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Die Verheißung im Programmheft der Deutschen Oper zur Neuproduktion von Wagners Ring des Nibelungen in Corona-Zeiten und kurz danach hatte davon gesprochen, dass wir „durch kollektive Kunsterfahrung zu Göttern werden“, eine Erfahrung, die nicht jedem der Besucher des Sechseinhalbstundenereignisses der Götterdämmerung im Herbst 2021 zuteil geworden sein mag, eher die der Erschöpfung . Dem Betrachter der Blu-ray vom letzten Abend des Zyklus werden im Booklet dazu durch die Wiedergabe eines Interviews zwischen Regisseur Stefan Herheim und dem Dramaturgen der Deutschen Oper, Jörg Königsdorf, ähnlich wundersame Erkenntnisse versprochen, wenn davon die Rede ist, dass Rheingold, Walküre und Siegfried sich im mythischen Bereich bewegen, während die Götterdämmerung in eine „säkularisierte Öffentlichkeit“ führt. Die Wagner-Götter glänzen ja bekanntlich in der Götterdämmerung durch Abwesenheit, soweit macht die Aussage über Säkularisierung also Sinn, nicht aber wenn sie bei Herheim einschließlich aller Walküren entgegen Wagners Absicht auf der Bühne präsent sind, mit den Flüchtlingen aus Rheingold und Walküre die Liebe zu Schiesser-Feinripp teilen(Kostüme Uta Heiseke) , und noch immer oder wieder füllen wie bereits zuvor in Rheingold und Walküre und im später nachgereichten Siegfried Berge von Hunderten von Fluchtkoffern die Bühne, obwohl die Flüchtlinge, wenn nicht gerade zu Göttern, dann doch zu Besuchern der Deutschen Oper mutiert sind, die im auf die Bühne versetzten Parkettfoyer samt seinem Mobile, dieses allerdings außer Funktion, mit Sektgläsern in der Hand flanieren. Und dank der Regie haben sich auch die Chordamen, allerdings stumm bleibend, die Götterdämmerung erobert. Das Gebäude scheint eine große Anziehungskraft und Nachahmungssucht auf Regisseure und ihre Bühnenbildner auszuüben, denn im „Rigoletto“ sah sich der Besucher des 1. Rangs seinem Spiegelbild auf der Bühne gegenüber, und in „Aida“ wurde gar der gesamte Zuschauerraum bespielt, und der arglose Besucher staunte, wenn sein Nachbar plötzlich zu singen anfing.
Nicht nur was die Anwesenheit von Damen, abgesehen von den von Wagner konzipierten, betrifft, ist Herheim schöpferisch tätig geworden, auch in der Behauptung, Hagen würde zu seinen Untaten nicht von Alberich, sondern von Wotan, der auch mal am viel, so als Scheiterhaufen, beanspruchten Flügel sitzen und wie die anderen in die Tasten hauen darf, der Deckel des Vielseitigen spiegelt auch einmal Pornographisches wider. Ähnlich vielseitig ist der Einsatz von riesigen weißen Tüchern, natürlich als Brautschleier, Leichentuch, Betttuch, Zudecke, Fanggerät und des Rheines Fluten. Sehr oft hat man den Eindruck, die Inszenierung erstarre in der Ausstellung des Dekorativen (Mitbühnenbildnerin Silke Bauer) , statt dass Interaktion zwischen den Figuren stattfindet. Und wenn Alberich, Siegfried und Gunther mit Clownsmasken auftreten ( Gunther auch bei der Überwältigung Brünnhildes dabei ist und die Nacht mit ihr verbringt, dann fragt man sich, wie der Verdacht aufkommen kann, Siegfried habe nicht Nothung zwischen sich und die Braut des Blutsbruders gelegt), dann reiht sich eine Ungereimtheit an die andere. Es gibt viele Gründe, warum man nach wie vor dem Friedrich-Ring, der dem Herheims weichen musste, nachtrauert, und einer davon ist die Gestaltung der Szene mit dem Vergessenstrunk. Während im alten Ring eine wundersame Verwandlung Siegfrieds ins Wesenlose stattfand, stürzt der sich nun auf Gutrune, um ihr sofort an die Wäsche zu gehen. Viele alte Regiehüte werden noch einmal ausgekramt, so die Lichtkegel ins Publikum, das