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Jahrelang ein Blickfang für die Touristen war in Verona zwischen der Arena und der Fontana der Piazza Bra ein Haufen erzenen (so schien es, war aber Plastik) Kriegsgeräts, mit einem riesigen darnieder gestreckten Rittersmann, Wehrtürmen und im Geschützfeuer versengten Fahnen. Es handelte sich um Requisiten der Trovatore-Produktion von Franco Zeffirelli, dem Spezialisten für großartige Opernaufführungen in nicht nur großräumigem Ambiente, sondern auch einer eindrucksvollen Aida im klitzekleinen Opernhaus von Busseto neben der monumentalen im Veroneser Amphitheater. Die Arena hatte sich außerhalb der Magazine noch einen Aufbewahrungsplatz für die umfangreichen Bühnenbilder geschaffen, vertrauend auf das meistens zuverlässige Wetter. Das ganz große Wunder allerdings, das dem Publikum jeden Abend beschert wurde, konnte man beim Anblick der im Tageslicht doch recht nüchtern wirkenden Teile nicht erahnen. Eine Woge bewundernder Ahs und Ohs zog jedes Mal durch das Arenarund, wenn sich die Wehrtürme öffneten und den Blick auf einen hellleuchtenden gotischen Altar freigaben. Nun gibt es eine DVD aus dem Jahre 2019, kurz nach Zeffirellis Ableben entstanden und das Arena-Debüt von Anna Netrebko bedeutend und auch am Fernseher Eindruck machend. Da nimmt man auch vom Sofa aus in Kauf, dass sehr viel, ja zusätzliches Ballett einer fahrenden Volksgruppe dem Geschmack opernungewohnter Publikumsschichten entgegen kommt, umso mehr, als man feststellen kann, dass bei der Lenkung der umfangreichen Komparserie durchaus auf Individualisierung geachtet wurde. Geschick bewies Zeffirelli auch bei der Einbeziehung der hoch hinter der Bühne aufragenden Gradinate in das Bühnengeschehen, und sicherlich hat ein Teil des Publikums auch goutiert, dass Schimmel Leonora und Manrico aus der Kirche, Braune die Mannen Lunas in die Schlacht führten. Vorenthalten wird dem DVD-Betrachter das Kerzenmeer zu Beginn des Abends, die dreimalige Ankündigung des baldigen Beginns durch Gongschläger in zum Werk passendem Kostüm, das Geleiten des Dirigenten zu seinem Arbeitsplatz und der Ruf „Bravo, Maestro“ durch den Claqueur vom Dienst.
Kommt man mit alle diesem dem Geschmack eines nicht operngewöhnten Publikums entgegen, so ist die Besetzung, zumindest für die jeweilig ersten Aufführungen (Im August hat oft der Nachwuchs eine Chance.), eine hochklassige.
In jeder Hinsicht strahlender Mittelpunkt der Vorstellungen des Trovatore im Juli 2019 war also Anna Netrebko, hoch attraktiv in den mittelalterlichen Gewändern, unangestrengt den Sopran in dunklem Reichtum fließen lassend, schlank und rein in der „casto amor“ und alle Finessen samt Cabaletta der „D’amor sull‘ ali rosee“ auskostend. Den Zenit ihrer Karriere bereits überschritten hatte damals Dolora Zajick, die zwar optisch eine anrührende Azucena war, vokal jedoch in der Tiefe nicht farbig, in der Höhe nicht präsent genug , woran auch ein schneidendes „Mi vendica“ nichts ändern konnte. Fermatenverliebt gab sich Yusif Eyvazov als Manrico, „edel „bleich geschminkt, mit robuster Arenastimme auch in der sicher gesungenen Stretta. Hohl und röhrend und allzu sehr auf Überpräsenz bedacht, war Luca Salsi ein die Akustik der Arena wohl unterschätzender vokaler Schlagetot, der auch „Il balen del suo sorriso“ keine Poesie entlocken konnte. Auf die Frage, auf welche Leistung er besonders stolz sei, hatte der Veroneser Ivo Vinco, immerhin auch ein Filippo-Sänger, den Ferrando genannt. Hörte man nun Riccardo Fassi mit der langen Erzählung der Vorgeschichte des angeblich unverständlichen Plots, dann wusste man warum, denn die fordert vom Bass alle Finessen eines authentischen Verdigesangs. Und Fassi lieferte. Eindrucksvoll erfüllt der Chor seine Aufgaben, sicher leitet Pier Giorgio Morandi das Orchester- einem erfüllten Opernabend vom Sofa aus steht nichts im Wege. (C-Major 754608). Ingrid Wanja