunden schmerzhaft anzuhören war – und dann knallte sie einen solchen Schlusston heraus, dass ich wie elektrisiert aufsprang und klatschte. So etwas hatte ich zuvor nie erlebt. (Danach hat nur Miriam Gauci diesen Stunt als Elisabetta in Essen übertroffen, indem sie ihr hohes H so lange hielt, bis der letzte Orchesterton vorbei war. Ganz so lange schaffte ATS das nicht, aber fast….) Jedenfalls steht sie für eine große Opernvergangenheit in Berlin, die leider ein Ding der Vergangenheit ist. An das ich aber gern zurückdenke. Nicht nur wegen dem einen Spitzenton.

    Antworten