Überleben im Bunker

 

Auf Rollenblades kurven die Wachleute durch den Luftschutzraum. In einer Ecke flimmern die Bilder der Überwachungskameras, die andere Gebäudeteile und Gegenden zeigen oder den Machthabern als Sprachrohr dienen. Auf die Distanz wirken der futuristische Gefängnisbunker und mehr noch die teils apokalyptischen Bilder harmlos und verspielt wie aus einer Puppenstube. Die Verlegung aus dem glänzenden Raum des Teatro Regio auf den Bildschirm des Heimkinos verträgt dieser Nabucco, der live noch einen gewissen Impakt und Biss hatte, ganz und gar nicht. Im Teatro Regio waren die aufmarschierenden Garden mit ihren Maschinengewehren, die jetzt puppig verspielt wirken, und die Gestrandeten mit den Rettungswesten bedrohlicher, wirkte das Aussortieren der Menschen, denen eine Chance zum Überleben gegeben wird, verzweifelter. So nah die Kamera dem durchgehend auf hohem Niveau singenden Chor des Teatro Regio auf die Pelle und Kehle rückt und darstellerische Details in den Fokus rückt, so konzeptverliebt und konstruiert, letztlich sogar albern, zeigt sich die Nabucco-Inszenierung des Duos Stefano Ricci/Gianni Forte, die bei der Premiere noch Stürme der Entrüstung entfacht hatte. Davon, also von dem Geschrei und Toben, den Zwischenrufen und Kommentaren, dem kommunikativen Durcheinander, ist, Wunder der Technik, auf dem von 29. September 2019  stammenden Mitschnitt nichts zu merken (Bluray Dynamic.57867)Derart rangezoomt bleibt das in eine nahe Zukunft versetzte Geschehen um Terror und Überwachung, neue Götter und kulturelle Aneignung, die endzeitlichen Atomkriegs- und Angstszenarien um kaputte Städte und zerstörte Natur und den Raub von Denkmälern doch recht willkürlich zusammengebastelt. Fluch des kleinen Formats.

Blendet man die von Nicolay Bovey gebaute Bühne, das notdürftige Weihnachtsfest und den Versammlungsraum, die Menschen in Schutzanzügen und das stumme Spiel der Statisten aus, kann man sich auf die Sänger konzentrieren, auf Saioa Hernandez, die trotz einiger verzeihlicher Scharten, die der Premierenabend mit sich bringt, als Abigaille durch eine echte dramatische Stimme gefällt. Ihr Sopran klingt auf der Aufnahme in der Höhe etwas enger und spitzer, gleichwohl in der Mittellage üppig und schön, und die Cabaletta singt sie mit dramatischem Feuer und ausgeglichen gesammeltem Ton. In solchen Passagen erweist sich Francesco Ivan Ciampa vielfach als befeuernder Partner der Sänger. Die Bluray lohnt wegen Amartuvshin Enkhbat in seiner ersten Gesamtaufnahme. Ein herrlich schöner, mühelos produzierter, endlos strömender Bariton mit fester Linie, der Dramatik eher durch die Fülle des Materials als erzenen Kern vermittelt und als Nabucco wie ein Wüstensturm durch Babylon fegt. Die Leistung des jungen, 1986 geborenen und 2015, nachdem er bereits seit Jahren am Staatlichen Opernhaus seiner Heimat aufgetreten war, in Cardiff aisgezeichneten Mongolen ist auf stupende Weise ausgereift. Man kann nur staunen über diese Gesangskultur, in der sich Pianokunst, gewaltigen Bögen und wuchtige Steigerungen elegant verbinden. Michele Pertusi singt den Zaccaria, dessen Höhen ihm keine Mühe bereiten, mit Autorität und hinterlässt einen besseren Eindruck als im Theater. Annalisa Stroppa versucht sich mit Fenenas Arie Aufmerksamkeit zu verschaffen, dass Verdi dem Ismael keine gönnte, mag Ivan Magri mehr bedauern als der Zuschauer. Rolf Fath