Wehmütige Melancholie

 

Robert Carsens Neuproduktion von Strauss’ Oper Der Rosenkavalier an der Met im Mai dieses Jahres (2017), in der er seine Konzeption von den Salzburger Festspielen 2004 aufnimmt, war für Renée Fleming und  Elina Garanca Anlass, sich von den zentralen Rollen der Marschallin und des Octavian, die beider Karrieren jahrelang begleitet hatten, zu verabschieden. Decca hat das Ereignis auf zwei DVDs festgehalten (074 3944). Von der amerikanischen Starsopranistin, die bei ihrem ersten Auftritt vom Publikum mit Applaus begrüßt wird, gibt es allerdings bereits einen Live-Mitschnitt in Bild und Ton aus dem Festspielhaus von Baden-Baden unter Christian Thielemann aus dem Jahre 2009. Ihre Stimme ist nun deutlich reifer, klingt in der Höhe aber noch immer cremig und leuchtend. Nur in der unteren Mittellage haben sich einige unschöne Trübungen eingestellt. Darstellerisch ist sie in den melancholischen und ernsten Momenten am überzeugendsten (so am Schluss des 1. Aktes), während die Koketterie mit Octavian in der Eingangsszene aufgesetzt wirkt. Spektakulär ist ihr Auftritt im 3. Akt im schwarzen Pelzmantel und wie erwartet zieht sie im Terzett ihre Trumpfkarte mit aufstrahlender Höhe und großen Bögen.

Elina Garanca beweist in den Mariandel-Szenen ihren Sinn für Humor und bietet darin einige köstliche Momente. Ihr Octavian ist von jugendlichem Feuer – schwärmerisch, aber auch energisch und schier unersättlich in seinem Bedürfnis nach körperlichen Zärtlichkeiten. Sie singt mit Emphase und bewältigt mit ihrem hohen Mezzo die Tessitura souverän. Allenfalls die tiefe Lage klingt etwas schmal.

Von bestechender Eleganz ist die Bühne von Paul Steinberg, die im 1. Akt überraschenderweise zunächst kein Schlafzimmer zeigt, sondern eine hohe Bildergalerie. Erst beim Servieren des Frühstücks hebt sich die hintere Wand und gibt den Blick frei auf das üppige Doppelbett in einem Schlafgemach, dessen Wände mit rotem Brokat bespannt und mit zahlreichen Gemälden geschmückt sind. Brigitte Reiffenstuels raffinierte Kostüme nehmen die Idee des Regisseurs auf, seine Inszenierung um die Jahrhundertwende anzusiedeln.

Es ist das Ende der Habsburger Monarchie, das einher geht mit der Vorahnung des 1. Weltkrieges. Darauf verweist das Finale, wenn Mohammed mit der Schnapsflasche hereintorkelt und im Hintergrund Soldaten reihenweise niedergemäht werden. Der 2. Akt führt in einen großen Saal mit schwarz/weißem Boden in Art-déco-Ornamentik und griechischem Fries an der Wand. Hier residiert Faninal, offenbar ein Waffenhändler, den Markus Brück als schmierigen Typ gibt und kernig-robust singt. Seine Tochter Sophie ist dagegen von apartem Reiz und Erin Morley singt sie mit feinem lyrischem Sopran, der die exponierten Töne mühelos nimmt und klangschön formt. Octavians Auftritt wird eingeleitet von mehreren Tanzpaaren in Schwarz/Weiß wie beim Wiener Opernball, die auch die Überreichung der Rose begleiten. Der Ochs von Günther Groissböck ist derb und alert – ein Mann in den besten Jahren. Der Bass gibt ihn mimisch beredt und gestisch ausladend mit kräftigen Konturen. Die Stimme klingt zuweilen etwas trocken und verfügt vor allem in der Extremtiefe nicht über die gewünschte saftige Fülle. Im 3. Akt, der in einem eleganten Bordell mit rosa ornamentierter Tapete und Gemälden von schlüpfriger Erotik angesiedelt ist, muss er sich von dem forsch zupackenden und im Verführungsritual die Initiative übernehmenden Mariandel düpieren und bloßstellen lassen. Groissböck und Garanca, die mit Zylinder und Zigarettenspitze wie Marlene im Blauen Engel auftritt, machen daraus ein Kabinettstück. Mit der Damenkapelle en travestie wie aus Some like it hot bietet die Regie noch ein weiteres Filmzitat.

In weiteren Rollen sieht man Matthew Polenzani als Italienischen Sänger mit strahlenden Tönen, der in seinem weißen Anzug das Abbild eines Latino-Tenors abgibt, sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit Caruso aufweist. Helene Schneiderman und Alan Oke geben ein charaktervoll-mieses Intrigantenpaar; Tony Stevenson ist als Wirt en travestie eine dralle Schlampe mit sicherer Tenorhöhe.

Sebastian Weigle gelingt mit dem Metropolitan Opera Orchestra eine reiche Klangpalette. Da gibt es den ekstatischen Rausch, Walzer-Seligkeit, hoch gepeitschte Turbulenzen, wehmütige Melancholie und schwelgerische Glücksmomente. Bernd Hoppe