Abgehen des Chors, der, was die Damen betrifft, keiner ist, durch die Saaltüren, die Benutzung der Rampen seitlich über dem Orchestergraben für Aktionen, das Platzieren eines Solisten unter den Zuschauern, alles schon gehabt und nie für gut befunden. Und wenn Hagen Siegfried nicht nur ersticht, sondern ihm auch noch den Kopf abschlägt, dann setzte es doch sehr in Erstaunen, dass der abgeschlagene Kopf eine andere Frisur hat als der kurz zuvor noch auf dem Rumpf befindliche, ganz abgesehen von Assoziationen mit Salome, wenn die Damen sich des Hauptes annehmen. Der Schluss, der eine den Bühnenboden reinigende Putzfrau zeigt, ist ebenfalls wenig originell. Den Anspruch, den der Text im Programmheft und das Interview im Booklet erheben, löst die Aufführung nicht ein, die am besten gelingt, wenn all der erwähnte Schnickschnack entfällt wie in der Szene mit Waltraute oder der mit den Rheintöchtern. Generell kann man feststellen, dass die Aufnahme erträglicher ist als das Live-Erlebnis, weil oft nur ein Ausschnitt, die jeweils singende Figur, zu sehen ist und nicht durchgehend die zugemüllte Bühne in ihrer scheußlichen Gesamtheit. Dann hat diese Produktion wahre Größe, aber auch die nicht kollektive, sondern einsame häusliche Kunsterfahrung lässt den Genießer kaum das in Aussicht gestellte Zum- Gott-Werden erreichen.
Keine bessere Brünnhilde als die von Nina Stemme konnte sich ein Haus wünschen, und auch an dieser Aufnahme erfüllt sie alle hochgespannten Erwartungen mit einem dunkel strahlenden, unermüdlichen Sopran der unangefochtenen Höhensicherheit und mit einer der Wotanstochter würdigen Darstellung trotz des schlichten Flatterhemdchens, das ihr für die gesamte Aufführung verordnet worden ist . Fast zu einer Karikatur haben Regie und Kostümierung den Siegfried von Clay Hilley gemacht, von Kopf bis Fuß oder Flügelhelm bis Wadenbändern das Klischee eines germanischen Helden erfüllend, dann aber auch im Frack und, angesichts der Körperfülle des Sängers grenzwertig, ebenfalls in Schiesser-, ja Feinripp. Voll entschädigen für die verstörende Optik kann der Sänger mit einem nimmermüden, nie matt werdendem Heldentenor, der sich unterschiedslos großzügig nie verausgabt, so aber auch zu keiner Steigerung mehr für Brünnhilde, die heilige Braut, fähig ist, sondern sein bemerkenswertes Stimmmaterial unterschiedslos verschwendet. Im Gegensatz dazu lässt der Hagen von Gidon Saks kaum mehr als einen Schatten von Bassgewalt vernehmen, brüchig und unausgeglichen und auch optisch nicht die Erfüllung. Mit einem sonoren Bariton und mit der besten Diktion der Aufführung erfreuend, ist Thomas Lehman ein vorzüglicher Gunther, Aile Asszonyi gibt das Dummchen von Gutrune mit schönem lyrischem Sopran. Jürgen Linns Bariton ist fast zu klangvoll für den bösen Alberich. Okka von der Damerau glänzt durch eine eindringliche, klangvolle Bittstellerin Waltraute. Schöne junge Stimmen aus dem Ensemble kann die Deutsche Oper für Rheintöchter ( Meechot Marrero, Karis Tucker, Anna Lapkovskaja) und Nornen (Anna Lapkovskaja, Karis Tucker, Aile Asszonyi) aufbieten, die sich optisch übrigens nicht voneinander unterscheiden. Der Herrenchor lässt sich durch die Anwesenheit der Damen nicht irritieren, sondern die Mannen so machtvoll wie kultiviert schmettern (Jeremy Bines) . Im schimmernden, glanzvollen Orchesterklang, kann man genussvoll baden, ohne zu überhören, wie fein und nuancenreich im Orchestergraben ausgelotet wurde, was auf der Bühne oft in allgemeiner Betriebsamkeit unterging. Generalmusikdirektor Donald Runnicles hatte aus seinem Klangkörper ein wunderbares Wagnerorchester gemacht (Naxos NBDO160V). Ingrid Wanja