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So richtig auf den Geschmack gekommen, was Freilichtgroßereignisse betrifft, scheint Luciano Pavarotti nach dem Konzert 1990 mit den anderen zwei Tenören in den Thermen des Caracalla in Rom anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1990 gekommen zu sein. Damals gewann übrigens Deutschland den Titel. Bereits im folgenden Jahr gab es , allerdings nur mit ihm als Alleinstar, im Londoner Hydepark und noch ein Jahr später im Central Park von New York ein Konzert mit einer halben Million Zuschauer.
Die Programme der beiden Veranstaltungen ähnelten einander, nahmen allerdings auch Rücksicht auf die jeweiligen Vorlieben des Publikums, das Wetter hätte nicht unterschiedlicher sein können, denn während in London ein buntes Meer von Regenschirmen wetterfest ausharrte, konnte man und kann man nun auch auf zwei Blurays in New York bei strahlendem Sonnenschein den einen oder anderen nackten männlichen Oberkörper bewundern. Während das Londoner Publikum Weltmeister im Winken zu sein scheint, ist das in New York weitaus gelassener.
War in Ravenna, wo es im Juni eigentlich kaum regnet, ein Pavarotti-Konzert im Hafen der Stadt wegen schlechten Wetters noch auf den kommenden Abend verschoben worden, ist man in London schlechtes Wetter gewöhnt und trotzt ihm, so wie auch Lady Diana, Prince Charles und Ministerpräsident Major in der ersten Reihe, die Mitglieder des Philharmonia Orchestra fürchteten wahrscheinlich um ihre kostbaren Instrumente, aber Leone Magiera, bevorzugter Dirigent italienischer Sänger und oft auch ihr Begleiter am Flügel, zog das Programm durch. In New York war er gleichfalls der Taktgeber, diesmal für The New York Philharmonic. An beiden Orten beginnt man mit der Ouvertüre zu Luisa Miller, gefolgt von der Arie des Rodolfo, „Quando le sere“, einschließlich Rezitativ, aber ohne Cabaletta. Für die vielen Verdi-Partien, die der Tenor sang, ist abgesehen vom Duca und Alfredo die Stimme recht hell, in New York klingt sie etwas metallischer als in London, der Spitzenton ist natürlich ein strahlender und wird mit Lust lange gehalten. Geht es in London mit „O paradiso“ weiter, so in New York sehr viel angemessener mit dem Schlussbild von Lucia di Lammermoor, in London bleibt man weit eher der bedeutenden E-Musik verhaftet, ehe es zu den Canzoni geht, in New York wechselt nach einem Lamento di Federico der Star bereits ins Populäre, ehe er bei den Zugaben wieder zu den beiden Cavaradossi-Arien und damit zur Oper zurückkehrt.
In London hat der Philharmonia Chorus eine bedeutende Funktion im Konzert, natürlich mit dem unvermeidbaren „Va pensiero“, aber völlig unverhofft und aus dem Rahmen fallend auch mit dem Brautchor aus Lohengrin. Die Londoner bekommen weit mehr Pavarotti serviert als die New Yorker, die auf Canio und Des Grieux verzichten müssen, dafür aber, unbefangen wie man in den USA nun einmal ist, mitten im Pavarottikonzert mit dem Boys Choir of Harlem und Strayhorn, Ellington und I can go to God konfrontiert werden.
In beiden Städten kommt das Publikum in den Genuss der Kunst eines außergewöhnlich guten Flötisten, Andrea Griminelli, der in London nur eine Carmen-Phantasie, in New York dazu noch Mercadantes Rondo Russo zum Besten gibt. Auf O Sole mio und Nessun dorma aber braucht man weder in London noch in New York zu verzichten, und auf beiden Aufnahmen ist der Maestro in guter Form, stellt seine Stimme genüsslich und genussvoll aus, ein prächtiges Material, das sich selbst genug ist (C-Major 762404 und 762704). Ingrid Wanja